In Jugoslawien passierten die entscheidenden
Weichenstellungen für das weitere Leben und
Überleben von Herta Reich. Ohne die Ver¬
bindung zu Romek Reich wäre Herta Reich
wahrscheinlich im „Kladovo-Iransport“ zu¬
rückgeblieben: „Romek hatte mir das Leben
gerettet.“'° Im Juli 1941 wurden alle jüdischen
Flüchtlinge von den Besatzern — wegen der aus
historischen Gründen vermeintlich größeren
Vertrautheit mit den Verhältnissen am Balkan
waren zu einem beträchtlichen Prozentsatz Ös¬
terreicher im Einsatz — in Militärbaracken am
Stadtrand von Sabac interniert. Ebenfalls im
Sommer begann der bewaffnete Widerstands¬
kampf der kommunistischen Partisanen, die
bald die ländlichen Gebiete Serbiens kontrol¬
lierten. Daraufhin verfügte der österreichische
Wehrmachtsgeneral Franz Böhme die Erschie¬
ßung von 100 Geiseln („vorwiegend Juden und
Kommunisten“) für jeden getöteten deutschen
Soldaten. Damit vollzog sich das Schicksal aller
Männer des „Kladovo-Transportes“. Unter dem
Vorwand, bei einem Arbeitseinsatz benötigt zu
werden, wurden sie aus dem Lager getrieben
und im Oktober 1941 im Ort Zasavica von Exe¬
kutionskommandos der Wehrmacht erschossen.
Aufgrund dieses Böhme-Befehls wurden noch
1941 alle jüdischen erwachsenen Männer Serbi¬
ens ermordet. Die jüdischen Frauen und Kinder — darunter auch
jene des „Kladovo-Transportes“ — wurden im Jänner 1942 in das
vom österreichischen SS-Angehörigen Herbert Andorfer kom¬
mandierte KZ Sajmiste bei Belgrad deportiert. Von dort wurden
zwischen März und Mai 1942 alle jüdischen Insassen des Lagers
abgeholt und in mobilen Gaswägen ermordet.
Lange Zeit waren eine von der Wiener Israelitischen Kultusge¬
meinde zu Beginn der 60er Jahre errichtete Gedenktafel in Belgrad
und der Jerusalemer „Wald der Märtyrer“ die einzigen öffentlichen
Erinnerungsorte an die mehr als 1.000 Toten des „Kladovo-Trans¬
portes“. 60 Jahre nach den Erschießungsaktionen der Wehrmacht
fand im Oktober 2002 in Belgrad, Kladovo und Sabac eine Ge¬
denkwoche mit einem umfangreichen Programm statt, in dessen
Rahmen auch ein Denkmal in Kladovo enthüllt wurde. Mit der
Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland und der Republik
Österreich an diesem Gedenken wurde ein spätes Zeichen der
Übernahme historischer Verantwortung gesetzt.
Herta Reich, geb. 1917 in Mürzzuschlag, nach Handelsschule Arbeit im
elterlichen Textilgeschäft, 1938 Vertreibung, sechs Jahre auf der Flucht, 1944
Ankunft in Tel Aviv, Arbeit in Wollweberei, ab 1946 wohnhaft in Holon,
1947 Geburt des Sohnes Ronny, 1948 Verlust des Ehemannes Romek im israe¬
lischen Unabhängigkeitskrieg, danach Arbeit als Näherin, 1977 Übersiedlung