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c. Foto: Ernst Fleischhart

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Der Wald von Maly Trostine

aufgenommen, um Panik zu verhindern. Darf irgend jemand nach
der NS-Zeit noch das Wort Garantie oder Warnung sagen? Sor¬
ge ist in die NS-Häme getaucht, Reinigung vom Menschenwohl
entleert, leichtes Gepäck ist die Anweisung an die Deportierten,
allein Wertsachen mitzunehmen, verzogen heißt eigentlich verjagt.
Wer kann noch eine Menschengruppe abzählen, wenn es nicht um
das Bemerken des Fehlens eines Menschen geht, sondern um das

Demiitigende des Zur-Zahl-Werdens.

Man findet, 50 Kilometer entfernt von Minsk, unbezeichnete Plät¬
ze, von Mülldeponien überschüttet, verworfen, die Zeichen der
mühsamen Vernichtung schändlich überwachsen. Kein Busfahrer
kennt den Weg. Maly Trostinec ist keine Sehenswürdigkeit. Eher
eine Unwürdigkeit. Ein Weiher, dessen Sumpf mit Abfall verunrei¬
nigt, eine Gelsenhorde geben ein Gefühl von der Ankunft, die die
Hergetriebenen erlebt haben. In den Sümpfen konnten sich Par¬

tisanen und Widerstandsgruppen einrichten.
Mein Ahnenpaar, für das ich die Reise machte,
war im Transport vom 15. Juni 1942, einem von
zehn, lebte demnach eine Woche bis zum Tode —
die Qual der Reise abgezogen also höchstens ein
paar Stunden in der heißen Sumpflandschaft.
Die Gelsenplage war bald vorbei.

Wofür ich die Reise machte: nicht für die Toten,
nicht für deren Kinder und Enkel. Wenn es Not¬
wendigkeit gibt, dann wurde die Not gewendet,
durch einen Umweg, der die Abgrenzungen der
familiären Erinnerungsräume durchbrach. Der
Mutter, die ihr Leben lang nicht wusste, wo und
wann ihre Eltern gestorben waren, die Geschich¬
te posthum, postwendend erzählen, ihr den
Grund für ihre Trauer erklären, den sie in den
Tränen um ein früh gestorbenes Kind ertränkte.

Der Familie nachgehen, nicht dem Stolz des Stammbaumes, son¬
dern denen, die nicht die Kraft und den Mut hatten, nachzufragen,
nachzugehen, in diese Zeit ihres Lebens noch einmal zu schauen.
Die selbstgewählte Nachkriegsblindheit erhellen. Die Anweichun¬
gen begradigen, sich widersetzen dem Fehlgeleitet-Werden, das
Wort verschollen aufklären, den Weg suchen, der in Kolonnen
begangen wurde und doch die Jahrzehnte danach aus unserem
historischen Wissen getilgt ist. Viele Vernichtungsorte der NS-Zeit
sind kaum beforscht: Opole, Riga. Zig-Tausende waren es bislang
nicht wert, in die Geschichte eingeschrieben zu werden.

Jede in der kleinen Gruppe hatte ihre Biografie, der sie nachfuhr,
hilflos, unbeholfen, an einen Baum ein Schild mit den Lebens- und
Todesdaten hängend: Geburt — Deportation - Ermordung. Samen
streuend, die Erde um den Baumstamm aufgegraben, ein Kuckuck

IM-MER

Initiative Malvine - Maly Trostinec erinnern

zum Gedenken an die österreichischen Opfer der Schoa in Minsk
und Maly Trostinec

An keinem anderen Ort sind während der NS-Zeit so viele Ös¬
terreicherInnen als Opfer der Schoa ermordet worden wie in
Maly Trostinec. Trotzdem ist dieser nahe Minsk in Weißrussland
gelegene Ort mit den dort begangenen Verbrechen in Österreich
nahezu unbekannt. Der Verein IM-MER hat es sich zur Auf¬
gabe gemacht, das Gedenken an die über 10.000 im Zweiten
Weltkrieg nach Minsk und Maly Trostinec deportierten und im
Großraum Minsk ermordeten ÖsterreicherInnen zu bewahren,
Maly Trostinec als Ort der Vernichtung im kollektiven Gedächtnis
Österreichs zu verankern und durch Bildungsarbeit — besonders
im Bereich der Menschenrechte und in Fragen der Zivilcourage
— dazu beizutragen, dass nie wieder derartiges geschehen kann.

Der Verein IM-MER hat mit der 1. österreichischen Gedenkrei¬
se nach Maly Trostinec und einer interkonfessionellen Trauerfeier
in Minsk zu Pfingsten 2010 seine Tätigkeit aufgenommen.

Am 28.November 2011 wird es genau 70 Jahre her sein, dass
die ersten ÖsterreicherInnen aus Wien nach Weißrussland de¬
portiert worden sind.

IM-MER nimmt diesen Jahrestag zum Anlass nehmen, erst¬
malig in Österreich mit einer Konferenz am 28. und am 29. No¬
vember 2011 der Ermordeten von Minsk und Maly Trostinec zu
gedenken, und lädt dazu nicht nur Fachleute ein, sondern auch
Überlebende des Minsker Ghettos. Im Vorfeld dazu wird-ähnlich
dem Theresienstädter 7otenbuch — der Versuch unternommen,
alle in Minsk und Maly Trostinec ermordeten ÖsterreicherInnen
namentlich zu erfassen. Spätestens am 28.November 2011 soll
auch Maly Trostinec in Wien eröffnet werden - ein Ort der Begeg¬
nung, der mit einer begehbaren Ausstellung zu den Ereignissen
in Minsk und Maly Irostinec auffordern wird, Fragen zu stellen
und gemeinsam Antworten zu finden.

Zu Pfingsten 2011 wird es wieder eine Gedenkreise geben,
die ersten Interessierten haben sich schon gemeldet. Und neben
dem Gedenkstein in Minsk muss auch ein würdiges Mahnmal
in Maly Trostinec selbst zur Erinnerung an die ermordeten
ÖsterreicherInnen errichtet werden.

Nähere Informationen bei der Vereinsgründerin und Gene¬
ralsekretärin Waltraud Barton: waltraud.barton@IM-MER.at,
bzw. auf der Homepage des Vereins www.IM-MER.at. Bank¬
verbindung: Kontonummer 294433020/00; Bankleitzahl 20111
(Erste Bank).

3/2010 5