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für die Revuen geworben wird, ist zu ersehen, daß Willy Rosen im Schnitt alle drei bis vier Wochen eine komplett neue Kabarettrevue auf die Bühne bringt. Das zeugt von großer Kreativität, aber ist zugleich ein Ausdruck dafür, wie schwer es für ihn geworden ist, den Lebensunterhalt zu verdienen. Denn: „Durchschnittlich 18 — 25 Tage läuft ein Programm, dann ist es abgenützt. Der Kreis des Publikums ist klein.“ In den besetzten Niederlanden gelten die gleichen „Rassengesetze“ wie in Deutschland. Und weil Willy Rosen gemäß den „Nürnberger Gesetzen“ als Jude gilt, ist es ihm nun auch in den Niederlanden verboten, seine Werke zu veröffentlichen, das heißt, sie wirtschaftlich zu nutzen. Es fällt ihm sehr schwer, sich damit abzufinden; er schreibt: Das Material geschriebener Lieder, Chansons, Duette, Szenen häuft sich im Koffer. Alles liegt unausgenützt im Koffer. Die Armut hat Willy Rosen eingeholt. „Bin mit Anzügen und Wäsche ziemlich abgerissen. [...] Immer wenn ich etwas Geld habe, lasse ich bügeln und säubern.“ Für einen Mann, der einmal zu den Großverdienern seines Faches gehörte, muß die Armut besonders bitter sein. Doch er wehrt sich: „Ich schreibe an neuen Nummern. Obgleich man ja nie weiß, was weiter wird.“ „Obgleich man ja nie weiß, was weiter wird.“ In diesen Worten schwingt die bange Frage mit, wie lange er noch verschont bleiben wird. Denn inzwischen sind die ersten Juden aus den Niederlanden in das Konzentrationslager Mauthausen gebracht worden, und seit Beginn des Jahres 1942 müssen sich immer mehr Juden aus Amsterdam in Arbeitslager begeben. In seinem dritten Brief spricht Willy Rosen auch wieder das Thema seiner fehlgeschlagenen Emigration nach Übersee an: „Aus Amerika höre ich nun natürlich nichts mehr. [...] Die Freunde drüben werden traurig sein, daß ich nun doch nicht rüberkommen konnte! Schicksal!“ Mit dem Wort „nun“ spielt Rosen erneut auf die deutsche Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten an, infolge derer es vom 11. Dezember 1941 an unmöglich geworden war, aus dem deutschen Machtbereich in die Vereinigten Staaten auszuwandern, da nun die USA zu den „Feindstaaten“ Deutschlands gehörten. THEATER VAN DE LACH . MIDDENLAAN 4 TELEFOON 52117 TRAMLIJNEN 7-8-9.14 Mm ui IEDERE AVOND 730 UUR het geweldige succes PN ee PENELOPE DLE HES Papas tess... WILLY ROSEN-REVUE Anal betty were eo PER ee FRANZ ENGEL mt nieuwe coupletten en grapjes FRIEDA VAN HESSEN zingt liedjes van Willy Rosen MAX EHRLICH in een dramatische scene LIESL FRANK als juffrouw van’ de gramofoon-afdeeling OTRO AURICH als tapdanser OTTO DURER confereert en speelt OTTO HOPPE zorgt voor humor MARY SIM in-vroolijke scénes...... ete. ete, Muzikale leiding: WILLY ROSEN en ERICH ZIEGLER Viool: FRIEDL SCHICK ~- Cello-Saxophon: MAX SWAB Slagwerker: HANS FEITH DAGELIJKS (behalve Vrijdags) 7.30 wur „CARNAVAL" MATINEE: Woensdag, Zaterdag Zondag 2.30 uur Anzeige für die Revue „Carnaval!!“. Het Joodsche Weekblad, Amsterdam, vom 23.1.1942. Omniboek Den Haag 1979 „Die Freunde drüben“ sind Kurt Robitschek und der Kreis um ihn. Sie sammelten in New York für Willy Rosens Überfahrt in die USA”, aber Rosen hat das Visum für die Vereinigten Staaten, welches er offenbar beantragt hatte, vor der deutschen Kriegserklärung nicht mehr erhalten. Obwohl er auch in seinem dritten Brief immer noch versucht, seine Lieben daheim aufzuheitern, läßt Willy Rosen jetzt keinen Zweifel mehr daran, daß er bedrückt ist und Angst vor der Zukunft hat. Insbesondere der zweite Teil seines letzten Briefs spricht hier eine deutliche Sprache: „Stimmung trübe, angstvoll, nervös. Winterliche Stimmung; innen und außen!“ Er schließt mit den fast schon beschwörenden Worten: „Lebt wohl für heute! Bleibt gesund. Euer Willy“ Soweit bekannt, ist der Brief vom 24. Januar 1942 der letzte Brief, den Willy Rosen an Else Rosen und seine Mutter geschrieben hat. Dank der Funde in Else Rosens Nachlaß sind auch zwei Gedichte von Willy Rosen als Handschriften erhalten geblieben und können hier zum ersten Mal abgedruckt werden. Im ersten Gedicht geht es um einen Mann, über den gelacht wird. Das Gedicht lautet: Man lacht über den Mann, dem der Hut wegfliegt, Und der ihm nachléuft im Regen! Man lacht über den Boxer, der Schläge kriegt Der taumelt unter den Schlägen! Man lacht über den, der ein Glas umschmeißt Und der reibt mit dem Tuch hin und her Und über den, der sich ein Loch einreißt Als wenn das so komisch wär! Man lacht über den, der vor einem Cafe In die Scheibe rennt aus Versehen Und man lacht über den, der schwerhörig ist, Der nur, wenn man schreit — kann verstehen!! Man lacht über 'n junges Ehepaar Das zärtlich ist und verliebt!! Man lacht, wenn er am Nebentisch Er ihr Kosenamen gibt! Man lacht über einen der stolpert Und der einer Tram nachrennt Man lacht über einen, der sich Zu echter Sehnsucht bekennt!! [Hier folgen drei Zeilen, die von Willy Rosen durchgestrichen wurden.] Man lacht über einen Lehrer Den der Schüler frech belügt! Man lacht über einen Ehemann Den die Gattin heimlich betrügt! Er weiß nicht, daß sie einen anderen küft Ich weiß nicht, was daran so komisch ist Man sagt, er trägt Hörner!! Dieser Idiot! Und man lacht sich über den Armen halbtot! [Hier folgen zwei Zeilen, die von Willy Rosen durchgestrichen wurden.] Ich lege dagegen ein Verwahrung Ich spreche über diesen Punkt leider aus Erfahrung!! Im Oktober 1938 brachte die Kleinkunstbühne des Jüdischen Kulturbunds in Berlin eine Revue mit Namen Gemischtes Kompott heraus. Das zweite Bild dieser Revue hieß „Der Mann, über den man lacht“. Fünf Jahre später, im Oktober 1943, spielte die „Bühne Lager Westerbork“ die Revue Bravo! 29