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schon am Nachmittag los. Jede Kanone bekam eine Mannschaft zur Bedienung und wurde noch von einigen Soldaten begleitet. Wir fuhren auf der Straße Richtung Rafah und bezogen versetzt hinter Sandhügeln Stellung, wobei die Straße in unserem Schlussfeld lag. Am zweiten Tag hörten wir aus der Ferne einen Kanonenschuss und Maschinengewehrfeuer. Dann erhielten wir Befehl, auf der Straße vorzurücken. Wir sahen ein ägyptisches Half-Track (Halbkettenfahrzeug), das einen Volltreffer erhalten hatte. Im verbrannten Fahrzeug lagen die Leichen von ägyptischen Soldaten, die angekettet waren und nicht aus dem Fahrzeug hatten fliehen können. Es war ein fürchterlicher Anblick, und wir schätzten uns glücklich, Soldaten einer Armee zu sein, für die so eine Maßnahme unvorstellbar war. Dann ging es bis vor Rafah, wo wir zunächst eine Stellung gerade unterhalb eines Hügels bezogen. Die Armee wurde professioneller, wir erhielten warmes Essen und Wasser, doch da sich die Küchenfahrzeuge nicht nach vorne wagten, meldeten sich Jaakov Lavie und ich freiwillig, um Essen und Wasser nach vorne zu holen. Was nicht ganz ungefährlich war. Einer der Soldaten hatte sich aus seinem Schützenloch begeben, um seine Notdurft zu verrichten und hatte ein paar Splitter in seinen Allerwertesten bekommen, Er wurde von Sanitätern abgeholt und die ganze Einheit war erheitert. Ein wenig beneideten wir ihn, denn nach ein zwei Tagen im Spital durfte er auf Urlaub nach Hause. Wir aber blieben im Sand liegen, ans Waschen oder Rasieren konnten wir nicht denken. Die ägyptische Artillerie schoss auf uns und wir fühlten uns zwischen Hammer und Amboss. Wer sich zu tief eingrub, der konnte von den Geschossen verschüttet werden, wer sich nicht tief genug eingrub, dem drohte der Tod oder die Verletzung. Wir hatten auch einige fromme Juden aus Südafrika bei uns. Als wir unter starkem Beschuss kamen, legte einer dieser Freiwilligen seine Gebetsriemen und seinen Gebetsschal an und begann stehend laut zu beten. Er wurde von den Sanitätern nach hinten gebracht. Fast jeden Tag erhielten wir die von Aba Kovner redigierte Frontzeitung, in der wir aufgerufen wurden, dem imperialistischen Feind — den Briten und ihren ägyptischen Lakaien — eine Niederlage zu bereiten. Und tatsächlich wurden dann ein paar britische Flugzeuge, die unsere Stellungen fotografierten, von unserer Luftwaffe abgeschossen. Uns wurde aber befohlen, aus diesem nördlichen Teil des Sinai abzuziehen, weil das die USA gefordert hatten. Am 1. Januar 1949 beschoss eine ägyptische Flotille Tel Aviv, wurde aber bald von unserer Luftwaffe vertrieben. Die Operation Horev führte dazu, dass Ägypten als erster arabischer Staat um einen Waffenstillstand bat, und nach dem Ausscheiden Ägyptens befürchtete Jordanien einen konzentrierten israelischen Angriff und sandte ebenfalls positive Signale. Bereits am 29. Dezember 1948 telegrafierte Alec Kirkbride, der britische Botschafter in Amman, an Außenminister Bevin: „König Abdullah soll ohne weitere Einschränkungen die besten Bedingungen mit den Juden aushandeln dürfen.“ Die Briten hatten auch keine Lust sich wegen dem Negev mit den USA zu streiten. Im Januar 1949 beschloss die britische Regierung, die in Zypern internier48 _ ZWISCHENWELT ten „illegalen“ jüdischen Einwanderer freizulassen und den jüdischen Staat anzuerkennen. Unsere Einheit erhielt den Befehl nach Beersheva zurückzukehren und uns nach einem Urlaub im Militärlager Tel Litvinsky (heute Tel Nof) zu melden. Für mich ging so der Krieg zu Ende. Im Frühjahr und Sommer 1949 schlossen alle arabischen Nachbarstaaten ein Waffenstillstandsabkommen mit Israel. Karl Pfeifer, geb. 1928 in Baden bei Wien. 1938 Flucht mit den Eltern nach Ungarn. 1943 nach Palästina; Kibbuz. 1947-49 in der Elitetruppe Palmach. 1951 Rückkehr nach Österreich. 1982-95 Redakteur der Zeitschrift der IKG „Die Gemeinde“. Korrespondent des israelischen Radios des antifaschistischen Londoner Magazins „Searchlight“ und der Budapester Wochenzeitung „Hetek“. 2003 mit der Joseph-Samuel-Bloch-Meadaille der Aktion gegen den Antisemitismus ausgezeichnet. 2008 wurde der Mary Kreutzer-Film „Zwischen allen Stühlen. Lebenswege des Journalisten Karl Pfeifer“ präsentiert. — „Im Palmach“ schlieft an die in MdZ und ZW bereits erschienenen autobiographischen Skizzen Pfeifers an: Wie aus mir kein Ungar wurde (Nr. 4/2000, 38f.); Unterwegs nach Palästina (Nr. 3/2001, 46-48); Sozialismus im Kibbuz und Antisemitismus im Antizionismus (Nr. 2/2003, 11-15); Zwiespältige Erinnerungen an Ungarn (Nr. 2-3/2006, 42-44). Anmerkungen 1 Palmach — Plugot Machaz, Kommandotruppe der Hagana, am 19.5. 1941 unter dem Eindruck des Vormarsches deutscher Truppen im nahen Ägypten mit britischer Unterstützung gegründet. Die Einheiten des Palmach wurden 1948 in die israelische Armee integriert; der Stab des Palmach wurde am 7. November 1948 aufgelöst. 2 United Nations Security Council Official Records, S/Agenda/58, 16 April 1948, 19. 3 New York Times, 9, September 1947, p. 2. 4 Benny Morris: 1948. A History of the First Arab-Israeli War. New Haven 2008, p. 232. 5 www.jungle-world.com/artikel/2009/48/39846.html — www.nwnews.de/lokale_news/bielefeld/bielefeld/3266639_holocaust-ueberlebender_in_bielefeld_ausgeladen.html — www.haaretz.com/print-edition/ opinion/the-crime-of-being-a-zionist-1.3321 — www.fr.jpost.com/servlet/Satellite? pagename=JPost/JPArticle/ShowFull&cid=1259010983725 6 Klaus Gensicke: Der Mufti von Jerusalem und die Nationalsozialisten. Eine politische Biographie Amin el-Husseinis. Darmstadt 2007. 7 Klaus-Michael Mallman, Martin Cüppers (Hg.): Halbmond und Hakenkreuz. Das Dritte Reich, die Araber und Palästina. Darmstadt 2006, S. 240.