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Lebensbedingungen in den Lagern gefolgt seien.”° Einen Bericht ähnlichen Inhalts schickte das Konsulat im November 1934, wonach die neuen Flüchtlinge v. a. über die Petzen/Peca aus Kärnten und über die Soboth aus der Steiermark kämen, auch unter diesen zum Großteil Frauen, deren Männer schon interniert waren und die sich dem Transport anschließen wollten, der die Naziflüchtlinge am 28. November 1934 nach Deutschland bringen würde.?! Dasselbe berichtete auch die Polizeiexpositur auf der Bahnstation Spielfeld.” Flüchtlinge aus Österreich kamen somit während der gesamten Dauer des Aufenthalts von Naziputschisten und auch noch später nach Jugoslawien. 1935 befanden sich die Sammellager bzw. Sammelstellen für die neuen Flüchtlinge nicht mehr in Varazdin bzw. Maribor, sondern in Zagreb und Lipik in Kroatien. In einem Bericht des österreichischen Konsulats in Ljubljana von Mitte März 1935 steht, dass viele der täglich eintreffenden Flüchtlinge gültige Pässe besäßen und dass alle (vermutlich über Venedig) nach Deutschland auszureisen wünschten.?? Das österreichische Konsulat in Zagreb berichtete einen knappen Monat später von 70 österreichischen Flüchtlingen in Zagreb, die im Hotel Kova£ in der Gajeva ulica untergebracht seien. Nach Auskunft der Eigentümerin des Hotels, die vor ihrer Heirat österreichische Staatsbürgerin gewesen sei, kämen täglich zwei bis drei Personen hinzu. Die Gruppe wurde von einem gewissen Meinhard Sorgo angeführt, der strenge Disziplin hielt: morgens gruppenweise Leibesübungen oder Exerzieren im Hof des Hotels, von 11 bis 12 Uhr politische Schulung, nach dem Mittagessen wieder Leibesübungen, um 17 Uhr Befehlsannahme, nach 21 Uhr völlige Ruhe, u. a. war sogar Kartenspielen verboten. Wer in dieses Lager kommen wollte, musste sich mit entsprechenden Belegen als NSDAP-Mitglied ausweisen, wer keine hatte, musste zurück nach Österreich und sie sich besorgen. Das österreichische Konsulat in Zagreb schätzte, dass diese Leute bis Ende April im Hotel Kovaé bleiben wiirden.” Die Polizei auf dem Bahnhof Spielfeld berichtete Ende April 1935 den vorgesetzten Behörden in Graz, dass sich auf der Mariborer Polizei neun namentlich bekannte und fünf nicht identifizierte nationalsozialistische Flüchtlinge aus der Steiermark gestellt hätten. Fünf waren aus Eibiswald, drei aus Leibnitz und einer aus Graz. Alle neun wurden in das Lager Zagreb verbracht, der „Status“ eines Nationalsozialisten wurde ihnen aber nur zuerkannt, wenn die Lagerleitung oder der Leiter des nationalsozialistischen Amtes für die Flüchtlingsübernahme in Maribor sie aufgrund entsprechender Parteidokumente als solche erkannten. Diese musste von der NSDAP-Organisation des Ortes, aus dem der Flüchtling stammte, ausgestellt sein. Um nicht bei einer eventuellen Kontrolle der österreichischen Polizei als Nazis erkannt zu werden, hatten sie keine schriftlichen Bestätigungen bei sich. Ein Stück Stoff, auf das sie SS oder SA geschrieben hatten, wurde von der jeweiligen Ortsorganisation abgestempelt und als Rock- oder Kittelfutter eingenäht. Nach Jugoslawien sollen sie in der Überzeugung gekommen sein, dass am 28. April 1935 noch ein deutsches Schiff mit Flüchtlingen nach Deutschland auslaufen würde. Dazu kam es natürlich nicht, dennoch stattete sie das deutsche Konsulat in Zagreb mit deutschen Pässen aus und schickte sie per Bahn über Ungarn nach Deutschland.” Dieselbe Polizeistation berichtete im Juni 1935, dass das Nazilager in Zagreb noch nicht aufgelassen sei, dass sich aber die Aufnahmeprozedur in Maribor etwas geändert hätte. Die Flüchtlinge wurden schon in Österreich verständigt, dass sie sich in Maribor 42 ZWISCHENWELT bei Ing. Heinrich Fischbach zu melden hätten. Dieser brachte sie dann auf die Polizei, wo sie kurz verhört und gleich darauf frei gelassen wurden. Wenn einer der Flüchtlinge keinen Beleg für seine Zugehörigkeit zur NSDAP hatte, musste er in Maribor warten, bis Fischbach ihn über Vertrauensleute aus Österreich besorgt hatte. Die Flüchtlinge warteten auf die Abreise nach Zagreb im Hotel „Zum goldenen Roß / Pri zlatem konju“. Von Zagreb reisten sie auf der eingespielten Route mit deutschen Pässen über Ungarn nach Deutschland.” Die deutschen Diplomaten verfolgten die Ankunft der neuen, „späten“ Flüchtlinge genauer als die österreichischen, weil sie sie nicht nur politisch, sondern auch materiell betreuen mussten. Im Jänner versorgte das Zagreber Konsulat mit Hilfe des „Hilfswerks für Flüchtlinge und Hinterbliebene“, das gerade für solche Hilfsleistungen auf Hitlers Befehl von Rudolf Heß in München gegründet worden war, zwei Gruppen mit insgesamt 49 Flüchtlingen. Offenbar hatte aber auch das nationalsozialistische Deutschland genug davon, immer wieder für neue Flüchtlinge aus Österreich sorgen zu müssen. Nachdem Ende Jänner 1935 eine 28-köpfige Gruppe nach Deutschland aufgebrochen war, berichtete nämlich der Verantwortliche für das „Hilfswerk“ Willy Brandner dem Konsulat sowie den Banschaftsbehörden im Save-Banat und in Maribor, dass die Arbeit des „Hilfswerks“ für Jugoslawien beendet sei, und reiste nach Berlin ab. Mitte Februar bedankte sich das „Hilfswerk“ mit erlesenen Worten beim Zagreber Konsulat für die große Arbeit, die es beim Abtransport der Flüchtlinge nach Deutschland geleistet hätte. Doch meldete sich Ende März 1935 am Sitz des „Hilfswerks“ in Berlin bei dessen Leiter Rodenbücher der Ortsgruppenleiter der NSDAP in Zagreb. Ungefähr zur gleichen Zeit langte dort ein eingeschriebener Brief aus Maribor ein. Von beiden erhielt der SS-Gruppenführer gleichlautende Informationen, dass das Flüchtlingsproblem in Zagreb, wo sich wieder 62 Flüchtlinge aufhielten, immer akuter werde. Dem Leiter des „Hilfswerks“ blieb nichts übrig, als seinen Stellvertreter Dr. Karl Pfragner nach Zagreb zu schicken, der die Gründe für die Flucht dieser Leute aus Österreich genau überprüfen sollte. Er sollte nur die schwierigsten Fälle auswählen und auf dem Weg über Ungarn nach Deutschland ausreisen lassen. Das deutsche Konsulat in Zagreb wurde angewiesen, wie bisher die Pässe auszustellen, damit sie in kleineren Gruppen reisen konnten, die keine Aufmerksamkeit erregen würde.” Anfang April 1935 waren im Kurhotel Lipik 71 österreichische Flüchtlinge untergebracht. Das deutsche Konsulat erstattete zwar in Berlin Bericht über diese Flüchtlinge, doch verhielt es sich ihnen gegenüber den Weisungen entsprechend äußerst zurückhaltend — ebenso wie die Ortsleitung der NSDAP in Zagreb. Das größte Problem war ihre Versorgung, die teilweise von Maribor aus sichergestellt, teilweise vom Zagreber Roten Kreuz übernommen wurde.”® Laut den Weisungen musste sich das Konsulat nur um jene österreichischen Flüchtlinge kümmern, die um die deutsche Staatsbürgerschaft ansuchten. Weil das offenbar alle taten, verfrachtete es zwischen 17. und 24. April über Budapest und Ratibor alle (mittlerweile 77) Flüchtlinge, darunter 8 Frauen und 4 Kinder. Doch schon am 4. April musste es telegraphisch in Berlin anfragen, ob es auch 20 neu nach Zagreb gekommene Flüchtlinge versorgen solle.”? Mitte Mai bereitete das Zagreber deutsche Konsulat für sein Außenministerium eine Art Sammelbericht vor, den ein Beamter namens Göring unterschrieb. Aus ihm ist ersichtlich, dass sich