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Klagenfurt und Graz bei, auf jeden Fall aber auch die Existenz einer slowenischen Minderheit in den österreichischen Bundesländern Kärnten und Steiermark sowie einer deutsch sprechenden Minderheit in Slowenien. Die neue Staatsgrenze, die großteils Bergrücken entlang verläuft, wurde nach mehrhundertjähriger Tradition von Wilderern, neuerdings aber auch von Schmugglern mit unterschiedlicher Ware illegal überschritten. Zu dieser „Ware“ gehörte schon seit Anfang der zwanziger Jahre auch verbotene politische Literatur oder unter Umständen auch Menschen. Ab 1921 fing die jugoslawische Polizei auf den Schmugglerrouten die Überträger kommunistischer Literatur aus Österreich ab, wo unter anderem eine Reihe von Konferenzen der verbotenen KP] stattfand. Der Kärntner Slowene Johann Kacianka, ein bedeutender KPÖ-Funktionär, wurde von der Grenze hinter die Gitter der Belgrader Gefängnisse gebracht, mehrere jugoslawische Kommunisten wurden an der Grenze getötet. Die Freiwilligen für die Spanische Republik schmuggelte Pavle Zaucer durch, der die geheimen Wege später als Partisanenkommissar in Kärnten nutzte. Die sozialdemokratische und nazistische Emigration von Österreich nach Jugoslawien im Umbruchsjahr 1934 behandeln andere Autoren dieser Sondernummer. Österreicher slowenischer Zunge gab es unter diesen Flüchtlingen sehr wenige, national bewusste Slowenen praktisch nicht. Wenigstens erwähnt werden sollten noch die Emigrantenkreise kroatischer Ustaschen, mazedonischer Autonomisten und habsburgischer Legitimisten, die ebenso an der österreichisch-jugoslawischen Grenze gejagt wurden. Viele slowenische Überläufer schlossen sich in Jugoslawien den nationalverteidigenden Organisationen an, von denen es 1934 im Draubanat gleich 811 gab.'® Es gab wesentlich mehr slowenische Emigranten aus Italien (etwa 60.000, und dazu noch etliche Kroaten) als aus Kärnten. Sie waren in ganz Jugoslawien gut organisiert und hatten starke politische Drähte zur Regierung und zum Hof. Ihre Geheimorganisation TIGR war nicht nur eine irredentistische, sondern — ungeachtet des hohen Blutzolls — die erste aktive antifaschistische in Europa. Vor allem nach dem Ausbruch des 2. Weltkrieges wirkten an der nachrichtendienstlich-diversantischen Tätigkeit des TIGR mit den westlichen Verbündeten auch einige Kärntner Slowenen von beiden Seiten der Grenze mit, inklusive die Führung des KKS. Nach dem „Anschluss“ und nach dem Ausbruch des Krieges setzte eine neue Welle von Emigranten aus Südkärnten und aus anderen Teilen Österreichs ein. Dr. Felaher und seinen Mitarbeitern gelang es, Unterbringung und Beschäftigung für Kärntner slowenische Überläufer aus dem nazistischen Reich zu organisieren. Karel DobrSek berichtete über die Verhältnisse in Südkärnten, vor allem innerhalb der slowenischen Minderheit. „In die Wehrmacht werden vorwiegend selbstständige Bauern einberufen, nicht aber die ‚freien‘ Leute, als würde sich die Macht nicht auf sie verlassen, bei den Bauern aber hat sie wenigstens die Immobilien als Pfand, wenn sie über die Grenze fliehen sollten.“'? In Felahers Korrespondenz können wir viele Bitten um Hilfe aufspüren, z. B. für Andrej Haderlap, den Deutschland unter die Waffen ruft, für Feliks Künstl, der geflohen ist, „unsere aber lassen ihn nicht hier (er lebt hier als Kontrabandeur)“, usw.” Anton Jelen hat einen Zeitzeugenbericht über die Flucht der jungen Burschen aus dem Jauntal publiziert; er und sein Bruder Stanko setzten ihre Universitätsstudien in Jugoslawien fort.?! Erhalten sind Erinnerungen, wie der Laibacher Bischof Dr. Rozman 32. ZWISCHENWELT Flüchtlingen geholfen habe, von denen er „einige nach Dalmatien [schickte], andere nach Serbien“.?* Der Schriftsteller Valentin Polansek hat historisch zuverlässig beschrieben, wie Überläufer, die Kontakt mit dem KKS aufgenommen hatten, heimlich nach Ljubljana gebracht wurden.” Nach einem im voraus zurechtgelegten Plan wurden die meisten von ihnen festgenommen und nach Serbien verbracht, wo sie Arbeit bekamen. Nach einem mehrmaligen Orts- und Beschäftigungswechsel und mittels Bestechung der lokalen serbischen und der zentralen Belgrader Behörden gingen die Flüchtlinge amtlich „verloren“ und kehrten mit gefälschten Papieren und neuer Identität wieder nach Slowenien zurück. Der Klub sorgte noch für die Knüpfung getarnter schriftlicher Kontakte mit den Verwandten in Kärnten, und diese kamen dann öfter einmal zur Wallfahrt nach Brezje, wo sie sich persönlich mit den Flüchtlingen treffen konnten. Im KKS wurde mit Besorgnis auch über die Möglichkeit eines nazifaschistischen Einbruchs in Slowenien nachgedacht. Das Klubarchiv wurde schon gleich nach dem „Anschluss“ Österreichs an Hitlerdeutschland „in Sicherheit“ gebracht. Anlässlich des Überfalls auf Jugoslawien wurden alle Niederschriften vernichtet, auch das Mitgliederbuch und das Kassenarchiv, damit dem Okkupanten kein Name und kein Beleg über ausbezahltes Geld in die Hände fiele. Auf der dezimierten Ausschusssitzung des Klubs wurde beschlossen, sich den Freiwilligen für die Verteidigung des Staates anzuschließen, und einige Klubmitglieder, unter ihnen Dr. Felaher, fuhren tatsächlich mit dem Zug in Richtung Karlovac ab. Dort aber hatten bereits die Ustaschen die Macht übernommen. Die Kärntner Deserteure aber zog es in die Heimat; dennoch wurde die Vereinbarung über einen gemeinsamen Abmarsch und über die Verwirklichung der bekannten „Kriegserklärung an Hitler“ von Seiten der Jungen Burschen in Zell Pfarre/Sele** nicht in die Tat umgesetzt. Einige Deserteure aus der Wehrmacht wurden in der von den Italienern besetzten „Provinz Ljubljana“ verhaftet und den Nazis übergeben.” Andere hielten sich vorerst südlich der Karawanken versteckt, wurden dann auf Kärntner Seite zu „grünen Kadern“ in den bewaldeten und felsigen Gegend von Ebriach/ Obirsko und in der Umgebung von Zell/Sele.”* Die Mehrzahl schloss sich von 1942 an schrittweise den Kärntner Partisanen an. Der Versuch der Führung des slowenischen Widerstands, schon Ende 1941 oder Anfang 1942 aus Kärntnern in Ljubljana und Oberkrain eine Kärntner Kompanie zu bilden, scheiterte aber.”” Der deutsche Okkupant in Slowenien nahm in der ersten Welle von Verhaftungen, Verfolgungen und Geiselerschießungen viele einstige Flüchtlinge aus Österreich fest, besonders jene, die führend in Emigrantenorganisationen wie dem KKS tätig waren. Nach dem Plebiszit vertriebene Kärntner waren unter den Opfern der Konzentrationslager und unter den gefallenen Partisanen. Einige von ihnen kämpften mit den Kärntner Partisanen auf der Nordseite der Karawanken und ließen dort auch ihr Leben. Aus dem Slowenischen von Erwin Köstler Literatur Viele Daten über Flüchtlinge finden sich in den Archiven des KKS in Ljubljana (AS 653 — fond KKS) und Maribor (Pokrajinski arhiv Maribor: PAM — fond KKS — MB 1759005). Vgl.: Janez Stergar: Klub koroskih Slovencev v Ljub]jani. In: T. Bahovec (Hg.): Eliten