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rische Grafiken zu drucken, besorgt sie sich Materialien zur Herstellung und Fälschung von Pässen für deutsche, italienische und jugoslawische Antifaschisten. In ihren Zeichnungen warnt sie direkt und unmissverständlich vor den Gefahren des Faschismus. In Die Zukunft dieser Jugend grinsen Totenköpfe mit HakenkreuzHelmen aus dem Bild. 1937 verschickt sie das Bild Nein-jamais-mai, das das von Feuer und Ruinen umstellte Nazisymbol zum Inhalt hat, als Weihnachtskarte. Als sie 1933 versucht, ihre Grafik in der 66. Ausstellung des Hagenbundes zu zeigen, kann sie diese Arbeiten nicht präsentieren und nur die unverfänglichen sizilianischen Landschaftsbilder ausstellen. Mit einiger Ironie bemerkt Waehner im Rückblick, dass es verwundern könne, wie einige Künstler es in kürzester Zeit geschafft haben, die Ausstellung mit unzähligen Porträts von Theodor Innitzer und Dollfuß zu füllen. Eine letzte Bestätigung ihrer künstlerischen Arbeit in Wien vor ihrer Emigration ist eine Personale in der von Lea Bondi geführten Galerie Würthle (1937), die zeitgenössischen modernen Künstlern ein Präsentationsforum bietet. Die expressionistische Malweise Waehners entspricht allerdings nicht der politisch propagierten Heimatkunst und so werden in ein Bild und einige Rahmen Hakenkreuze geschnitten. Als wenige Tage nach dem sogenannten Anschluss auch noch ihr Büro im Werkbund durchsucht wird, flieht die Künstlerin unter Zurücklassung ihrer Arbeiten 1938 nach Zürich. Mit der Hilfe von Klaus und Frika Mann organisiert sie danach die Flucht ihres jüdischen Mannes Fritz Schmidl, ihres Sohnes Gustav aus erster Ehe, sowie anderer. Im Kunstsalon Wolfsberg in Zürich, in dem damals auch Arbeiten von Otto Dix zu sehen sind, zeigt Waehner im Mai und Juni 1938 Aquarelle, Grafiken und Pastelle. Aufgrund der offiziell neutralen Haltung der Schweiz muss sie auf die Präsentation politischer Arbeiten allerdings verzichten. „Die Sehnsucht nach dem Bequemen trieb mich auf unbequeme Wege“, schreibt Trude Waehner. In diesen Worten kommt zum Ausdruck, dass sie ihren Überzeugungen folgend, sogar bereit ist, ihre Heimat zu verlassen. Ausgehend von der Schweiz emigriert die Künstlerin über Paris und London im Dezember 1938 nach New York und beschreibt in ihrer Autobiografie ein Gefühl der lang ersehnten Freiheit, das sie bei der Einfahrt in den Brooklyn Harbor übermannt. Waehner findet sich schnell mit den Gegebenheiten in New York zurecht. Dies ist einerseits auf die Unterstützung der zahlreichen Wiener die bereits zuvor angeEmigranten, kommen sind und eine Art Netzwerk bilden, und andererseits auf Waeh Lebenseinstellung und Anpassungsfähigkeit zurückzuführen. Um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, gibt Trude Waehner private Malstunden und Kunstunterricht an zwei US-amerikanischen Schulen: dem Sarah Lawrence College in New York und dem Moravian College in Bethlehem, Pennsylvania. Vor allem am Sarah Lawrence College ist sie eine der Vorreiterinnen auf dem Gebiet der Kunstpsychologie. Aufbauend auf den Erkenntnissen der Psychoanalyse erarbeitet Waehner in Amerika eine eigene Methode zur Bestimmung der Persönlichkeit anhand von Zeichnungen. Während bei der Psychoanalyse Freuds von Objektbildern auf den gefühlsbedingten Inhalt geschlossen wird, das heißt nach dem gemalten „Was“ gefragt wird, spielt bei Waehners Methode nicht nur das „Was“ sondern auch das „Wie“ ein Rolle. Anhand der Form, Größe, Farbe, Verteilung der Formen, Perspektive, Bewegung und Qualität der Linie können Rückschlüsse auf die Persönlichkeit der Teilnehmer gezogen werden. Waehner veröffentlicht ihre Studien mehrfach in Fachzeitschriften und erhält wiederholt Anerkennung für ihre Arbeit. Neben ihren theoretischen Forschungen steht während der Zeit in den USA die Malerei im Zentrum des Schaffens der Künstlerin. Es entstehen Porträts, Stadtansichten und Straßenszenen, die Waehners zahlreiche Wege durch die Stadt zeigen. Die Künstlerin interessiert sich weiterhin für soziale Themen. In Harlem, dem Viertel der Afroamerikaner, und in der Orchard Street, in der damals viele Juden wohnen, findet sie schließlich die idealen Plätze für ihr Schaffen. Viele Werke dokumentieren, dass sie dabei keine Scheu hat, ihre Staffelei mitten in den Straßen New Yorks aufzustellen und im Getümmel zu malen. Nach dem Ende des Krieges richtet sich Waehners Interesse wieder nach Europa und sie kehrt 1947 nach Wien zurück. Die vorläufige Rückkehr nach Wien — bis 1953 lehrt Waehner weiterhin für einige Monate jährlich am Moravian College — gestaltet sich beschwerlich. Ihr selbst gebautes und eingerichtetes Atelier im elterlichen Haus teilen sich seit 1938 Heimito von Doderer und Albert Paris Gütersloh. Sie muss in einem langwierigen Verfahren Eigenbedarf anmelden und kann erst 1948 wieder einziehen. Obwohl das geistige Zentrum Trude Waehners bis zu ihrem Tode stets Wien bleibt, erwirbt sie 1950 ein kleines Häuschen in Dieulefit in der Provence, wo sie bis 1963 den Grofteil der Sommer- und Herbstmonate verbringt und die sonnendurchflutete Landschaft in etlichen Bildern festhält. In auffallendem Gegensatz zur Wertschätzung, die Waehners Oeuvre außerhalb Österreichs erfährt, steht die ablehnende Haltung, die ihr von Seiten der konservativen Presse entgegenschlägt, so auch anlässlich der 1966 von Walter Koschatzky initiierten Großausstellung ihrer Arbeiten in der Albertina. Noch immer sind Emigranten keine gern gesehenen Gäste, noch weniger politische, denen ein Nahverhältnis zum Kommunismus nachgesagt wird. 1963 zieht es die Künstlerin nach Venedig. Italien ist in der Nachkriegszeit politischer Kunst gegenüber offener und bietet Waehner die Möglichkeit, sich abermals mit der politischen Thematik auseinanderzusetzen. Sie greift auf ihre Zeichnungen aus den 1930er Jahren zurück und schafft umfangreiche Holzschnittserien, die in Italien wiederholt ausgestellt werden. Besonders der aus 69 Blättern bestehende Zyklus Creazione e Annientamento — Schöpfung und Vernichtung (1970-1972) zeugt von be1-2/2010 69