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Der Hintergrund — der Fotograf des Grauens

Der aus Nemtschitz im Bezirk Brünn gebürtige,
55-jährige Privatangestellte Klemens Markus hat
Mitte April 1945 gemeinsam mit Frau und Kind
seine Wohnung in der Gärtnergasse 17/8 im dritten
Wiener Gemeindebezirk verlassen und war Richtung
Westen geflüchtet. Auf der Flucht wird er von seiner
Familie getrennt und bleibt in Persenbeug hängen,
wo er in einer Gärtnerei arbeitet, um nicht zu ver¬
hungern. Am Vormittag des 3. Mai 1945 fotografiert
er die Opfer des Massakers von Hofamt Priel. Insge¬
samt macht er mit einer Zeiss Ikon 16 Aufnahmen.
„Klemens Markus machte diese Bilder einerseits, um
NS-Gräuel zu dokumentieren, andererseits um den

helfen“, weiß die Historikerin Lappin-Eppel. Damit

produziert der Fotograf aber auch wichtige Sachbeweise in einem
der größten, heimischen Kriminalfälle, die ihn schließlich selbst
in Gefahr bringen. „Beim Fotografieren wurde ich von einem
Bauern beobachtet, der es überall erzählte, und so war ich der SS
und ihren Anhängern ausgeliefert und flüchtete in einen Wald
und erst durch den Einmarsch der russischen Soldaten kam ich
zurück“, schreibt Markus in einem im Mai 1945 verfassten Be¬
richt über das Erlebte. In diesem Zeitraum versuchte er in Wien
vergeblich, oflizielle Stellen für seine Fotografien zu interessie¬
ren. Im Jänner 1948 erstattete er beim Wiener Landesgericht für
Strafsachen Anzeige gegen die Massenmörder von Hofamt Priel
und legte zur Untermauerung seine Fotos vor. „Die Negative von
diesen Aufnahmen und noch weitere befinden sich in meinen
Händen“, erklärt er dem Staatsanwalt. Im Gerichtsakt über das
Massaker vom Hofamt Priel, der im Wiener Stadt- und Landes¬
archiv aufbewahrt wird, findet sich aber kein einziges Foto. Der
Krimiautor Manfred Wieninger, der derzeit einen historischen

Tatsachenkrimi über die von dem mutigen Wiener Fotografen
dokumentierten Massenmorde schreibt, sucht nun Nachfahren
von Klemens Markus, die vielleicht über seinen Nachlass verfü¬
gen. Hinweise bitte an M. Wieninger, Postfach 120, 3100 St.
Pölten, E-Mail: Marek_Miert@yahoo.de

PS: Im Jahr 2000 erscheint der Bildband „Hofamt Priel in alten
Ansichten“, wobei dem Herausgeber Friedrich Schabschneider
alte Fotografien und Ansichtskarten von der Bevölkerung zur
Verfügung gestellt werden, die er nach Drucklegung wieder den
jeweiligen Eigentümern retourniert. Mitten in dem idyllisch-lo¬
kalhistorischen Werk sind irritierenderweise auch drei schaurige
Markus-Fotos von Leichenhaufen zu finden. Auf Anfrage konnte
sich der Herausgeber im Jahr 2005 nicht mehr daran erinnern,
wem in Hofamt Priel er diese Aufnahmen zurück gegeben hat.

Manfred Wieninger

Leander Kaiser

Mit dem gewaltigen Stein „G/GANT Mensch Macht Würde“
kulminiert die Reihe der Denkmalsetzungen der Bildhauerin
Ulrike Truger in Wien. Er überragt nicht nur den „Omofuma“¬
Stein auf der Mariahilferstraße beim Museumsquartier und „Die
Wächterin“ vor dem Burgtheater durch seine Höhe von sechs
Metern bei einem Gewicht von 16 Tonnen Mamor. Er fasst auch
die Thematik zusammen: die notwendige Empörung und den
Widerstand gegen die Entwürdigung des Menschen.

Ich spreche von „Denkmalsetzungen“, weil es in jedem Fall
ein politisches und künstlerisches Handeln ohne Auftrag, aus
Eigenwillen und persönlichem Verantwortungsbewußtsein, auf
Risiko und Rechnung der Künstlerin war. Wie auch diesmal war
jede Denkmalsetzung ein Kampf um die Durchsetzung des Or¬
tes und der Präsenz im öffentlichen Raum. Ein Kampf sowohl
für das humanistische Anliegen als auch für die Gültigkeit der

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künstlerischen Aussage; und ein Kampf gegen den resignativen
Rückzug der Kunst aus der politeia.

Die Thematik des GIGANTEN erinnert mich an eines der
bedeutendsten Werke der amerikanischen Farbfeldmalerei, den
„VIR HEROICUS SUBLIMIS“ - übersetzt: der heroische, erha¬
bene Mensch oder Mann — von Barnett Newman, ein Bild von
architektonischen Ausmaßen in der Sammlung des Museum of
Modern Art in New York. Ich glaube, dass Barnett Newman da¬
mit der Verdinglichung, Entfremdung und Selbstverkleinerung
ein Bild von der Größe des Menschen entgegensetzen wollte, ein
Bild, vor dem sich der Betrachter aufrichten kann, das auffor¬
dert, standzuhalten im Getriebe der Zeit.

Eine ähnliche Intention scheint in die Gestaltung des GI¬
GANTEN eingegangen zu sein: eben sich aufzurichten, sich in¬
nezuwerden der eigenen Menschenwürde, standzuhalten im Wi¬