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nicht zu repressiven Maßnahmen. Zu ihnen gehörten die meisten Lager, die unmittelbar nach dem Exodus der spanischen Flüchtlinge in der Nähe der Grenze errichtet wurden, teilweise direkt am Strand wie in Argeles-sur-mer, Saint-Cyprien oder Barcares oder später, als diese Lager sich binnen kurzer Zeit füllten, auch im Landesinneren. Strenger waren die Zustände in den camps semi-repressivs (Halbstraflager), zu denen etwa Gurs zählte. In einer ersten Phase sperrten die französischen Behörden Mitglieder der Internationalen Brigaden in Gurs ein, nach der Besetzung Frankreichs durch die deutsche Armee wurden hier tausende Juden aus Südwestdeutschland interniert, von denen mehr als tausend aufgrund der unmenschlichen Zustände starben; der Rest wurde nach Auschwitz transportiert. Am härtesten waren die Bedingungen in den sogenannten camps repressivs (Straflagern), in denen sowohl kriminelle als auch politisch „unerwünschte“ Personen, vor allem Kommunisten, festgehalten wurden. In Frankreich selbst zahlten Le Vernet und das Frauenlager Rieucros® dazu, unter den afrikanischen Lagern war Djelfa in Algerien das berüchtigtste. Wie miserabel die Zustände in diesen Lagern waren, bringt Arthur Koestler auf den Punkt, wenn er in seinen autobiographischen Aufzeichnungen Abschaum der Erde meint, dass „Verpflegung, Unterbringung und hygienische Bedingungen hier sogar schlechter waren als in einem Nazi-KZ“”, wobei er sich freilich auf die deutschen Konzentrationslager vor dem Holocaust bezog. Exil in Frankreich für Spanier und Österreicher Die Erfahrung des Exils war für Spanier und Österreicher sehr unterschiedlich. Für die republikanischen Spanier bedeutete das Exil in erster Linie die Flucht vor der franquistischen Diktatur. Schon während des Bürgerkriegs waren in mehreren Wellen an die 200.000 Menschen vor den franquistischen Truppen nach Frankreich geflohen, von denen aber nur an die 40.000 im Land blieben; der Rest kehrte in die Heimat zurück.'” Erst als im Januar 1939 Katalonien überrollt wurde, setzte der massenhafte Exodus ein. An die 470.000 Personen stauten sich an den Grenzen zu Frankreich und strömten, als diese zwischen dem 28. Januar und dem 10. Februar geöffnet wurden, ins Land. Die meisten Flüchtlinge waren ausgehungert, trotz der winterlichen Bedingungen in den Pyrenäen nur notdürftig bekleidet und führten nicht mehr als die allernotwendigsten Habseligkeiten mit sich. Unter ihnen waren auch an die 50.000 Soldaten der republikanischen Armee und einige tausend Interbrigadisten, die an der Grenze entwaffnet wurden. Die Regierung des radikalsozialistischen Ministerpräsidenten Daladier, die den Flüchtlingen mit wenig Sympathie gegenüberstand und auch nicht auf die Unterstützung durch andere Länder zählen konnte, musste nun in aller Eile Lager errichten, um diese Massen unterzubringen. So wurde in Grenznähe ein Lager ums andere eröffnet. Die beiden größten waren Argel&s mit 77.000 Insassen und Saint-Cyprien mit 90.000. Sie befanden sich direkt am Strand, die Internierten mussten trotz winterlicher Temperaturen, Feuchtigkeit und Wind in Zelten und notdürftigen Baracken am Boden schlafen. „Es schmerzt, was man nicht hat. Alles sind Stümpfe: du willst die Dinge mit der Hand fassen, die dir fehlt. Immer fehlen Hände“'', schrieb Max Aub am 15.12.1939 in sein Tagebuch. Die spanischen Flüchtlinge wurden von den französischen Behörden vor drei Möglichkeiten gestellt: Repatriierung, „Remigration“, also Exil in einem anderen Land, oder Verbleib in Frankreich. Die Lager Gurs, die verschlammte Lagerstraße. Historische Originalaufnahme. Repatriierung war die gefährlichste Lösung, denn in Spanien saß unmittelbar nach Ende des Bürgerkriegs ein halbe Million Republikaner in den franquistischen Gefängnissen oder Konzentrationslagern, und in den ersten zehn Jahren der Diktatur wurden mehr als 50.000 Menschen hingerichtet. Eine „Remigration“ war kaum möglich, da sich nur wenige Länder bereit fanden, die Flüchtlinge aufzunehmen. Dennoch verließ ein Großteil der Flüchtlinge noch vor Ende des Jahres 1939 Frankreich: Knapp 300.000 kehrten nach Spanien zurück, etwa 14.000 emigrierten weiter nach Lateinamerika, vor allem nach Mexiko, 6.000 in die Sowjetunion und an die 3.000 in andere, meist europäische Länder. Für die verbliebenen 180.000 begann nun erst das tatsächliche Exil. Die französischen Behörden boten den Männern an, in die Fremdenlegion und in sogenannte Compagnies de Travailleurs Etrangers, Arbeitskompanien, einzutreten oder aber in Landwirtschafts- und Industriebetrieben zu arbeiten. Etwa 40.000 Spanier kamen nach Kriegsausbruch in deutsche Gefangenschaft, 8.200 wurden in nationalsozialistische Konzentrationslager deportiert, davon 7.200 ins KZ Mauthausen. Mehr als 7.000 von ihnen wurden ermordet.'? Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs blieben an die 125.000 Spanier in Frankreich. Anders war die Situation der Österreicher.'? Diese Flüchtlinge hatten nach dem März 1938 nicht nur ihr Land, sondern auch ihre nationale Identität verloren, denn Österreich existierte nicht mehr. Die genaue Zahl der deutschsprachigen Exilanten in Frankreich ist schwer zu eruieren. Fest steht, dass das deutschsprachige Exil nur einen kleinen Prozentsatz der insgesamt wohl eine Million Flüchtlinge ausmachte, die sich in den späten 1930er Jahren in Frankreich befanden. Realistisch kann man annehmen, dass „ihre Zahl 20.000 bis 25.000 Personen“'* betrug, von denen etwa 5.000 Österreicher gewesen sein dürften. Unter den österreichischen Emigranten gab es zwei Gruppen. Auf der einen Seite waren die Angehörigen der Internationalen Brigaden, die Anfang Februar 1939 gemeinsam mit dem Rest des republikanischen Heeres nach Frankreich gekommen waren. Sie wurden direkt in die grenznahen Lager gebracht, erst nach Argeles 1-2/2010 23