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REZENSIONEN Alexander Emanuely Unsere Bausteine... Im Jahr 2009 erschien ein Buch im Löcker Verlag, welches für die Exilforschung von einigem Interesse sein wird. Der Autor dieses Buches ist Günter K. Kodek, pensionierter Buchbinder und -drucker, engagierter Vizepräsident des Wiener Roten Kreuzes und Autor diverser Wienführer. Das Buch heißt „Unsere Bausteine sind die Menschen. Die Mitglieder der Wiener Freimaurer Logen 1869-1938“ und beinhaltet eine Liste von ca. 5.300 Wiener Freimaurern mit dazugehörigen Kurzbiographien. Doch was wie ein namedropping aussieht, ist nicht nur für Biographen ein unglaubliches Quellenmaterial. Freimaurer? Das klingt nach geheimen Machenschaften, zumindest fiir viele Menschen in Landern wie Osterreich, wo allzu lange Zeit die katholische Kirche und autoritäre bis totalitäre Regime alle möglichen Vorurteile und Ressentiments gegen Freimauer und Freimaurerinnen in die Welt setzen konnten. Wohl gemerkt Freimaurerinnen, denn obwohl immer von einem Männerbund gesprochen wird, gibt es in Österreich seit den 1920er Jahren, mit der Unterbrechung von 1938 bis 1945, auch solche. Diese Frauen hätte Günter K. Kodek auch gerne in seine Namensliste aufgenommen, doch hatte er nicht, wie in der Einleitung zu lesen ist, die Mitgliedernamen der aus Frauen und Männer zusammengesetzten Wiener Logen „Vertrauen“ und „Harmonie“ des „Droit Humain“. Hier seien nur einige erwähnt: Mary Dickenson-Auer, irische Komponistin und Geigenvirtuosin, die auch während der Nazizeit in Wien lebte, jedoch Berufsverbot hatte; Paul Pisk, Schüler Arnold Schönbergs, Musikkritiker der ArbeiterZeitung, Komponist, floh in die USA, wo eran mehreren Universitäten unterrichtete; Johanna Kampmann-Freund, die erste Malerin, die 1927 einen Staatspreis erhielt, wurde 1939 mit Berufsverbot belegt und starb 1940 in Wien.? Diese Lücken werden sich sicher mit der Zeit schließen, sie zeigen jedoch gut auf, wie viel zum Thema Freimaurerei in Österreich noch zu erforschen ist, insbesondere seit der Öffnung der Moskauer Archive in den 1990er Jahren, wo viele der von der Gestapo konfiszierten Logen-Archive nach 1945 gelandet sind. Kodek ist sich dessen bewusst und weist in seiner Einleitung darauf hin. 50 ZWISCHENWELT Exil und Verfolgung Viele Wiener Freimaurer emigrierten nach dem März 1938, jene, die es nicht schafften, wurden großteils spätestens bis 1942 in den Vernichtungslagern und den Ghettos im Osten ermordet, doch meistens führten die Iransporte zuerst nach 'Iheresienstadt. Vielleicht haben die vielen Freimaurer in Theresienstadt so wie jene sieben belgischen Freimaurer und Widerstandskämpfer 1943 im KZ Esterwegen eine Loge gegründet. Von jener im KZ Esterwegen, welche „Liberte cherie“ hieß, haben zwei Mitglieder überlebt und konnten Zeugnis ablegen. Das KZ Theresienstadt und die Folgestationen der Vernichtung hat kaum einer der deportierten Wiener Freimaurer überlebt, jedenfalls keiner, der Ähnliches berichten konnte.’ Jene, die es in ein sicheres Exil schafften, etwa Großbritannien oder USA, gründeten Nleißig wieder Logen, in enger Zusammenarbeit mit den dort bestehenden. Die der Österreicher in London hieß zuerst als Arbeitsgruppe „Mozart-Circle“, dann „Mozart-Lodge No. 6997“, und die in New York „Humanitas Lodge No. 1123“. Es gab auch in Buenos Aires eine Loge, die in Kodeks Buch immer wieder erwähnt wird, sie hieß „Humanitas No. 387“, und der Schriftsteller, Pazifist und Dramaturg Heinrich Glücksmann war eines ihrer Mitglieder. Bei ihm kann man die Mitgliedschaft sogar im mittlerweile vergriffenen Lexikon der österreichischen Exilliteratur‘ nachlesen, da erfährt man, dass er Redakteur der freimaurerischen Zeitschriften „Der Zirkel“ und „Wiener Freimaurer-Zeitung“ war und „1941 [...] seinem Sohn Hans ins Exil nach Argentinien, wo er Kontakt zur Freien Deutschen Bühne und zu den Freimaurern hatte“, gefolgt war. Man schätzt, dass 1938 70 bis 80% der Wiener Freimaurer durch die antisemitischen Gesetze der Nazis bedroht waren. Das war kein Zufall, da die Großloge von Wien, ihre Logen und die von ihnen unterstützten Vereine bis zum „Anschluss“ wohl die letzten überparteilichen Organisationsstrukturen in Österreich waren, die weder einen offiziellen, noch einen inoffiziellen Arierparagraphen kannten. Die ermordeten und vertriebenen Wiener Freimaurer wurden in erster Linie als Juden verfolgt. Einzig exponierte Freimaurer, wie der Großmeister Richard Schlesinger, einst Richter am Obersten Gerichtshof, am 5. Juni 1938 an den Folgen der Haft verstorben, und etliche Logenbeamte, also sozusagen die „Vorstandsmitglieder“ der einzelnen Logen, wurden in den Monaten nach dem Anschluss dezidiert als solche verhaftet. Die Freimaurerei und ihre Logen waren für die Nazis neben den „Juden“ und den „Bolschewisten“ Feindbild Nr.1. Natürlich verhielt es sich umgekehrt nicht anders; die meisten Wiener Freimaurer waren entschiedene Gegner des Nationalsozialismus. Man wirft der Freimaurerei Geheimnistuerei vor, diese wurde sicherlich in dieser Zeit und während der Verfolgungen in den Jahrzehnten und Jahrhunderten zuvor gestärkt, es galt und gilt sich zu schützen, denn auch im Jahre 2010 wird man als Freimaurer z.B. in Saudi-Arabien oder im Iran, wo es bis 1979 eine lange masonische (vom engl. „mason“: Maurer) Tradition gab, zum Tode verurteilt. Zumindest haben katholische Mitglieder einer Loge seit 1983 keine Exkommunikation mehr zu befürchten, sondern nur noch eine moralische Verurteilung. Die Freimaurer der Ersten Republik Das zivilgesellschaftliche Leben im Wien der Ersten Republik war vielfach mit den Freimaurern verbunden, was mit der besonderen Geschichte der österreichischen Freimaurerei zu tun hat. 1869 wurden Freimauerlogen — nach einem ersten Verbot und einer brutalen Verfolgung ab 1794 — wieder erlaubt. In ihnen trafen sich nun progressiv Gesinnte im Zeichen von Aufklärung und Fortschritt. Anders als in der ungarischen Reichshälfte sah das Vereinsgesetz in der österreichischen Hälfte der Monarchie jedoch vor, dass Vereinsversammlungen jederzeit von Polizeibeamten inspiziert werden konnten, was für eine Loge mit ihren nur Eingeweihten bekannt sein sollenden Codes und Ritualen kaum akzeptabel war. So trafen sich die Wiener Freimaurer im nahen Bratislava oder im heute burgenländischen Neudérfl. Solche Logen, von denen es 19 gab, nannten sich Grenzlogen. Die Abende waren so organisiert, dass man mit der letzten Bahn nach Wien zurück gelangen konnte. Mit der Ersten Republik fielen diese Einschränkungen weg, und 1918 wurde in Wien eine Großloge, der sich alle Wiener Grenzlogen anschlossen, gegründet. Der sozialdemokratische Staatssekretär Ferdinand Hanusch, Begründer der österreichischen Sozialgesetzgebung und seit 1908 Mitglied der Grenzloge „Lessing zu den drei Ringen“, hatte sich persönlich um eine schnelle Gesetzesänderung