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gen der explosiven internationalen Verhältnisse, aber auch wegen des Drucks der Briten, doch noch einen Kompromiss, der aber kaum ein paar Tage vor dem deutschen Überfall auf Polen in Kraft trat. Die Verständigung blieb so im Grunde auf dem Papier, denn in der kurzen Zeit, in der sie umgesetzt hätte werden sollen, war es nicht möglich, das tiefe Misstrauen und den Hass, den eine zwanzigjährige falsche Politik zwischen Serben und Kroaten gesät hatte, zu beseitigen. Die Tatsache, dass Ma£ek in Cvetkovids Regierung eintrat, war nurein Pflaster, das die inneren ethnischen Gegensätze nicht heilen konnte. In den ersten Monaten des Zweiten Weltkrieges fand sich Fürst Pavel in einer überaus delikaten Situation wieder, stand er doch unter dem Druck der Briten auf der einen und der Deutschen auf der anderen Seite, dem jeweiligen Lager beizutreten. Nach Hitlers Worten wand er sich lange wie ein Aal, doch Anfang 1941 musste er feststellen, dass er keinen Raum zum Manövrieren mehr hatte. Während Hitler und Mussolini Jugoslawien mit Schmeicheleien, aber auch mit immer offeneren Drohungen einluden, dem Dereierpakt beizutreten, bearbeiteten es die Briten, sich mit Griechenland und der Türkei zu verbünden und sich ihnen im Konflikt mit den Achsenmächten anzuschließen. Es war eine Zeit intensiver und dramatischer Verhandlungen, der fieberhaften Tätigkeit der verschiedenen Nachrichtendienste in Belgrad und der krampfhaften diplomatischen Aktivität, die der Regent vom Zaun brach, um den Staat vor der Katastrophe zu retten. Der neue britische Premier Winston Curchill schrieb seinem Außenminister Anthony Eden: „In dieser Situation gleicht Pavel noch am ehesten dem Unglücklichen, der im Tigerkäfig eingesperrt ist und hofft, die Bestie nicht zu reizen, während die Zeit zum Dinner unaufhaltsam näher rückt.“ Nach dem Beitritt Ungarns, Rumäniens und Bulgariens zur Achse und nach dem Einmarsch deutscher Truppen in diese drei Staaten konnte sich der Regent dem wachsenden Druck des Führers nicht mehr widersetzen, umso mehr, als die jugoslawische Wirtschaft immer abhängiger vom Dritten Reich und das Militär für einen effektiven Widerstand völlig unvorbereitet war. Das lange Zögern des Fürsten Pavel aber war nicht ganz nutzlos: in dem Wunsch nämlich, Jugoslawien auf seiner Seite zu haben, verpflichtete sich Hitler, es nicht in den Krieg hineinzuziehen und nicht den Durchmarsch der deutschen Truppen durch sein Gebiet zu verlangen, es aber nach dem Sieg über Griechenland mit Saloniki zu belohnen. Am 25. März unterzeichnete Cvetkovié im Wiener Belvedere den Beitrittspakt Jugoslawiens zu den Achsenmächten. Dies löste eine Aktion aus, die von britischen Agenten in Belgrad in Zusammenarbeit mit einigen Offizieren der jugoslawischen Armee schon lange vorbereitet worden war. Der geeignete Mann fand sich im Hauptstab der Luftwaffe, wo General Bora Mirkovi£, bekannt für seine bescheidenen intellektuellen Fähigkeiten und auch für seinen großen Fanatismus, zusammen mit dem vorgesetzten General Dugan Simovié schon lange Putschpline schmiedete. Am 26. März kam es in Belgrad zu großen Demonstrationen, auf denen Mittelschüler und Studenten, die auch von den Kommunisten angestachelt wurden, gegen den Pakt protestierten und das Heer und die ruhmreiche Tradition des serbischen Volkes hochleben ließen. In der folgenden Nacht führte das Militär unter Führung von General Mirkovie fast ohne Gewalt den Staatsstreich durch, stürzte die Regierung und den Regenten und erklärte den 17jährigen König Petar II. für volljährig. Pavel, der im Augenblick des Staatsstreichs in einem Zug in der Nähe von Zagreb saß, kehrte sofort in die Hauptstadt zurück und reiste schon in der folgenden Nacht mit Frau und Kindern in die Verbannung ab. In Belgrad wurden die Putschisten als „Befreier unseres Volkes und Staates“ begrüßt. Hitler berief, als er die Nachricht vom Putsch erhielt, seinerseits unverzüglich ein Treffen mit dem Chef des Generalstabs ein und befahl, eine besondere Militäroperation mit dem Namen Strafgericht zu organisieren. Am 6. April überfielen die Deutschen von ihren Stützpunkten in Bulgarien aus ohne Kriegserklärung Jugoslawien unter dem Vorwand, ihre Minderheit sei in Gefahr. Um sieben Uhr morgens kreisten über Belgrad, das vergeblich als offene Stadt deklariert worden war, schon die deutschen Stukas und bombardierten es ungestört. In den folgenden Tagen besetzten deutsche, italienische, ungarische und bulgarische Truppen, insgesamt 870.000 Soldaten, fast ohne Gegenwehr das Königreich der Karadordevies. Am 10. April fiel Zagreb, am 11. Ljubljana, am 12. Belgrad. Die jugoslawische Armee, für die in den letzten zwanzig Jahren enorme Geldsummen ausgegeben worden waren, fiel zusammen wie ein Kartenhaus: 200.000 Soldaten und 12.000 Offiziere wurden gefangengenommen, ihre Waffen und Ausrüstungen wurden beschlagnahmt. Die Deutschen hatte minimale Verluste: 151 Tote, 329 Verletzte und 15 Vermisste. Die Mehrheit der Minister floh in Panik aus Belgrad und füchtete zwischen 14. und 16. April 1941 unter britischem Schutz nach Griechenland. Zwei Tage später unterzeichneten Außenminister Cincar-Markovié und General Danilo Kalafatovié die bedingungslose Kapitulation. Das erste Jugoslawien war damit zu Ende. Aus dem Slowenischen von Erwin Köstler Joze Pirjevec, geb. 1940 in Triest, Historiker, Dr. phil., Univ.-Prof., o. Mitglied der Slowenischen Akademie der Wissenschaften und Künste; nach Studien in Triest und Pisa sowie an der Diplomatischen Akademie in Wien Lehrtätigkeit an den Universitäten Pisa, Padua und Triest, heute an der Universität in Koper. Stipendiat der österreichischen Regierung, der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften, der Humboldt-Stiftung, des Wilson-Centers in Washington und des Nobel-Instituts in Oslo. Langjähriger Vorstand der slowenischen Studienbibliothek und des ständigen Slowenischen Theaters in Triest, gegenwärtig Vorsitzender des Ausschusses für die Erforschung von Minderheiten an der Slowenischen Akademie der Wissenschaften. Träger mehrerer Preise und Auszeichnungen, u.a. des Titels „Kulturbotschafter der Republik Slowenien“. Neuere Bücher: „Trst je nas!“ Boj Slovencev za morje (18481954) (Ljubljana 2007); Foibe. Una storia dtalia. Torino 2009. — Arbeitet an einer breit angelegten Biografie Josip Broz-Titos. 1-2/2010 39