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den Achsenmächten besetzten Ländern Widerstandsgruppen unterstützen sollte. Die freiwillige Verpflichtung zur SOE, der auch etliche österreichische und deutsche Exilanten Folge leisteten, brachte eine sehr harte und intensive geheimdienstliche Ausbildung mit sich, ehe die Agenten per Fallschirm zumeist in ihren Herkunftsländern abgesetzt wurden. Diese Aktionen waren natürlich überaus riskant, da die Männer oft in Zivil agieren mußten, und forderten eine Reihe von Todesopfern. Relativ spät, nämlich in der Nacht vom 24. zum 25. April 1945 kam Frank Kelley, der eine Spezialausbildung als Funker absolviert hatte, mit dem Fxilösterreicher George Bryant (vormals Dr. Georg Breuer) sowie den beiden Deutschen Fred Warner (Manfred Werner) und Eric Rhodes (Erich Rohde) unter dem Codenamen „Historian“ zum Einsatz. Als Aktionsgebiet war der Raum Aichfeld-Murboden in der Steiermark vorgesehen. Es galt unter anderem, den strategisch wichtigen Flughafen Zeltweg vor den abziehenden deutschen Truppen und den heranrückenden russischen zu sichern und die Rückzugslinien der deutschen Verbände zu stören. Der Pilot, der die Maschine flog, setzte die Männer jedoch nicht am vereinbarten Ort ab, auch ging das Funkgerät, das Kelley als Funker benötigte, verloren. Bei dem nicht unerheblichem Risiko auch noch in den letzten Kriegstagen gelang es Kelley, wie der gesamten Gruppe, ihre Vorgaben zur vollen Zufriedenheit der SOE-Vorgesetzten zu erfüllen. Nach dem Ende des Kriegs und einer kurzen Rückkehr nach Großbritannien wurde Kelley in das zerstörte Deutschland transferiert und war im Rahmen der British Army of the Rhine hauptsächlich bei der War Crimes Group in Bad Oeynhausen bei der Aufklärung von Kriegsverbrechen mit tätig. Er mußte dafür kreuz und quer durch Europa reisen, um Zeugen zu verhören und die Fälle für die Anklage aufzubereiten. 1948 rüstete er im Rang eines Captains ab — wie auch seine Kameraden war er im Augenblick des Absprungs zum Offizier befördert worden. Als Frank Kelley die britische Armee verließ, war er achtundzwanzig Jahre alt und hatte vielfältige, teilweise extreme Erfahrungen hinter sich, aber auch nicht alltägliche Kenntnisse und Fertigkeiten erworben und mußte sich nun neu orientieren. Die Rückkehr ins Zivilleben, schon an sich keine einfache Sache, war für Männer wie Frank Kelley in zweierlei Hinsicht schwierig: einerseits als Umstieg vom Angehörigen einer elitären Einheit wie der SOE und als britischer Besatzungsofizier zum zivilen Menschen, der aufgrund der Vertreibung aus Österreich keine abgeschlossene Ausbildung aufweisen konnte. „Einen Moment war er ein Held, mit einem relativ hohen Lebensniveau, dann plötzlich ein Niemand“, wie Eric Sanders, ein früherer Kamerad Kelleys von der SOE es ausdrückte — ein Umstieg der nicht allen seiner ehemaligen Kameraden gelang. Fürs erste blieb Kelley in England, absolvierte ein Sprachstudium an der London University und war dann ein Jahr lang bei einem Übersetzungsbüro beschäftigt. Da es ihn jedoch in England nicht hielt, ging er nach Norwegen, zuerst noch als Student in ein Holzfällercamp im Norden des Landes, dann für ein Jahr als Elektroschweißer zur „Fred. Olsen-Linie“ in Oslo. Erst in der Schweiz, die er auf einer Fahrradtour kennengelernt hatte, kam sein seit seiner Jugend unstetes Leben zur Ruhe: Nach einigen gescheiterten Versuchen, sich beruflich zu etablieren, und kurz bevor seine Arbeitsgenehmigung abgelaufen wäre, meldete er sich mit Erfolg auf ein Inserat der damals im Neuaufbau befindlichen BAL-Air. So war Frank Kelley ab den 1950er Jahren als Station Manager bei dieser Fluglinie zuerst in Basel, später in Zürich tätig. Hier sollte sich nicht nur seine in England erworbenen Sprachkenntnisse sondern auch seine SOE-Vergangenheit als nützlich erweisen, da zahlreiche englische Kriegsveteranen im Reiseflug-Business Fuß gefaßt hatten, so daß er mit Hilfe dieser Kontakte der BALAir zu zahlreichen Aufträgen und Kooperationen verhelfen konnte. Bei der BAL-Air fand er auch sein privates Glück, als er dort seine spätere Frau Rosmarie, die damals als Stewardeß arbeitete, kennenlernte. 1985 ging er in Pension, in den Neunzigerjahren zog er mit seiner Frau ins Tessin nach Orselina, hoch über dem Lago Maggiore. Bis ins hohe Alter körperlich und geistig in Topform, zählten Bergwanderungen und Lesen zu seinen bevorzugten Beschäftigungen. Noch mit weit über achtzig Jahren machte er sich mit den neuen Computertechnologien vertraut und blieb, zuletzt durch ein Hüftleiden in seinem Bewegungsradius sehr eingeschränkt, durch seine E-Mails, die an Witz und Schlagfertigkeit schwer zu überbieten waren, mit der halben Welt in Kontakt. Als sich die Autoren dieses Nachrufs auf die Suche nach Zeitzeugen über die Aktion „Historian“ machten, wurde ihnen Frank Kelley als unzugänglich und zurückgezogen lebend beschrieben. Wir fanden hingegen einen gesprächsbereiten und vor allem sehr liebenswürdigen Menschen, der alle unsere Fragen nach seiner Vergangenheit ohne Scheu beantwortete, seine Erlebnisse im Krieg jedoch nie über-, sondern höchstens unterbewertete. Als Held hat er sich nie gefühlt. Elisabeth Lebensaft/ Christoph Mentschl Am 21.5.2010 konnte ich dem Netz der goldenen Steine, welche es bereits im 8. Wiener Bezirk gibt, zwei weitere Steine hinzufügen, welche Marianne Saxl und Olga Deutsch, meinen Vorfahren mütterlicherseits, gewidmet sind. Angeregt wurde ich durch die Aktivitäten von Elisabeth Ben David-Hindler, die besonders in der Leopoldstadt in den letzten Jahren viel getan hat, damit Steine für ehemalige jüdische Bewohner dieses Bezirkes, die von den Nazis ermordet worden sind, gesetzt werden. Irmtraut und Lars Karlsson als Sprecher des Kulurvereins Josefstadt und andere engagierte Personen dieses Bezirkes haben kräftig mitgeholfen, eine Gedenkfeier zu gestalten. Es wurde an 16 Personen im Haus Skodagasse 9 und vier Personen im Haus Skodagasse 15 gedacht. Im Anschluss setzten sich Freunde und Interessierte zusammen, Iris Steinhauer las, Mitglieder des Josef Haydn Konzertvereins spielten unter der Leitung von Robert Fontane jüdische Lieder. In meiner Rede als Angehörige von Marianne Saxl (Großmutter) und von Olga Deutsch (Urgroßmutter) konnte ich darauf eingehen, wie sehr mich die Verfolgung meiner Familie unter dem NS-Regime geprägt hat, auch wenn ich nur indirekt davon betroffen war. Ich selbst wurde in der Emigration in den USA geboren, dennoch waren die späteren 1-2/2010 71