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wie schon erwähnt, von einem einzigen SS-ler bewacht, welcher freundlich unsere Zukunft im rosigen Licht schildert. Im Grunde geschieht im Lager dasselbe wie im ganzen Land. Nur wenige SS-Männer bestimmen, und die faschistische ungarische Gendarmerie führt die Befehle aus. (S. 115/16) An dieser Einstellung hat sich bis heute in breiten Kreisen der ungarischen Bevölkerung leider nur wenig geändert. Nur so ist der Titel der Reportage von Marta Halpert zu erklären, der im April 2007 in der Zeitschrift „Gemeinde“ der IKG Wien veröffentlicht wurde: „Vergangenheitsbewältigung auf ungarisch: ‚lauter Opfer’. Eine Reportage aus dem ‚Haus des Terrors’ in Budapest“. Als ich ein Exemplar des Buches von Gerlach und Aly Dr. Péter Engel de Janosi nach New York schickte, antwortete er: My former countrymen really behaved very badly, and the book is a clear demonstration of the exceptionally vicious ways Hungarians treated their fellow citizens. (26. Dezember 2006) Er selber konnte mit seiner Familie, Vater, Mutter und Schwester, nur dadurch tiberleben, dass sie sich 1938, als die Familie in Brünn lebte, taufen ließen und entsprechende Dokumente darüber erhielten. Dies war seinem Onkel, Ing. Richärd Engel de Jänosi, nicht vergönnt gewesen. Über dessen bitteres Ende berichtet Friedrich Engel-Janosi in seinen Memoiren: Er wurde von der Gestapo nach Mauthausen gebracht, von wo er nicht mehr zurückkehrte. Überlebende aus dem Lager berichten, daß er — was glaubhaft ist — in Protest gegen Misshandlungen einem Hungerstreik erlegen ist. (S. 21) Das wirtschaftliche Erbe in Österreich Quelle hiefür sind die schon mehrmals zitierten Memoiren Friedrich Engel-Jänosis. Seine Familie besaß in der Heiligenstädterstraße in Wien eine Parkettenfabrik, in der zu Beginn des Jahres 1938 immerhin 100 Arbeiter beschäftigt waren. Mit feiner Ironie schildert Engel-Jänosi, wie die elterliche Fabrik, die seit dem Tode von Möricz Engel-Jänosi im Jahre 1924 trotz der Dozententätigkeit an der Wiener Universität, wo er ursprünglich Assistent beim Schöpfer der österreichischen Bundesverfassung, Prof. Hans Kelsen, gewesen war, von ihm geleitet wurde, „arisiert“ werden sollte: 4 So kam es, daB ich jetzt— | was in der ganzen Zeit seit dem Tod des Vaters nicht geschehen war — Telefonanrufe erhielt, ob ich das Unternehmen „verkaufen“ wolle. Wenn ich mit der Zusage zögerte oder mich auf bereits laufende Verkaufsverhandlungen berief, so war es nicht selten, daß der Gesprächspartner mich nicht im unklaren darüber ließ, daß er oder sie über ausgezeichnete Beziehungen zur Gestapo verfügte. Es war direkt gemütlich. (S. 161) Das Rennen um die väterliche Fabrik machte schließlich ein Vetter von Reichsmarschall Hermann Göring. Seinen bitteren Abschied von seiner Geburtsstadt Wien beschreibt Friedrich Engel-Janosi wie folgt: Samstag abend, am 1. April 1939, bevor der Zug um halb zehn Uhr Wien verließ, hörte ich bei der Mutter eine Hitler-Rede; sie war endlos. Der Abschied war kurz und ruhig. (8. 169) Dann kehren seine Gedanken zu jenem Mann zurück, der diese Wiener Existenz der Familie geschaffen hatte: „während der letzte männliche Nachkomme von Adolf Engel jetzt die Hofzeile 12 für immer verließ.“ (ebenda) Was blieb also vom österreichischen Erbe Adolf Engels’? Es gibt keinen Unterschied zu Ungarn, nämlich nichts. Den wahren Besitzstand beschreibt Friedrich Engel-Jänosi am Ende des Kapitels, das den Titel „Emigration“ trägt: „Um zwei Uhr nachmittags war ich in Zürich mit sechseinhalb Schweizer Franken in der Tasche und im Vermögen“, und er muss sich eingestehen: „So, und jetzt bin ich ein Bettler.“ (ebenda) Doch auch die Arisierer wurden ihres Besitzes des ehemals Engelschen Vermögens in Wien nicht froh. Immer machte man sich in der Familie Engel-Jänosi Sorgen, ob die Dippelbäume im Haus Hofzeile 12 halten würden, doch die Sorge war unbegründet: „... die Dachkonstruktion war noch intakt und die Dippelbäume hielten unversehrt stand, als die Bomben des Zweiten Weltkrieges das stolze Haus umzulegen begannen.“ (S. 40) Heute befindet sich auf dem Areal des ehemals Engel-Jänosischen Anwesens in der Döblinger Hofzeile eine kommunale Wohnhausanlage. Reaktionen auf die Untersuchung Peter Engel de Jänosi konnte es in New York kaum mehr erwarten, bis ich die Untersuchung im Herbst 2004 abgeschlossen hatte. Als ich ihm schließlich ein Exemplar zuschickte, reagierte er darauf in den Briefen vom 30. Oktober und 10. November 2004 wie folgt: 23