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Die Gedichte sind entnommen den von Erwin Chvojka herausgegebenen „Gesammelten Gedichten“ Theodor Kramers in drei Bänden. Copyright Paul Zsolnay Verlag 1997 und 2004. — „Von der Angst“, Band 1, S. 354, ist entstanden am 21. Juli 1938, ist ein Teil des Gedichtzyklus „Wien 1938“. „Geständnis“, Band 3, S. 603, entstanden 10. März 1949, wurde von Erwin Chvojka dem Zyklus „Mit dem Staub“ zugeordnet. „Lied am Rand“, Band 1, S. 433, entstanden am 25. Juli 1945, ist Teil des gleichnamigen Zyklus in Kramers Band ,, Die untere Schenke“ (1946). ,, Es ist schén...“, Band 1, S. 485, entstanden am 3. Oktober 1944, gehört zu dem von Kramer 1946 abgeschlossenen und erst 1972 veröffentlichten Band „Lob der Verzweiflung “. I. Alle Jahre wieder feiert österreichische Dichtung mit „Lyrik im März“ ein Frühlingserwachen. Nicht ganz so frühlingshaft ging es im März 1938 zu. Der damalige SS-Mann und spätere Nazigegner Albert Massiczek erinnerte sich, elend gefroren zu haben, als er mit seiner Einheit, alle Studenten, alle in kurzen Hosen und weißen Stutzen, beim Bundeskanzleramt Stellung bezog. Wärmer hatten es wohl die streitbaren Mitglieder des „Bundes deutscher Schriftsteller Österreichs“, die vielleicht schon an ihren Beiträgen für das „Bekenntnisbuch österreichischer Dichter“ bastelten, das dem Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels bei seinem Besuch der Reichstheaterwoche in Wien dargereicht wurde. Josef Weinheber, nach dem in Wien immer noch ein Platz benannt ist, begrüßte die Heimkehr des „Führers“ hymnisch: Deutschland, ewig und groß, Deutschland, wir grüßen dich! Führer, heilig und stark, Führer, wir grüßen dich! Heimat, glücklich und frei, Heimat, wir grüßen dich! Der Nationalsozialist Weinheber wurde nach seinem Selbstmord, 1945, im Nachkriegsösterreich Gegenstand großer Verehrung. Weinheber-Lesungen bekannter Schauspieler waren landauf landab beliebt. Otto Schenk, der sich derzeit mit Ril34 ke müht, brillierte mit Weinheber. Selbst ein Oskar Werner besprach eine Schallplatte, auf der neben Goethe und Schiller Weinheber als der dritte Klassiker zu hören ist. Weinheber hat übrigens auf Kramer immer wieder in abfälliger Weise Bezug genommen, während Kramer seiner in dem Gedicht „Requiem für einen Faschisten“ gedachte.' Während in der NS-Zeit Josef Weinhebers Ruhm begründet wurde, wurde Theodor Kramer zu einem Unbekannten. Zum letzten Mal las er am 9. Jänner 1938 im Modernen Theater am Schwarzenbergplatz in Wien aus seinen Gedichten, die bekanntlich keine Hymnen sind. Er leitete die Lesung mit wenigen Worten ein: In diesen Tagen, in denen sich alle Dinge im Umbruch befinden, wird vielfach auch die Frage nach dem Dichter und seiner Stellung innerhalb seiner Zeit aufgeworfen. Der Dichter wird Vorkämpfer und Partisan seiner Zeit, er wird Verkünder und Seher, er wird Bewahrer und Gestalter des Zeitlosen genannt. Es kann nicht meine Aufgabe sein, mich heute zu diesen großen Fragen zu äußern: ich möchte nur mit einigen Worten bescheiden festlegen, was ich selbst gern sein und wofür ich gehalten werden möchte. Gern möchte ich ein Chronist meiner Zeit sein. Dem „Chronisten seiner Zeit“, dem Sozialisten Kramer, der arbeitslos, nicht sehr gesund und zudem noch Jude war, ging es nicht so gut wie dem pensionierten Postbeamten Weinheber. Seit 1933 konnte er nicht mehr in deutschen Zeitungen publizieren; seit dem Februar 1934 wurde es auch in Österreich immer schwieriger: „Hier werde ich“, schreibt er 1937, „immer mehr geschnitten und meine Gedichte werden nicht mehr angenommen.‘“ Der Musik- und Kunstsoziologe Kurt Blaukopf (1914 — 1999) berichtete dem Verfasser 1983: Kramer wurde damals ... von einem Kreis von Leuten, die es sich leisten konnten, zur Privatvorlesung in den „Salon“ geladen. Man steuerte zusammen. Kramer konnte von dem, was zusammenkam, manchmal zwei Monate leben.* Andere taten sich zusammen, monatlich für Kramers Unterhalt zu spenden. Auch das fand nach dem März 1938 ein rasches Ende. Was Kramer 1938 widerfuhr, ist vielen widerfahren. Am 30. Mai verliert er seine Wohnung und muß zu seiner Mutter ziehen. Sie stirbt 1943 in Theresienstadt. Verzweifelt bemüht er sich um eine Ausreise in die USA, in die Schweiz, nach Shanghai, in die Dominikanische Republik, in irgendein Land.’