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300.000 Exemplaren zu einem der meistverkauften Bücher in Argentinien. Zu meinem eigenen Erstaunen schrieb ich dennoch die erste Monographie über Enrique Medina. Es war daher kein einfaches Unterfangen, im deutschsprachigen Raum einen Verlag zu überzeugen, Enrique Medina zu verlegen. Genau dieser harte Weg führte allerdings zu einem Verlag, der für einen unangenehmen Zeitgenossen nicht passender sein kénnte: DENE! Der Drava-Verlag in Celovec Enrique Medina: Der Boxer. Aus dem (manche nennen es KlagenSpanischen von Florian Müller. Klagenfurt/ Celovec: Drava 2010. 196 S. Euro 19,80/ SFr 30,50 furt) hat seine Wurzeln in der PartisanInnen-Bewegung im Widerstand gegen die Nazis und als deutsch-slowenischer Verlag ist er auch in der Gegenwart einigem Widerstand ausgesetzt. Mit der Übersetzung des „Boxers“ wagt Drava nun die dritte, erfolgversprechende Publikation eines lateinamerikanischen Autors bzw. einer lateinamerikanischen Autorin und durchbricht damit die sprachlichen Schranken der Zensur. Das Projekt ist auch ein Vermächtnis des ehemaligen Verlagsleiters Franz Marenits, der im Jänner dieses Jahres durch seinen unerwarteten Tod eine nicht zu füllende Lücke in die Reihe der mutigen Marlen Eckl „Europa im Urwald“ VerlegerInnen gerissen hat. Er hat einen mutigen Anfang gesetzt. Es bleibt zu hoffen, dass es nicht das einzige Werk Medinas in deutscher Sprache bleibt. Florian Müller, geboren 1977 in Wien, studierte Vergleichende Literaturwissenschaft in Wien, Valenciennes (Frankreich) und Buenos Aires (Argentinien) mit Forschungsschwerpunkt Argentinien, Literatur und Diktatur. Seine Diplomarbeit schrieb er über die Zensur der Werke Enrique Medinas. Seit dem engagiert er sich für die Übersetzung seiner Werke in die deutsche Sprache. Literatur: Florian Müller: Un autor inmoralmente politico: La censura de las obras del escritor argentino Enrique Medina de 1972. 1983. Diplomarbeit. Universität Wien 2008. Hernan Invernizzi, Judith Gociol: Un golpe a los libros— Represion a la cultura durante la ultima dictadura militar. EUDEBA. Buenos Aires 2002. Anmerkungen 1 Interview mit Enrique Medina vom 29.03.2007. „Crönica“ vom 8.1.1974. 2 Crönica vom 8.1.1974. 3 Clarin vom 10.1.1974. 4 7 Dias vom 21.1.1974. 5 Enrique Medina: ;Cuando termina la censura? In: ders.: Colisiones. Buenos Aires: Galerna 1984, 168. 6 Interview Mit Enrique Medina vom 29.3.2007. 7 El Mundo vom 24.1.1974 und La Naciön vom 26.1.1974. 8 Interview mit dem Autor vom 19.2.2007. 9 Resolution Nr. 276 vom 19.7.1976 der Kulturabteilung der Stadt Buenos Aires. 10 H. Invernizzi, J. Gociol: Un golpe alos libros... Buenos Aires 2002, 284. in Brasilien in den Theaterstiicken Samba und Makumba Theater ist die Welt [...]. Und die Welt gibt das Theater ab [...] Theater: die Welt? Heute mehr: Theater zum Zweck der Erhaltung der Welt. So soll, meine ich, Theater heute mehr als je zuvor Schillers Postulat von der Moralischen [sic] Anstalt erfüllen.' Mit diesen Worten erläuterte Schriftsteller Ulrich Becher 1958 seine Ansicht zur Aufgabe des Theaters. In den zu diesem Zeitpunkt bereits verfassten sieben erfolgreichen Iheaterstücken hatte er versucht, seinem eigenen Anspruch, das politische und moralische Bewusstsein des Publikums zu schärfen, gerecht zu werden. Dies war ihm nach Aussage des Dramaturgen Herbert Ihering auch gelungen. In Ulrich Bechers Stücken entlarvt sich das Milieu selbst. [...] Die Personen schleppen ihr Schicksal auf die Szene. Dort explodiert es, und die Explosionen reihen sich aneinander. Es ist die Technik der szenischen Knallfrösche. Aber Bechers Figuren bleiben trotzdem unvergeßlich. Sie entlarven, sie drängen nach vorn.° Dieser Erfolg als Dramatiker war zu Beginn von Bechers Karriere nicht abzusehen gewesen. Zunächst hatte er als einziger Meisterschüler von George Grosz zwischen Malerei und Literatur 28 — ZWISCHENWELT geschwankt, sich dann aber für das Schreiben entschieden.? Die Verbrennung seines ersten Erzählbandes Männer machen Fehler von 1932 durch die Nationalsozialisten machte Becher 1933 zum jüngsten der geächteten und verfemten Autoren des Dritten Reiches und zwang ihn, Berlin sofort zu verlassen. Er ging nach Wien, wo er 1933 Dana Roda, die Tochter des österreichischen Schriftstellers Alexander Roda Roda, ehelichte und später auch die österreichische Staatsbürgerschaft annahm. Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 gingen die beiden in die Schweiz. Obwohl die Mutter des Autors aus dem Kanton Schwyz gebürtig war, ließ die Schweizer Fremdenpolizei das Ehepaar Becher 1940 wissen, dass es seiner „Pflicht zur Weiterreise“ nachzukommen habe.* Als Teil der so genannten „Gruppe Görgen“ kamen die beiden im Mai 1941 nach Brasilien, da es nur Ulrich Becher geglückt war, ein Visum für die USA zu bekommen.’ Dem Theologen und Philosophen Hermann Görgen war es gelungen, Einreisevisa sowie Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen für eine Gruppe von insgesamt 45 Flüchtlingen der „Gruppe Görgen“ für Brasilien zu erhalten. Dabei diente das Vorhaben der Gründung einer Firma in Juiz da Fora, einer Stadt im Staat Minas Gerais, als Vorwand.° Sehr bald nach der Ankunft in Brasilien aber löste sich die Gruppe auf.