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sie eine Filiale des Verlags. Nicht leichte Ehejahre sollten folgen — zu gegensätzlich waren ihre Charaktere und Temperamente. Diesen Lebensstoff gestaltet die Erzählung Fr und ich literarisch. Viel Lebenskraft benötigt sie nach der Geburt von zwei schwer behinderten Kindern: ihr Sohn stirbt einjährig und ihre Tochter betreut sie bis an ihr Lebensende. Neben ihrem Schreiben, dem für sie schönsten Handwerk der Welt, ihrer Arbeit beim Einaudi-Verlag, ihrem Leben in einem großen Familien- und Freundeskreis zählt ihr politisches Engagement zu den Konstanten in ihrem Leben. 1983 wird sie als unabhängige Linke der KPI ins Parlament gewählt und setzt sich für „soziale Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit der Absichten, öffentliche Moral, Zivilcourage, Verteidigung der Rechte des Schwächeren gegen den Stärkeren“ ein. Natalia setzt sich wie mit allem, was ihr wichtig erscheint, auch mit der Frauenfrage auseinander. Nicht zuletzt aufgrund ihrer politischen Haltung und Überzeugung ist es für sie selbstverständlich, jede Art von Unfreiheit und Unterdrückung gemeinsam mit Männern zu bekämpfen. Für sie gilt die diversitä von Mann und Frau gleich dem wie „zwischen Sonne und Mond“. Zu ihren obersten Prinzipien gehört die Solidarität mit den Erniedrigten und Schwachen der Gesellschaft. Das Leben hat sie gelehrt, welches Problem den meisten Frauen gemeinsam ist: Die Neigung, in die Tiefe des Leidens und der Schwermut zu fallen, in einen Brunnen, vor dem Männer gefeit sind, sei es aus stärkerer physischer und psychischer Kraft, sei es aus der Tendenz, weniger über innerseelische Probleme nachzudenken, oder einfach dem Mehr an Freiheit, das ihnen von klein aufin der Gesellschaft zugestanden wird. Für jeden Menschen fordert Natalia ein Recht auf Freiheit ein. In ihrem Aufsatz Über die Frauen, das ihr Buch Das imaginäre Leben beschließt, schreibt sie: Die Frauen sind ein vom Unheil verfolgtes, unglückliches Geschlecht mit vielen Jahrhunderten der Sklaverei auf den Schultern, und was sie „Der letzte Jude von Drohobytsch“ Paul Rosdys Film über und mit Alfred Schreyer wurde am 28.10. 2011 bei der Viennale uraufgeführt und kommt ab 9. März 2012 in die Kinos. Alfred Schreyer war in den 1930er Jahren ein Schüler des polnischen Schriftstellers und Malers Bruno Schulz. Den Zweiten Weltkrieg überlebte er in Zwangsarbeitslagern und KZs. Nach dem Krieg kehrte er alleine zurück nach Drohobytsch und wurde Sänger und Violinist im örtlichen Kinofoyer-Orchester — eine bis 1963 bestehende, wahrhaft einzigartige Sowjet-Iradition in der Kinokulturgeschichte. Heute ist Alfred Schreyer lebende Geschichte, erzählt von einem Jahrhundert voller Tragik und Lebensmut in Drohobytsch. Paul Rosdy drehte u.a. die Filme „Zuflucht in Shanghai“ (1998), „Neue Welt“ (2005). Für den Exil in Shanghai-Schwerpunkt der ZW schrieb er 2001 den Aufsatz über die Filmemacher Charles Bliss (Karl Blitz) und Luise und Jakob Fleck. Natalia Ginzburg tun müssen, ist, sich mit Klauen und Zähnen vor ihrer ungesunden Gewohnheit zu verteidigen, ab und zu in den Brunnen zu fallen, weil ein freies Wesen fast nie in den Brunnen fallt und nicht so unterbrochen an sich selbst denkt, sondern sich mit all den wichtigen und ernsthaften Dingen beschäftigt, die es auf der Welt gibt, und sich nur mit sich selbst beschäftigt, um sich zu bemühen, jeden Tag freier zu sein. Es auch so zu machen, muß ich selbst als erste lernen, weil ich sonst gewiß nichts Ernsthaftes zustande bringen werde und die Welt nie gut vorangehen wird, solange sie von so vielen unfreien Wesen bevölkert ist. Literatur Deutsche Übersetzungen von Natalia Ginzburg: Winter in den Abruzzen (Berlin 1988); Familienlexikon (Berlin 2007); Das imaginäre Leben (Berlin 2001). Maja Pflug: Natalia Ginzburg. Eine Biographie. Berlin 2011 „Es fällt schwer, von sich selbst zu sprechen, aber es ist schön.“, Natalia Ginzburgs Leben in Selbstzeugnissen, zusammengestellt von Maja Pflug. Berlin 2001. Der letzte Jude von Drohobytsch Pa ZT Cente La