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ein „Judenhaus‘“ umziehen mußte‘, der Grund, warum Else Ro¬
sen wieder Verbindung mit ihrem geschiedenen Mann auf¬
nimmt. Willy Rosens erster Brief, datiert mit 18. Dezember
1941, beginnt mit den Worten: „Meine Lieben! Erhielt Brief!
Hoffentlich trifft es Mutter in der neuen Wohnung einiger¬
maßen.‘®

In den nächsten Zeilen seines Briefs setzt der Künstler sei¬
ne geschiedene Frau davon in Kenntnis, daß er sich nun nur
noch in Amsterdam aufhält, und nicht mehr in Utrecht, und daß
er in Amsterdam schon bald wieder umziehen wird.

Dann kommt Willy Rosen zielstrebig auf seine künstlerische
Arbeit zu sprechen und berichtet Else Rosen im Telegramm¬
stil:

Habe jetzt Riesenerfolg mit einer Idee: Variete 1900! Stilecht
Spezialitätentheater von früherer Zeit in Originalkleidung De¬
koration. Marschmusik — alte Melodien ...

Gemeint ist die oben schon erwähnte Revue Confetti, tiber
deren Premiere das „Joodsche Weekblad“ berichtete, das Pu¬
blikum habe „im gedrängt vollen Zuschauerraum donnernden
Applaus“ gespendet, und die Zuschauer hätten „alle Mitwir¬
kenden mit einer übergroßen Zahl von schönen Blumenge¬
stecken“ für ihre Darbietungen belohnt." Das Erfolgsrezept die¬
ser Revue möchte Willy Rosen bei seiner nächsten Revue wie¬
der anwenden. Er schreibt an Else:

Ab Samstag Fortsetzung mit Typendarstellern, Bauchredner,
Chansonette, Tanzkomiker und 1 aktiger Operette in Kostiimen
von 1900 (Anfang 1890).

Allemaal op de Fiets! heißt diese neue Revue, und sie wird
ebenfalls ein großer Erfolg." Jedoch geht es auch bei dieser Art
von Nostalgie-Revue offenbar keineswegs immer nur lustig zu,
denn der Künstler schreibt in seinem Brief weiter: „Schrieb vie¬
le wunderbare ernste Chansons; die enorm gefallen (...).“

Dann kommt Willy Rosen auf sich selbst zu sprechen, und
aus seinen Zeilen ist deutlich herauszuhören, daß er sich Sor¬
gen um seine Gesundheit macht. Er schreibt: Bin abgearbei¬
tet. Dünn! Ich nehme nicht mehr zu!“ Die beiden Rufzeichen
unterstreichen den Ernst der Worte - für einen Willy Rosen, der
eher mit Übergewicht zu kämpfen hatte, muß dies ein Alarm¬
zeichen sein. Die Sorge um seine Zukunft als Jude in einem von
Deutschen besetzten Land bedrückt ihn mehr, als er zugeben
mag, und insbesondere die Tatsache, daß es für ihn nun kein
Entkommen mehr aus den Niederlanden gibt, macht ihm zu
schaffen. Er schreibt an Else: „Mit dem Herauskommen nach
Cuba ist es wohl nun endgültig vorbei.“ Und fügt hinzu:

Na, ich habe nie sehr viel damit gerechnet, deshalb ist es nun
keine Enttäuschung für mich!

Mit dem Wort „nun“ spielt Willy Rosen auf eine Tatsache
von großer historischer Tragweite an; nämlich darauf, daß ei¬
ne Woche zuvor, am 11. Dezember 1941, Deutschland und sei¬
ne Verbündeten den Vereinigten Staaten von Amerika den
Krieg erklärt haben. Zu diesem Zeitpunkt, im Dezember 1941,
war Willy Rosen im Besitz eines Visums fiir Kuba.” Wenn er
dennoch schreibt, er habe „nie sehr viel damit gerechnet“, nach
Kuba zu gelangen, so spricht daraus die leidvolle Erfahrung
derjenigen jüdischen Flüchtlinge, deren Visa von den kubani¬
schen Behörden nicht anerkannt wurden."

Aus Willy Rosens Brief spricht deutlich das Bemühen, sei¬
ne Lieben in Deutschland nicht mit seinen Sorgen zu belasten.
Er schreibt: „Momentan komme ich gut durch.“ Aber die in
Klammern hinzugefügte Bemerkung „(Den Umständen ent¬
sprechend)“ macht deutlich, wie schwer das Leben auch für ihn
geworden ist.

THEATER VAN DE LACH

PLANTAGE MIDDENLAAN 4 - TELEFOON 52117 a.
Tramlijnen 7-8-9 en 14

Dagelijks 7.30 uur
HET GROOTSTE SUCCES

| CONFETTI’

Lach-Revue van WILLY ROSEN

| | Deze revue alleen nog tot en.’ met
.Donderdag 18 December

Zaterdag 20 Dec. PREMIERE
‘van We nieuwe Revue

„Allemaal on de Fiets”

Woensdag, Zaterdag en Zondag
Matinée 2.30 uur

VRUDAG GEEN VOORSTELLING !!
7834 MAANDAG SPELEN WIJ WEER!!

Prijzen vanaf 70 ct. tot en met {2.20 E

Aanvang precies 7.30 uur

Toegang alleen voor Joodsch publiek
Door de autoriteiten goedgekeurd
Fietsenstalling in het gebouw aanwezig

“. Het Joodsche Weekblad,

Am 18. Januar 1942, genau einen Monat nach seinem ersten
Brief, schreibt Willy Rosen ein zweites Mal an Else Rosen und
seine Mutter in Deutschland. Dem zweiten Brief nach hat
Else Rosen seinen ersten Brief inzwischen beantwortet, denn
er beginnt ihn wieder mit den Worten: ,,Meine Lieben! Erhielt
Brief.“ Wie er es in seinem ersten Briefschon angekündigt hat,
ist Willy Rosen inzwischen umgezogen, und er teilt Else
Rosen seine neue Adresse in Amsterdam mit: „Amsteldyk 16
Pension Tielscher Tel: 26 — 4 — 79. Und Willy Rosen berich¬
tet nach Berlin:

Es ist hier sehr kalt geworden. Die Grachten sind zugefro¬
ren und mit Schlittschuhläufern bevölkert. Ein nettes Bild: man
wird immer wieder an alte holländische Gemälde erinnert, die
solche Eisläuferszenen vom Anfang des 17. Jahrhunderts schil¬
dern. [...] Jetzt ist Sonntag vormittag— 11 Uhr. Ich sitze in mei¬
nem Zimmer. Das Wasserrohr ist eingefroren. Ich muß mir aus
der Küche Wasser zum Rasieren holen.

Sonntagvormittags hat Willy Rosen keine Probe und auch
keine Vorstellung. Und deshalb nimmt er sich jetzt Zeit, seinen
Lieben daheim etwas ausführlicher zu schreiben. Zum ersten
Mal wird auch deutlich, daß sich seine finanzielle Situation sehr
verschlechtert hat: Sein neues Zimmer ist nicht nur winzig;
schlimmer noch, es ist auch sehr kalt. Er schreibt:

In meinem neuen Zimmer, das übrigens leider sehr, sehr klein
ist, steht nur ein Gasofen. Er gibt für den Augenblick Wärme

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