OCR
Martin Krist — und alle sind uns gleich viel wert Das Literaturmuseum Altaussee Ein Urlaub am Grundlsee im steirischen Salzkammergut ist haufig mit tagelangem Regen verbunden. Also werden Ausflugsziele gesucht, die wetterunabhängig sind — und da findet sich das 2005 eröffnete „Literaturmuseum“ in Altaussee, im zweiten Stock des Kur- und Amtshauses untergebracht. Geht man die Stockwerke hoch wird man begleitet von an der Wand angebrachten Portraits und Kurzbiographien berühmter Literaten mit Altaussee-Bezug. Hugo von Hofmannsthal, aber auch Nikolaus Lenau findet man da. Dann, umgeben von Theodor Herzl, Arthur Schnitzler und Hermann Broch, der wohl heute zu recht völlig unbekannte Wilhelm Kubie. Kubie — während der NS-Zeit verlegerisch in Leipzig tätig — war nach 1945 Inhaber des Linzer „Österreichischen Verlags für Belletristik und Wissenschaft“, der 1948 die „Literaturgeschichte Österreichs“ des nach 1945 suspendierten und später zwangspensionierten Wiener Universitätsprofessors für Germanistik, Josef Nadler, herausbrachte. Nadler, der heute noch durch seine NS-Literaturgeschichte der „deutschen Stämme und Landschaften“ unrühmlich bekannt ist, fand hier bei dem ihm ideologisch nahestehenden Kubie eine Publikationsmöglichkeit für seinen vom ärgsten NSJargon gereinigten Osterreich- oder eigentlich Ostmarkteil der oben genannten Literaturgeschichte. Des Weiteren erschien in Kubies Verlag, ebenfalls 1948, der „Kriegsberichterstatterroman“ „Von Dimitrowsk nach Dimitrowsk“ von Erich Landgrebe. Landgrebe — seit 1936 NSDAP-Mitglied — war ihm wohl als Verlegerkollege bekannt, hatte dieser doch seit 1939 als Verlagsleiter den Paul Zsolnay-Verlag übernommen und außerdem den renommierten Richard LöwitIrene Suchy Verlag liquidiert. Dessen Besitzer Dr. Mayer Präger wurde von den NS-Machthabern in den Tod deportiert. In den drei Museumsräumen stößt man dann auch auf Bruno Brehm, einen prominenten Autor des berüchtigten „Bekenntnisbuches österreichischer Autoren“. In diesem Sammelband begrüßten die führenden „Blut und Boden“-Autoren Österreichs den so genannten „Anschluss“ Österreichs an Nazideutschland und drückten ihr Bekenntnis zu Adolf Hitler in „huldvollen“ Versen und Texten aus. Der im Vergleich zu Kubie wohl wesentlich bekanntere Brehm befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu Theodor Herzl, Arthur Schnitzler, Jakob Wassermann und Raoul Auernheimer. Letzterer befand sich im so genannten „Prominententransport“ ins KZ Dachau vom 1. April 1938 bzw. wurde dort bereits gequält und gedemütigt, als Brehm Folgendes aus der Feder floss: „Nun reckst du dich, Volk, nun hebst du dein zerquältes Antlitz vom nächtlichen Boden auf, nun schauerst du zusammen. Nun tönt der Himmel über dir in allen heiligen Klängen dieser deiner Herzkunst und bald wirst du aufstehen, groß, gewaltig und ernst [...] Dann brichst du auf, dann ersteht dein Reich, dann bringst du das Recht und das Gesetz und, wie wir hoffen und beten, auch die Liebe.“ Etwas mehr Feingefühl wäre den GestalterInnen des Literaturmuseums Altaussee wohl doch zu wünschen! Nachtrag: In diesem Zusammenhang erstaunt es auch nicht, dass es in Altaussee einen „Dr.-Bruno-Brehm-Weg“ gibt. Raoul Auernheimer wurde diese Ehre nicht zuteil. Es gibt kein Wir im Erinnern. Jede ist allein. Wir waren allein, als wir jede und jeder für sich, nach Maly Trostinec fuhren. Es betraf uns. Jede und jeden allein. Fast 10.000 Jüdinnen und Juden aus Österreich wurden hierher zur Vernichtung gebracht. Weit genug, um nicht zurückzufinden, um sich dort, der Sprache und der Ortskunde nicht mächtig, noch jemals zurecht finden zu können. Juden zu Juden, die verordnete Gemeinsamkeit über Milieus und Regionen hinweg ist eine besondere Grausamkeit, schaffte besondere Feindschaft. Die Zeitzeuginnen erinnern sich an keinen Kontakt zwischen denen aus Deutschland und jenen aus Österreich und den im Ghetto von Minsk schon hausenden weißrussischen Juden. Hamburger Juden wurden sie alle genannt. Das jüdische Museum in Minsk bewahrt noch Koffer auf. 4 ZWISCHENWELT Manche Transporte wurden, der Einfachheit halber, gar nicht mehr ins Ghetto, sondern direkt zur Vernichtung gebracht. Die Schienen wurden so weit wie möglich hin zur Erledigung des Todes, zur Entledigung des Lebens verlegt, noch vor ein paar Jahren war ein Weiher unverbaut, in dem die Gaswaggons gereinigt wurden, mit Kalk ausgewaschen, der den Waschenden das Fleisch an den Gliedern verbrannte, gereinigt, damit die nächste Gruppe von zum Tode Bestimmten die Waggons ruhig, ohne Nachweise des Tötens, nahezu ahnungslos besteigen konnte, mit Seife ausgestattet, mit Garantien seit ihrer Auswanderung von NS-Österreich und Deutschland beruhigt. Die, die wuschen, waren die Nächsten. Es gab Garantien der jüdischen Verwaltung, Warnungen des Regimes vor Auswanderung. Es wird nicht so schlimm werden, sagte man Kindern, die nicht mit den großen Brüdern in den Kindertransport nach England stiegen. Sie starben mit ihren Eltern, alle drei. Sämtliche Daten