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satzgruppenführers Paul Blobel in Belgrad ein. Vier Monate lang wurden nun die Leichen der im Herbst 1941 erschossenen und im Frühjahr 1942 vergasten Opfer wieder ausgegraben, zu Scheiterhaufen geschichtet und verbrannt. Der Holocaust in Serbien war eine GemeinBesatschaftstat aller zungsinstanzen, wobei die unmittelbare Verantden Besatwortlichkeit unter verschiedenen zungsorganen wechselte. Wer in den verschiedenen Phasen der Verfolgung gerade federführend war — die Wehrmacht oder die Einsatzgruppe, die Militärverwaltung oder die Gesandtschaft — war von der aktuellen Situation abhängig. Soweit allgemeine Anweisungen von den Berliner Zentralstellen überhaupt notwendig waren, wurden sie ‚vor Ort‘ sofort der aktuellen Lage angepasst. In der Federführung der Maßnahmen gegen die Juden lösten einander politisch-polizeiliche, zivile und militärische Besatzungsstellen ab und ergänzten einander zugleich. Über das Ziel („Die Juden müssen weg!“) herrschte unter den Besatzungsorganen von Beginn an Einigkeit, und über die dafür anzuwendenden Mittel kam man in den konkreten Situationen jeweils rasch zu einem Konsens. Obwohl die Besatzungsstrukturen in Serbien mit Frankreich oder Belgien vergleichbar sind, finden sich bei der Judenvernichtung stärkere Ähnlichkeiten mit Polen oder der Sowjetunion. Wie im Osten diente auch in Serbien die Partisanentätigkeit als Vorwand für den Mord an den Juden; und ebenso wie im Osten wurden die Juden in Serbien zu ihrer Ermordung nicht außer Landes deportiert, sondern vor Ort erschossen oder vergast. 2. Kroatien Im kroatischen Ustascha-Staat verlief der Vernichtungsprozess in anderer Form und erstreckte sich über einen längeren Zeitraum. Waren in Serbien die deutschen Besatzungsorgane die Entscheidungsträger und Vollstrecker, so vollzog sich der Judenmord in Kroatien im Zusammenspiel des kroatischen Satellitenregimes mit den deutschen Besatzern, wobei die italienischen Besatzer eine Sonderrolle einnahmen. Gemäß den kroatischen Rassegesetzen vom April 1941 dürften etwa 40.000 Juden, darunter etwa 3.000 jüdische Flüchtlinge aus dem Ausland, auf kroatischem Gebiet gelebt haben. Ebenso rasch wie die deutschen Besatzer in Serbien erließ die UstaschaRegierung antijüdische Gesetze. Zwei Wochen nach der Bildung einer kroatischen Regierung veröffentlichte sie ein Gesetz, das den Begriff „Jude“ definierte, und bis zum Sommer 1941 schaffte es die Ustascha, alle jene antijüdischen Maßnahmen in Kraft zu setzen, für die die Nationalsozialisten in Deutschland acht Jahre gebraucht hatten: Verbot von Mischehen, Entlassung aus dem Staatsdienst, „Arisierung“ des Vermögens, kollektive Bußzahlungen, Kennzeichnung der Juden. Zugleich wurden Konzentrationslager errichtet, in denen Serben, politische Häftlinge und Juden interniert wurden. Diese ersten Lager (etwa in Drnje, Jadovno oder auf der Insel Pag) waren relativ klein und konnten nur eine begrenzte Personenzahl aufnehmen. Die Ustascha löste dieses Problem, indem sie bei Ankunft neuer Transporte die zuvor Inhaftierten umbrachte, um Platz zu schaffen. Allein in Jadovno dürften mehrere hundert Juden den Exzessen der Ustascha zum Opfer gefallen sein, bevor diese kleinen Lager im August 1941 geschlossen wurden und die Überlebenden in die beiden großen Konzentrationslager Jasenovac und Stara Gradiska gebracht wurden. Das KZ Jasenovac, zu dem auch das Frauenlager Stara Gradiska zählte, war vom Sommer 1941 bis zum Frühjahr 1945 in Betrieb und bestand aus einem Komplex von Einzellagern, die entlang des Save-Ufers errichtet wurden. Das Lager Jasenovac III, die „Ziegelei“, war in vier Abteilungen untergliedert, von denen eine für Juden vorgesehen war. Die Juden wurden aus ganz Kroatien nach Jasenovac verschleppt, wobei die meisten von ihnen schon bei der Ankunft getötet wurden. Bereits Ende 1941 waren etwa zwei Drittel der kroatischen Juden interniert und der Großteil in den Lagern von der Ustascha getötet worden. Insgesamt dürften von der Ustascha in den kroatischen Konzentrationslagern zwischen 20.000 und 25.000 Juden ermordet worden sein. Die kroatischen Juden wurden — im Unterschied zu den serbischen — zum größten Teil nicht von den Nationalsozialisten, sondern von kroatischen Bürgern ermordet. Die deutschen Besatzer hielten sich im Hintergrund und überwachten das Morden. Die meisten kroatischen Juden starben vor dem Sommer 1942 — also jenem Zeitpunkt, zu dem das Reichssicherheitshauptamt begann, die noch in Kroatien lebenden Juden in ihre Pläne zur „Endlösung der Judenfrage“ mit einzubeziehen. 1-2/2010 65