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gierung noch immer entschiedene Maßnahmen gegen sie dekre¬
tierte. Trotzdem oder eben deswegen wuchs ihr Einfluss ständig,
insbesondere unter den Studenten und einem Teil der Intelligenz,
die wegen ihrer Herkunft aus ökonomisch bescheidenen Gesell¬
schaftsschichten und wegen des Fehlens geeigneter Arbeitsplätze
oft in verzweifelten Verhältnissen lebte und deshalb bereit war,
radikale Ideen von der sozialen Umgestaltung zu akzeptieren. We¬
niger Erfolg hatten die Kommunisten bei den Arbeitern, obwohl
sich auch letztere nach einer langen Phase der Abgestumpftheit
wieder zu organisieren begannen.

Obwohl die Regierung ein umfangreiches Sozialprogramm ver¬
abschiedete und sich in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre die
wirtschaftlichen Verhältnisse spürbar besserten, hauptsächlich we¬
gen des guten Getreideertrags, war es Stojadinovid nicht gegeben,
lange auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Schon im Sommer 1935
beging er einen Fehler, den seine Gegner geschickt auszunutzen
verstanden. Eine der letzten Entscheidungen von König Aleksan¬
dar war, mit dem Vatikan ein Konkordat zu schließen. Damit soll¬
ten zahlreiche offene Fragen gelöst werden, die aus dem Faktum
hervorgingen, dass sich der Staat nach 1918 in seinem Verhältnis
zur katholischen Kirche gleich nach sechs verschiedenen Gesetzge¬
bungen aus der Vorkriegszeit zu richten hatte. Stojadinovid unter¬
schrieb das Konkordat am 25. Juli 1935, doch nach Aleksandars
Tod hatte das Problem der Beziehungen zum Heiligen Stuhl neue
Dimensionen angenommen, denn die Gegner des Regierungs¬
präsidenten hatten erkannt, dass sie es für den Kampf gegen ihn
nützen konnten. Sie behaupteten, die katholische Kirche würde
übermäßige Privilegien genießen, wenn das Konkordat in Kraft
treten sollte, die Regierung aber würde in diesem Fall die Ver¬
fassungsbestimmung von der religiösen Gleichheit verletzen. An
die Spitze des Widerstands gegen das Konkordat trat die serbisch¬
orthodoxe Kirche, die sogar alle orthodoxen Regierungsmitglie¬
der exkommunizierte, mit Ausnahme des Kriegsministers, unter
dem Vorwand, dass dieser keine politische Persönlichkeit sei. In
Serbien kam es zu einem regelrecht revolutionären Zustand, was
Stojadinovie davon überzeugte, dass es keinen Sinn haben würde,
auszuharren. Er erklärte, abwarten und das Konkordat dem Senat
zur endgültigen Billigung erst vorlegen zu wollen, wenn sich die
Gemüter beruhigt hätten. In Wahrheit setzte er diesen Schritt nie.
Das Konkordat blieb somit auf dem Papier, die Aufregung, die es
verursacht hatte, aber hinterließ im Bewusstsein vieler eine Spur
der tiefen Nichtübereinstimmung und des Grolls. Bei den Serben,
vor allem bei den Bauern, vertiefte sich die schon länger bemerk¬
bare Entfremdung von der Dynastie der Karadordevie, bei den
Katholiken hingegen das Misstrauen gegenüber der irrationalen
und gewalttätigen „byzantinischen Welt“.

Das folgende Jahr verlief im Zeichen der Bemühung
Stojadinovics um die Festigung der eigenen Position, und zwar
umso mehr, als das Gesetz die Ausschreibung von Wahlen bis Au¬
gust 1939 vorsah. Der Ministerpräsident konnte zu seinen eige¬
nen Gunsten zurecht behaupten, er habe die wirtschaftliche und
finanzielle Situation des Staates verbessert und in einem Moment
großer internationaler Spannung eine freundschaftliche Politik
nicht nur gegenüber den traditionellen Verbündeten, sondern
auch gegenüber Rom und Berlin initiiert. Trotzdem fiel seine Po¬
pularität rasch, vor allem deshalb, weil seine Ambition, der jugo¬
slawische „Duce“ oder „Führer“ zu werden, immer klarer zutage
trat. Der wachsend totalitäre Charakter des Regimes beunruhigte
den Regenten stark, der auch deshalb unzufrieden war, weil klar

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wurde, dass der Premier jeden Gedanken an eine Verständigung
mit den Kroaten fallen gelassen hatte. Die Sturmwolken, die sich
an seinem Horizont zusammenzogen, wußte Stojadinovid aller¬
dings nicht richtig zu deuten. In der Überzeugung, dass in Jugo¬
slawien nur er genug Ansehen und politische Stärke zum Regieren
besaß, entschied er sich für vorzeitige Wahlen, die am 11. De¬
zember 1938 stattfinden sollten. Der Ausgang der Wahlen war
jedoch überraschend. Trotz der lärmenden Propaganda erreichte
die Regierungspartei eine ziemlich bescheidene Mehrheit: kaum
279.000 Stimmen mehr als die Oppositionskoalition, an deren
Spitze Vlatko Ma£ek stand. Dieser kleine Unterschied wurde in
der Volksversammlung zu einem außerordentlich großen: die Op¬
position bekam 67 Mandate, die siegreiche Liste dagegen 306.
Diese Tatsache konnte aber nicht verbergen, dass Stojadinovie
nicht die Mehrheit erreicht hätte, wenn er nicht an der Macht
gewesen wäre.

In den entstandenen Verhältnissen trat völlig klar zutage, dass
die Möglichkeiten einer Verständigung mit den Kroaten, die das
Parmlament boykottierten, praktisch gleich null waren. Der Re¬
gent Pavel erkannte in diesem Moment die Notwendigkeit zum
Handeln umso mehz, als ihn britische, griechische, französische
und rumänische Kreise dazu beredeten. Die Folge war die „Hof¬
verschwörung“ gegen Stojadinovid, welcher Anfang Februar 1939
zum Rücktritt gezwungen wurde. Der Regent bestimmte Dragi$a
Cvetkovie zu dessen Nachfolger, den viele mit Erleichterung auf¬
nahmen, obwohl er in der Belgrader „Car$ija“ kein großes Anse¬
hen genoss, weil in seinen Adern Zigeunerblut floss.

Der plötzliche und unerwartete Fall Stojadinovies überraschte
nicht nur die jugoslawische Öffentlichkeit, sondern stieß auch im
Ausland auf breites Echo. Während er in London und Paris mit
Genugtuung begrüßt wurde, verbargen Berlin und Rom nicht ih¬
ren Ärger. Ungeachtet der Verschiebungen, die der Wechsel im
außenpolitischen Bereich verhieß, galt die Aufmerksamkeit al¬
ler der jugoslawischen Innenpolitik. Klar war nämlich, dass die
Hauptaufgabe des neuen Premiers das Erreichen einer Verständi¬
gung mit den Kroaten sein würde. In einer programmatischen Er¬
klärung seiner Regierung vom 16. Februar 1939 sprach Cvetkovid
ausdrücklich von der Versöhnung, die für die Kräftigung des Staa¬
tes notwendig sei. Die Tatsache, dass sich am 14. März unter dem
Druck des Dritten Reichs die Slowakei von Tschechien abspaltete,
unterstrich das noch, denn es war offensichtlich, dass Jugoslawien
seine territoriale Integrität nicht würde bewahren können, wenn
es seine ethnischen Probleme nicht löste und Deutschland nicht
daran hinderte, zwischen Zagreb und Belgrad zu intrigieren.

Die Verhandlungen zwischen Cvetkovié und Ma£ek gingen An¬
fang April 1939 über die Bühne, wobei die Hauptfrage, mit der
sich beide Seiten auseinandersetzen mussten, mit den kroatischen
Grenzen verbunden war. Ma£ek forderte nämlich für die Banschaft
Kroatien, die innerhalb Jugoslawiens praktisch Autonomiestatus
genießen sollte, neben dem Save- und dem Küstenlandbanat noch
Boka Kotorska, Syrmien, einen Teil der Backa, einen Teil Bosnien¬
Herzegovinas sowie Dubrovnik. Was die ethnische Durchmischung
der erwähnten Gebiete, in denen Kroaten, Serben und Bosnjaken
lebten, betrifft, war es natürlich schwer, einen TIrennstrich zu zie¬
hen, der sowohl Zagreb als auch Belgrad zufriedengestellt hätte.
Die Gespräche wurden deshalb verschleppt, umso mehr, als sich
die politischen und militärischen Kreise in Serbien nur schwer mit
dem Gedanken eines Verzichts auf den Zentralismus anfreunden
konnten. Gegen Ende August erreichten Zagreb und Belgrad we¬