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Im Juli 1942 erhielt der deutsche Polizeiattache in Zagreb, Hans Helm, von Heinrich Himmler den Auftrag, die Deportation der noch in Kroatien lebenden Juden in die Vernichtungslager in Polen zu organisieren. Gemeinsam mit dem deutschen Gesandten in Zagreb, Siegfried Kasche, und Franz Abromeit aus dem Stab Eichmanns widmete sich Helm dieser Aufgabe. Ursprünglich war vorgesehen, mit der Deportation in der italienisch besetzten Zone zu beginnen, wo mittlerweile etwa 5.000 Juden lebten, die zum überwiegenden Teil dorthin geflüchtet waren. Wie in Griechenland und Südfrankreich weigerten sich die italienischen Besatzer auch in Kroatien, die Juden auszuliefern. Im Gegenteil: Ein Teil von ihnen durfte, vorgeblich als italienische Staatsbürger, nach Italien ausreisen; die übrigen wurden interniert und im Sommer 1943 in ein Lager auf die Insel Rab gebracht. Bei der italienischen Kapitulation im September 1943 zählte das Lager etwa 2.650 Insassen, von denen sich bis auf 300 Personen alle in die von den Partisanen kontrollierten Gebiete retten konnten. So wurde im Sommer 1942 auf dem unter deutscher Kontrolle stehenden Territorium mit Verhaftungen von Juden oder deren Aussonderung aus den kroatischen Lagern begonnen. Die kroatische Regierung erließ eine Verordnung, in der sie den zu deportierenden Juden die kroatische Staatsbürgerschaft aberkannte, wodurch die Betroffenen auch ihrer Vermögenswerte verlustig gingen. Als Dank für den Beitrag der Nationalsozialisten zur „Endlösung der Judenfrage“ in Kroatien erklärte sich der kroatische Finanzminister Vladimir Kosak bereit, dem Deutschen Reich für jeden deportierten Juden auch noch 30 Reichsmark zu vergüten. Zwischen dem 13. und 20. August 1942 wurden 5.500 Juden aus Kroatien nach Auschwitz deportiert. Die Hälfte von ihnen kam aus dem KZ Tenje, die anderen stammten aus dem Lager Loborgrad, aus Zagreb und Sarajevo. Damit war in Kroatien, wie Polizeiattach Helm nachträglich feststellte, „die Judenfrage im großen und ganzen als gelöst anzusehen“. Aber sie war eben nicht vollständig „gelöst“: Denn neben den Juden auf dem italienischbesetzten Territorium lebte auch im deutschbesetzten Gebiet noch eine Anzahl Juden. So gingen im Mai 1943 zwei weitere Deportationszüge mit 1150 Menschen nach Auschwitz ab. Die letzten 200 Juden wurden nach der Kapitulation Italiens von der Gestapo auf den dalmatinischen Inseln ergriffen und im März 1944 nach Auschwitz deportiert. Von den tausenden kroatischen Juden, die nach Auschwitz deportiert wurden, überlebten nur wenige Dutzend. In Kroatien selbst blieben lediglich einige hundert Juden am Leben — die meisten, weil sie von der Ustascha zu „Ehrenariern“ erklärt worden oder mit Nichtjuden verheiratet waren. In Kroatien erfolgte der Judenmord in drei Phasen. Zwischen dem Sommer 1941 und dem Sommer 1942 ermordete die Ustascha den überwiegenden Teil der Juden, etwa 20.000 — 30.000 in den kroatischen Konzentrationslagern. Die deutschen Besatzer beschränkten sich auf eine passive, beratende Rolle. Aktiv griffen die Nationalsozialisten ab Sommer 1942 in den Totungsprozess ein, als sie mit Zustimmung und Unterstiitzung der Ustascha-Regierung 5500 Juden nach Auschwitz deportierten. Den Abschluss bildete die Deportation weiterer 1.150 Menschen nach Auschwitz im Mai 1943. Neben den Nationalsozialisten und der Ustascha gab es noch einen dritten Akteur: die italienischen Besatzer, denen es durch eine gezielte Obstruktionspolitik gelang, etwa 5.000 auf ihrem Gebiet lebende Juden zu retten. Von etwa 40.000 Juden, die 1941 auf kroatischem Gebiet gelebt hatten, diirften zwischen 27.000 und 32.000 dem Holocaust zum Opfer gefallen sein. 66 _ZWISCHENWELT 3. Mazedonien und Pirot Der überwiegende Teil von Mazedonien und Pirot in Ostserbien wurde im April 1941 — ebenso wie Thrakien — von Bulgarien annektiert. In Mazedonien lebten etwa 7.230 Juden, in Pirot rund 200. Ebenso wie die etwa 50.000 bulgarischen und die knapp 4.000 thrakischen Juden unterlagen auch sie dem antisemitischen Gesetz, das Bulgarien aus eigenem Antrieb im Januar 1941 erlassen hatte und das Bestimmungen zur Definition, Enteignung und Konzentration der Juden vorsah. Im Zuge der Vorbereitungen auf die „Endlösung“ verschärfte das Dritte Reich ab 1942 den Druck auf Bulgarien: Maßnahmen sollten ergriffen werden, um die Voraussetzungen für die Deportation der Juden aus dem bulgarischen Machtbereich zu schaffen. Im August 1942 wurde per Regierungsdekret ein Kommissariat für jüdische Fragen eingerichtet. In diesem Dekret wurde die Definition der Juden den Nürnberger Gesetzen angepasst, und die rechtlichen Grundlagen für die Deportation der Juden aus Bulgarien wurden geschaffen. Das Kommissariat plante, nach der Registrierung alle Juden zu deportieren und ihr Eigentum zu konfiszieren. Bereits im Juli 1942 hatte die bulgarische Regierung der Deportation aller im Deutschen Reich lebenden bulgarischen Juden zugestimmt. Ende 1942 wurde Theodor Dannecker als „Judenberater“ nach Sofia gesandt. Im Februar 1943 unterzeichneten Dannecker und der bulgarische „Judenkommissar“ Alexander Belev ein Abkommen über die Deportation von 20.000 Juden: Betroffen sollten alle Juden aus Mazedonien und Pirot sein, ebenso alle Juden aus Thrakien und 6.000 — 8.000 aus Bulgarien. Anfang März 1943 stimmte die bulgarische Regierung den Deportationen zu. Mitte März wurden vorerst 4.057 thrakische Juden und 158 Juden aus Pirot vom Donauhafen Lom per Schiff bis Wien und dann per Zug ins Generalgouvernement deportiert und in Ireblinka vergast. Die Juden aus Mazedonien waren die letzte Gruppe, die von den Bulgaren deportiert wurde. Viele von ihnen waren durch die vorangegangenen Deportationen schon gewarnt, sodass es über 100 Juden gelang, vor Beginn der Aktion über die Grenze in das von den Italienern besetzte Gebiet Albaniens zu entkommen. Etwa 7.200 mazedonische Juden wurden in Skopje interniert, Ende März per Bahn nach TIreblinka deportiert und ermordet. Nur 65 von ihnen kehrten nach Kriegsende nach Jugoslawien zurück. Die im März 1943 bereits eingeleiteten Maßnahmen zur Deportation mehrerer Tausend bulgarischer Juden wurden nach Protesten bulgarischer Parlamentarier wieder zurückgenommen und vorerst verschoben. Doch noch bis zum Spätsommer 1943 hing die drohende Deportation wie ein Damoklesschwert über den Betroffenen. Die bulgarischen Juden wurden gerettet, nicht hingegen die thrakischen und makedonischen. Insgesamt wurden mindestens 11.343 Personen jüdischer Herkunft von den Bulgaren deportiert. Bei der Behandlung der Juden in den annektierten Gebieten kannten die Bulgaren keine Skrupel, denn es waren nicht ihre „eigenen“, sondern „fremde“ Juden. Letztendlich wurden die mazedonischen und thrakischen Juden zugunsten der bulgarischen Juden geopfert. Somit agierten die Bulgaren anders als die Italiener, die sich erfolgreich bemühten, nicht nur die „eigenen“, sondern auch die Juden in den von ihnen besetzten Gebieten vor der „Endlösung“ zu retten.