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kleinen Nachbargemeinde von Persenbeug eingerichtet. Der Gendarmerieposten Persenbeug requiriert für diesen Zweck drei leerstehende Zwangsarbeiterbaracken der Rhein-Main-Donau AG am Donauufer westlich des Schlosses Persenbeug und teilt den bald über 200 Insassen nach einiger Zeit Lebensmittelkarten des Landratsamtes Melk zu, da sich der Persenbeuger Bürgermeister Josef Maier weigert, für die Juden Verpflegung und Stroh bereitzustellen. „Wie aus Berichten von Überlebenden hervorgeht, bemühte sich die Gendarmerie, die erschöpften, ausgehungerten Menschen sofort zu verpflegen, wobei sie sich an die Zivilbevölkerung um Hilfe wandte“, weiß die Historikerin Eleonore Lappin-Eppel zu berichten, die als führende Expertin für diese Todesmärsche gilt. Die Bewachung des Lagers durch die Gendarmerie ist lax, in der Nacht fehlt sie völlig. Frauen und Kindern wird auch tagsüber erlaubt, um Nahrung betteln zu gehen. Am frühen Morgen des 3. Mai 1945, nur wenige Stunden nach dem Massaker nimmt der stellvertretende Kommandant des Gendarmeriepostens Persenbeug, Revierinspektor Franz Winkler, ein erfahrener, damals zweiundfünfzigjähriger Gendarm, förmliche Ermittlungen gegen die SS-Massenmörder auf, die am 2. Mai 1945 um circa 22 Uhr 30 mit zwei PKWs aus der Richtung Ysper, Altenmarkt über die Höhenstraße Pemperreith — Eben -— Führholz nach Hofamt Priel gekommen sind und die Tatorte am 3. Mai 1945 um circa 4 Uhr führ auf demselben Wege wieder verlassen haben. Sechs zum Teil schwer verwundete Überlebende des Massaker lässt Revierinspektor Winkler zum Gendarmerieposten am Persenbeuger Hauptplatz bringen und vernimmt sie eingehend, wobei aufschlussreiche Protokolle entstehen. Mit Hilfe des Landrates von Melk, Leopold Convall, lässt er die überlebenden Opfer in einem DRK-Wagen ins Krankenhaus Melk chauffieren, wo sie von Spitalsverwalter Franz Güttler versteckt werden und so überleben. Der Revierinspektor verhört auch einige lokale Zeugen, darunter den damals 64-jährigen Zimmermann Karl Brandstetter, und protokolliert ihre Aussagen. Die erste Gruppe der ungarischjüdischen ZwangsarbeiterInnen war keine 20 Meter von dessen Haustür entfernt erschossen worden, durch ein Guckloch in der Tür war der 11-fache Familienvater Augenzeuge der Tat geworden. Bis heute hält sich in Persenbeug hartnäckig das Gerücht, dass Brandstetter einen lokalen Helfer erkannt hätte. In der von Revierinspektor Winkler verfassten Vernehmungsniederschrift ist jedoch davon nichts zu lesen, obwohl die Szenerie des Massenmordes durch die aufgeblendeten Scheinwerfer der beiden Autos leidlich gut beleuchtet war, um den Schützen gutes Schussfeld zu bieten. Da der Einmarsch der Roten Armee unmittelbar bevorsteht, bemüht sich Winkler im Übrigen, das Massaker als alleinige Tat eines auswärtigen SS-Rollkommandos darzustellen und die gute Behandlung der Lagerinsassen durch Gendarmerie und Bevölkerung hervorzustreichen. Auffallend ist, das kein einziges der Vernehmungsprotokolle vom 3. Mai 1945 vom Persenbeuger Postenkommandanten Gendarmeriemeister Engelbert Duchkowitsch unterzeichnet worden ist, was bei einer militärisch-hierarchischen Organisation wie der damaligen Gendarmerie als ausgesprochen irritierend zu werten ist. Die 223 zum Teil halb verbrannten Leichen der Opfer werden am 5. Mai 1945 von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern in einem Acker in Hofamt Priel begraben. Am 8. Mai 1945 marschieren sowjetische Truppen in Persenbeug ein. Am 10. Mai 1945 erschießt der Kommandant des dortigen Gendarmeriepostens seine Gattin sowie seine drei Kinder im Alter von 15, sechs und vier Jahren und richtet sich danach mit Kopfschuss. Als Revierinspektor Winkler im Jänner 1946 zum Gendarmerieposten Mautern bei Krems versetzt wird, kommen die ohnehin schleppend geführten, gerichtlichen Ermittlungen und die Fahndung nach den unbekannten Tätern praktisch zum Erliegen. Durch eine Anzeige von Klemens Markus (siehe den Hintergrundbericht weiter unten) kommt das Verfahren 1948 wieder ins Rollen. Vom Kreisgericht Krems wird auch Revierinspektor Winkler vernommen, der nun zwei Verdächtige nennt, die als lokale Helfer der Massenmörder von Hofamt Priel fungiert haben könnten. Zum einen den HJ-Bannführer Alfred Weidmann, der zum Zeitpunkt der Tat in Persenbeug urlaubte. Zum anderen den SS-Oberscharführer N. Fricke aus dem Rheinland, der zur Zeit des Massakers Leiter des Lagers für volksdeutsche Umsiedler in Persenbeug war. Revierinspektor Winkler hatte am 7. Mai 1945 versucht, den aus Persenbeug flüchtenden Fricke zu verhaften, war aber von SD-Männern daran gehindert worden. In der Folge wird von verschiedenen österreichischen Gerichten Winklers Hinweisen und weiteren Spuren mit der Energie einer gelähmten Schnecke nachgegangen. 1964 müssen die Opfer von Hofamt Priel exhumiert werden, da der Grundbesitzer eine Räumung des Massengrabes verlangt. Am Israelitischen Friedhof in St. Pölten werden sie neuerlich bestattet. Im Jahr zuvor wird das Gerichtsverfahren gegen die bis heute unbekannten Täter eingestellt und nie wieder aufgenommen. 1967 verstirbt Revierinspektor Franz Winkler. Ein Fall Hier ruhen die sterblichen Überreste von 224 israelitischen Martyrern des Jahres (945 4 + 55 mwiip Dam I) DIN DOH Taw, Law 2 3 Ya = EN Aufnahmen des von 5. Mai 1945 bis 1963 bestehenden Massengrabes der Opfer des Massakers von Hofamt Priel auf einem Acker dieser Gemeinde, die bis 2005 im Archiv der Anlaufstelle der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien aufbewahrt wurden und nun im Holocaust-Museum in Budapest liegen. — Foto: Josef Vorlaufer ie 1-2/2010 5