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kein Wort Deutsch“ von Gerald Kurdoglu Nitsche und Bruno Gitterle, dafür allerdings sorgfältiger gearbeitet. Vor allem werden die Fremdsprachen hier wesentlich ernster genommen. Zum einen durch die Anordnung: auf der rechten Seite findet sich die Orginalfassung vor der deutschen Übersetzung. Zum anderen sind nichtlateinische Schriften hier keine Verzierung, sondern ernst genommene, unverwechselbare Schriftkultur. So birgt jede Seite Überraschungen, eine neue Welt-Schrift-Sprache, eine Lebensgeschichte, die — meist gewaltsam — raus aus Österreich, oder (wieder) hier her führt. Manche der AutorInnen vereinen durch ihr künstlerisches Schaffen diese unterschiedlichsten Lebenswelten. Der irakische Marxist und Lyriker Kasim Talaa etwa, 1972 vor dem Regime Saddam Husseins nach Österreich geflüchtet, übersetzt Exillyrik von ÖsterreicherInnen, die vor dem Nationalsozialismus flüchten mussten, ins Arabische und ist im vorliegenden Band mit seinem Gedicht „Die Erlösung der Stadt “Wo‘“ vertreten, als einer von insgesamt 29 AutorInnen aus allen Kontinenten. Mary Kreutzer „Man fragt mich, ob ich bin.“ Lyrik@Migration. Hg. von Alicia Allgäuer, Thomas Schmidinger. Wiener Neustadt: Verlag Verein Alltag 2009. 168 Seiten. Euro 13,90 (Bestellung unter: kontakt@vereinalltagverlag.at) Es wird immer schwieriger, Literatur und Dokumentation zu unterscheiden. Das Buch über den Ingenieur Jägendorf, geboren als Schmiel, der sich später Siegfried nannte, bietet Stoff für ein Filmscript und würde die berühmte Geschichte von Oskar Schindler toppen — wie es im Klappentext und im Kommentar auch geschrieben steht. Rumänien ist weit weg, man hat im Herbst 2009 einiges über das Land gehört, als Herta Müller den Nobelpreis bekam und die Dörfer der deutschen Minderheiten ins Gespräch kamen; der Zufall meiner bücherempfehlenden Freunde brachte mit sich, daß ich gerade das Buch von Wassili Grossman, „Leben und Schicksal“, gelesen hatte, in dem die unrühmliche Rolle der rumänischen Armee beim Angriff auf Stalingrad beschrieben wird, im Kontext der Feiern eines vereinigten oder auch wiedervereinigten Deutschland wurde gelegentlich die Hinrichtung Ceaucescus als eine der wenigen Gewalttaten von 1989 erwähnt. Im übrigen ist Rumänien immer noch das Land Draculas und lange danach noch einiger großer jüdischer Autoren. Dennoch ist erstaunlich, dass nach all den Jahren der Holocaust-Literatur und Verfilmungen erst jetzt diese Geschichte der Rettung von 10.000 Juden in Transnistrien bekannt gemacht wird. Nach Transnistrien, jenseits des Dnjestr, das damals, ab 1941, von Rumänien besetzt war, und heute Teil der Ukraine ist, wurden im Herbst 1941 „schätzungsweise 150.000 Juden“ deportiert. In Rumänien waren Juden erst seit 1923 Staatsbürger mit vollem 88 _ ZWISCHENWELT Bürgerrecht, und diese Rechte wurden der jüdischen Bevölkerung - die etwa eine halbe Million Menschen zählte — schon 1937 unter König Carol großteils wieder aberkannt. 1938 schloß Rumänien eine Allianz mit Deutschland und stellte den Nationalsozialisten seine Bodenschätze zu günstigen Bedingungen zur Verfügung. Siegfried Jägendorf war als Sohn eines orthodoxen jüdischen Müllers noch in der Habsburger Monarchie geboren, hatte in Czernowitz die Siemens-Werke geleitet und in Wien eine Fabrik gegründet. 1941 wurde er in die westliche Ukraine deportiert. Im Ghetto von Moghilev entstand das Wunder: eine zerstörte Fabrik wurde mit Duldung der rumänischen Verwaltung aufgebaut, Suppenküchen, Waisenhäuser, Spitäler eingerichtet, alles von Juden und für Juden. Mit „eiserner Hand“ soll Jägendorf geherrscht haben; Zentrum und zugleich Daseinsberechtigung der Juden von Moghilev war die „Turnatoria“, eine zerstörte Fabrik, die von deportierten jüdischen Fachleuten instand gesetzt wurde. Es wurde Strom erzeugt, Fahrzeuge wurden repariert, auch Feuerzeuge und Spielsachen für den rumänischen Bedarf hergestellt - alles von Juden und unter Jägendorfs Leitung. Man liest über Erschießungen, Epidemien, über den Mangel an Nahrung und die kranken Kinder; und die Geschichten, wie es Jägendorf gelang, Totgeweihte zurückzuholen, wie er mit den Rumänen verhandelte und Material oder Medikamente organisierte, sind „unglaublich“. Trotz der bewundernswerten Leistungen dieses Mannes ist das Buch keine Heroengeschichte, es gibt nicht nur Opfer und Täter, verzweifelte Juden und faschistische Autoritäten, sondern auch viele Widersprüche und Unklarheiten. Der Band besteht einerseits aus Texten, die Jägendorf überliefert hat, und andererseits aus Kommentaren, die seine Darstellung erläutern und auch manches Fragezeichen setzen. „Jägendorf portraitiert sich als strenge, aber verständnisvolle Führungshigur, die durch geschicktes Manövrieren die rumänischen Verantwortlichen überlistete und seine Leute rettete, indem er einen Haufen verstörter Menschen in produktive Arbeitskräfte verwandelte. Dieses Selbstportrait ist nicht unproblematisch. [...] War das nun passiver Widerstand oder Kollaboration mit dem Feind oder beides?“ (S. 9) Der „Kaiser von Moghilev“ hatte nicht nur gegen die Rumänen zu kämpfen, sondern auch gegen Gauner in den eigenen Reihen, er strafte Arbeiter, die Material abzweigten, ging streng gegen Schwarzhändler und korrupte Mitarbeiter vor und hatte seine eigenen Spitzel und Kontrollkommissionen. Ehemalige Mitarbeiter berichten, dass er absoluten Gehorsam erwartete, keine abweichende Meinung duldete und sich gerne verehren ließ. Aron Hirt-Manheimer, der nachrecherchiert und mehrere Überlebende interviewt hat, schafft es, durch Einblendung von Gesprächen mit Nachkommen und Mitarbeitern den Zwiespalt dieses fantastischen Unternehmens bestehen zu lassen: „Er sprach normalerweise nie mit einfachen Arbeitern, die es nicht wagten, das Wort an ihn zu richten [...]. Seine Botschaft war unmißverständlich: ‚Ich trage die Verantwortung, mein Wort ist Gesetz.‘ Die Arbeiter fürchteten Jägendorf, und aus dieser Furcht wuchs der Respekt.“ (125) Er blendet Beschreibungen ein, die den Leser zur Skepsis zwingen. „Der 56-jährige ehemalige Siemens-Direktor hatte nicht den geringsten Anschein, gerade einem Todeszug entstiegen zu sein. Sein Anzug war sauber, die Schuhe waren geputzt. Er trug Lederhandschuhe und paffte an einer 20 Zentimeter langen Zigarettenspitze.“ (8) Er und seine Frau sind besser ernährt als andere und natürlich genießt er einige Privilegien. Die Frage nach den Motiven bleibt letztlich offen. Er „sah sich selbst als Muster der Tugend inmitten einer Welt voller Schurken“. Jägendorf hatte mehrere Möglichkeiten, „seine Leute“ im Stich zu lassen und die eigene Haut zu retten, das hat er nicht