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Karl Müller Begrüfungsrede bei der Verleihung des Theodor Kramer Preises für Schreiben im Widerstand und Exil 2010 an Elazar Benyoétz am 14. Mai 2010 Vorerst herzlicher Dank — unserem jetzt schon langjährigen Kooperationspartner, dem Unabhängigen Literaturhaus NÖ, der Grazer Autolnnenversammlung, den Literaturhäusern in Salzburg und Linz und dem Psychosozialen Zentrum ESRA Wien, sowie all jenen Förderern, ohne die die Stiftung und Auslobung dieses ganz besonderen Preises, der nach unserem Namenspatron Theodor Kramer benannt ist, nicht möglich wäre, dem Land Niederösterreich, der Stadt Wien, dem Bundesministerium für Unterricht und Kunst und auch heuer wieder der Botschaft des Staates Israel in Österreich. Ein herzliches Dankeschön gilt auch all jenen, die alle notwendigen Vorbereitungen getroffen haben, so dass — heuer zum 10. Mal — der Theodor Kramer Preis an eine herausragende Persönlichkeit der Literatur verliehen werden kann. Elazar Benyoétz, seit den 1980er Jahren kontinuierlich mit Ehrungen, Auszeichnungen und hochlöblichen Mitgliedschaften bedacht, etwa der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München, der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt, und ausgezeichnet von Deutschland mit dessen Verdienstorden und schließlich von der Republik Österreich mit dem Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse, wird heute, erst heute, in seinem 74. Jahr, zum ersten Mal mit einem österreichischen Literaturpreis gewürdigt — angesichts eines beeindruckenden Werkes, das sich seit den 1960er Jahren kontinuierlich entwickelt hat und mit nicht weniger als 36 Büchern in deutschen und österreichischen Verlagen vorliegt. Ich habe seine bitteren Worte im Ohr: „Ich wurde hier [in Österreich, jenem Land, in dem ich geboren wurde] nicht wahr- oder nicht ernst genommen. [...] Ich hatte dennoch immer den Wunsch, eine kleine Spur in Österreich zu hinterlassen. [...] bin 40 Jahre auf dem Plan — und immer noch nicht in Österreich angekommen.“ (Der Standard, 12.01.2009) Nun wäre es pure Anmaßung zu behaupten, wir könnten diesem Nicht-Ankommen abhelfen, aber wir wünschen und wollen, dass Ihr Werk, sehr geehrter Herr Benyoétz, und Ihre Intellektualität ihre „Spuren“ auch in Österreich hinterlassen mögen. Der Theodor Kramer Preis nimmt in der österreichischen Literatur- und Kulturlandschaft einen außergewöhnlichen und auch ausgesetzten Platz ein, würdigt er doch herausragende literarische Leistungen und eine vorbildliche Haltung, die sich aus der Erfahrung von Widerstand und Exil speisen — für Elazar Benyoötz meint Exil, wie er selbst sagt, „die Erinnerung an die längste Nacht eines mit Gott geschlagenen Volkes“ (2001). Wir wollen mit diesem Preis — dies ist unsere innere Richtung — ein Zeichen setzen, dass 12 ZWISCHENWELT in Österreich nicht alles in eine Richtung verläuft, dass dies ein Land mit seinem Widerspruch ist und im Widerspruch und Ringen mit sich selbst auch weiterschreitet. Er ist ein Wiirdigungspreis, um den man sich nicht bewerben kann oder gar muss. Elazar Benyoétz steht nun in einer Reihe mit den Theodor Kramer-PreisträgerInnen seit 2001: Stella Rotenberg (Leeds), Alfredo Bauer (Buenos Aires) und Fritz Kalmar (Montevideo), Fred Wander (Wien), Michael Guttenbrunner (Wien), Georg Stefan Troller (Paris), Milo Dor (posthum, Wien) und Robert Sommer (Wien), Jakov Lind (posthum, London), Tuvia Riibner (Merchavia/Israel), Ilana Shmueli (Jerusalem) und Josef Burg (Czernowitz). Das alles ist zwar auch wichtig zu wissen, aber es ist letztlich sekundär angesichts dessen, worum es sich tatsächlich handelt denn wir zeichnen Elazar Benyo&tz für ein in jeder Hinsicht immenses sprachbewusstes Lebenswerk aus, über dessen poetisches Profil und innersten Kern Daniela Strigl in ihrer Laudatio die adäquaten Worte der Würdigung finden wird, aber erlauben Sie mir doch auch, aus meiner Perspektive einige ganz wenige Aspekte anzusprechen, die uns - schon seit geraumer Zeit — ernsthaft überlegen ließen, Elazar Benyoétz zu ehren. Habe ich alles gesagt kommen die Zweifel und nagen; bin ich mit meiner Weisheit am Ende, stellen Skrupel sich ein und klagen. Es bleibt zu fragen Auch der Jüngste Tag heifst Tag und wird seinen Morgen haben. Aus ,,Finden macht das Suchen leichter“, 2004. Oder ebenda: Worte aussprechen Und ihnen nachreisen Aberglaube Aberzweifel Uns war schon seit längerer Zeit klar, dass sein „Jerusalemdeutsch“, wie Elazar Benyoätz seine deutsche Sprache nennt, immer nur das Wort hat, aber „nie das Sagen“, dass sein Werk eine Erkundung des ursprünglichen Wortsinns ist, ein beeindruckendes Werk der sensiblen Sprachreflexion, des erhellenden Wortspiels, ein Werk des „Hellhörens“. Wir ehren einen Mann, bei dem, wie sich Armin A.