die Verhältnisse beruhigt hätten, der ganzen Welt zu enthüllen,
welche verbrecherischen Methoden Mussolini in der Außenpolitik
anwende. Doch dazu fehlte ihm die Zeit, überholten sich in den
nächsten Monaten doch förmlich die Vorfälle und Attentate, auf
die das Regime mit verschärften Polizeiterror reagierte.
Um seine traditionelle „Entente cordiale“ mit Frankreich zu be¬
stätigen, reiste Aleksandar Anfang Oktober 1934 auf Staatsbesuch
nach Paris, und zwar mit seiner Jacht, weil er Italien beweisen
wollte, dass nicht es allein über die Adria herrschte. Am 9. Ok¬
tober 1934 ging er in Marseilles von Bord, wo die französischen
Behörden nicht genug unternahmen, um den Gast angemessen zu
beschützen. Für die Fahrt durch die Stadt stellten sie ihm nämlich
eine offen Limousine zur Verfügung, in der auch Außenminister
Louis Barthou und der berühmte General Alphonse Georges Platz
nahmen. Kaum fünf Minuten später sprang der Attentäter, ein ge¬
bürtiger Mazedonier, der von Ante Paveli& geschickt worden war,
aufs Trittbrett des Wagens und gab mehrere Pistolenschüsse ab. Er
traf den König und den Minister tödlich, den General verletzte er
schwer. Erst als es zu spät war, streckte ihn ein Offizier aus dem
Begleitcorps mit seinem Säbel nieder, was die Menschenmenge
ermutige, sich auf ihn zu stürzen und ihn zu lynchen.
Der Tod des „ritterlichen Königs Aleksandar I., des Vereinigers
und Märtyrers“ — mit diesem Titel ehrte das Belgrader Parlament
den Verstorbenen — wurde unter dem Schlag der psychologischen
Überraschung und der kollektiven Hysterie von der Mehrheit der
jugoslawischen Öffentlichkeit mit aufrichtigem Schmerz aufge¬
nommen. Die Regimepresse blies natürlich in die Posaunen der
patriotischen Rhetorik und wiederholte wieder und wieder die
letzten Worte, die der König gesprochen haben soll (obwohl sie
erfunden waren): „Behütet Jugoslawien!“ In der ausländischen
Presse und in der internationalen Diplomatie tauchte sofort die
Frage auf, ob dies ansgesichts der verheerenden wirtschaftlichen,
moralischen und politischen Zustände, in denen Aleksandar den
Staat hinterlassen hatte, überhaupt möglich sei. Doch diese Ge¬
spenster waren zu groß an die Wand gemalt, denn die Leute an
der Spitze wussten die Situation zu beherrschen und den Volks¬
zorn dorthin zu lenken, wo er für sie am günstigsten war, nämlich
gegen den „äußeren Feind“, gegen Ungarn und vor allem gegen
Italien. Uzunovids Regierung beabsichtigte erst einmal sowohl
Mussolini als auch den ungarischen Premier Gömbös vor dem
Völkerbund auf die Anklagebank zu setzen, denn sie hätten Pavelié
grünes Licht für das Attentat gegeben. Dagegen aber begehrten
Unterzeichnung des jugoslawischen Beitritts zum Dreimächtepakt am 25. März
1941. - Foto: Historisches Museum, Berlin
morandum, das der Außenminister Jevtid am 28. November 1934
dem Generalsekretär des Völkerbunds übergab. In ihm war nur
Ungarn als Staat erwähnt, wo die Verschwörung gegen Aleksan¬
dar geschmiedet worden sein soll. Über die Rolle Italiens stand in
dem Dokument kein Wort. Dem diplomatischen Geschick des
britischen Außenministers Anthony Eden und seiner Kollegen
in der Genfer Vollversammlung war es zu verdanken, dass diese
brennende Frage schon nach zwei Wochen von der Tagesordnung
gestrichen wurde.
Weil Aleksandars Sohn und Nachfolger Petar II. kaum zehn
Jahre alt war, übernahm der Cousin des Verstorbenen, Fürst Pa¬
vel, die Regentschaft, der sofort bewies, dass er eine beweglichere
Politik als sein Vorgänger machen würde. Er ernannte eine neue
Regierung, welcher Bogoljub Jevti vorstand, er erlaubte Korosec,
aus der Konfination zurückzukehren, und er begnadigte bald auch
Maéek und andere „bürgerliche“ Oppositionelle. Die Regierung
Jevti& versuchte erst einmal die Finanzen zu sanieren und den
Lebensstandard der bedrohtesten Schichten zu heben. Sie erließ
ein kurzes Moratorium für die Schulden der Bauern, senkte die
Steuern und genehmigte zugunsten der Arbeitslosen beträchtliche
Geldsummen für öffentliche Arbeiten. Doch erwarb sie sich damit
nicht viele Sympathien, wie an den Wahlen sichtbar wurde, die sie
für den 5. Mai 1935 ansetzte. Trotzdem sie sie als „Plebiszit“ für
den toten König präsentierte, musste sie sich zur Sicherstellung
ihres Sieges brutaler Polizeimethoden bedienen, die, wie die briti¬
sche Botschaft berichtete, sogar für den Balkan außergewöhnlich
waren.
Die zweite Regierung Jevtic bildete sich so in einem Klima der
allgemeinen Enttäuschung, was den Fürsten Pavel bald von der
Notwendigkeit überzeugte, ihn loszuwerden und die Bildung ei¬
nes neuen Kabinetts dem Bankier Milan Stojadinovié anzuver¬
trauen. Dieser nahm das Mandat an und sicherte sich in kurzer
Zeit die Unterstützung Anton Korosec‘ sowie des bosnischen
Anführers Mehmed Spaho. So war die neue Regierung eine Art
serbisch-slowenisch-bosnisches Triumvirat, in dem Persönlichkei¬
ten zusammenarbeiteten, die während der Diktatur Aleksandars
in irgendeiner Weise zurückgesetzt oder verfolgt waren. Die Öf¬
fentlichkeit, die Presse und die Diplomatie begrüßten sie als einen
Umschwung, in der Hoffnung, dass sie ohne größere Erdbeben
die autokratischen Methoden abschaffen, demokratische Freihei¬
ten und lokale Autonomien einführen und vor allem die kroatische
Frage lösen würde.
Die ersten Schritte Stojadinovids sahen vielversprechend aus. Er
interpretierte die repressiven Gesetze aus der Zeit der Diktatur
ziemlich elastisch, gewährte eine relative Pressefreiheit, gab den
alten Parteien mit Ausnahme der Kommunisten die Möglichkeit
erneuter Betätigung, und er begnadigte auch etwa 10.000 politi¬
sche Gefangene. Schon im Sommer 1935 gründete er in Abspra¬
che mit Innenminister Koro$ec und dem Bildungsminister Spaho
den Jugoslawischen radikalen Bund, der die Mitglieder der Slowe¬
nischen Volkspartei, die bosnischen Muslime und den Großteil
der ehemaligen Anhänger Jevties unter seine Fittiche nahm. Auf
diese Weise etablierte er sich als die zentrale politische Kraft im
Staat, und es war ihm möglich, auf die Reform des Wahlrechts, der
Presse- und Versammlungsfreiheit, die er bei seinem Machtantritt
versprochen hatte, zu vergessen.
In Verhältnissen, die wegen des sozialen und politischen Drucks
günstig für den Aufschwung jeder Art von Extremismus waren,
betraten auch die Kommunisten wieder die Szene, obwohl die Re¬