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Nach Hitlers Machtergreifung 1933 organisierte Feldhammer zusammen mit seinem Kollegen Hans Norden in Wien eine Theatergruppe für deutsch-jüdische Schauspieler, die aus Deutschland hatten fliehen müssen, nachdem sie nicht mehr am Theater arbeiten durften. Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 blieb er in seiner geliebten Stadt. Er ging davon aus, dass die Normalität bald wieder hergestellt sein würde. Als sich diese Hoffnungen zerschlugen, entschloss er sich, Max Reinhardts und Otto Premingers Angebot, ihnen in die USA zu folgen, anzunehmen. Am 15. Mai 1939 kam er auf dem Weg in die Staaten nach Mailand in Italien. Leider hatte er seine Flucht in die Freiheit allzu lange aufgeschoben. Die Faschisten holten ihn dort ein, nahmen ihn am 20. Juli 1940 fest und internierten ihn im Lager Urbisaglia in der Provinz Macerata. Am 12. Mai 1944 lieferten die italienischen Behörden ihn im Durchgangslager Fossoli den Deutschen aus. Von hier aus wurde er nach Auschwitz deportiert. Die Nazis dokumentierten seine Ankunft in dem Todeslager am 16. Mai, seinem 62. Geburtstag. Er starb innerhalb einer Woche, am 23. Mai. In jenen schrecklichen Jahren in Gefangenschaft, versuchte er — Optimist, der er war — sich damit zu trösten, dass seine Einkerkerung auch eine positive Seite hätte: Er hatte endlich Zeit, die Geschichte seines Bühnenlebens niederzuschreiben. Am 28. April 1944 enden seine Erinnerungen mit dem Eintrag, dass er sich im Krankenhaus des italienischen Städtchens Calderola befinde und einen Bescheid über sein weiteres Schicksal abwarte. Es ist immer noch ein Geheimnis, wie es ihm gelungen ist, seine Notizbücher zu seiner Frau nach Wien zu schmuggeln, die diese an seinen Neffen (den Sohn seiner älteren Schwester Anna Feldhammer-Hoesch) weiterleitete, als der Krieg 1945 vorüber war. Feldhammer wünschte sich schnlichst, dass seine Erinnerungen nach Ende des Kriegs veröffentlicht würden, aber er war realistisch genug zu wissen, dass er dann vielleicht nicht mehr leben würde. Daher beschrieb er bis ins kleinste Detail die Gestaltung des geplanten Buches und bat darum, dass eine Fotografie von ihm in seiner berühmten Rolle als Hamlet den Umschlag zieren sollte. In seinen Text sind zahlreiche Zitate aus seinen Lieblingsrollen eingestreut, die er gut im Gedächtnis hatte. Er bedauert, dass er keinen Zugang zu seiner Privatbibliothek habe, und bittet daher einen künftigen Herausgeber, die Zitate, wo erforderlich, zu ergänzen. Statt das gesamte Manuskript zu veröffentlichen, habe ich mich dafür entschieden, hier nur das letzte Kapitel seiner Erinnerungen zu publizieren, nämlich die Seiten, die er seinem erzwungenen Aufenthalt in Italien gewidmet hat. Damit möchte ich den falschen Eindruck korrigieren, den der einzige Überlebende aus dieser Gefangenengruppe, Dr. Paul Pollak, vor dem Krieg und auch in den Jahren unmittelbar danach Polizeiarzt in Wien, geschaffen hat. Feldhammer beschreibt ihn in dieser Eigenschaft. Es kann also keinen Zweifel daran geben, dass es sich hier um ein und dieselbe Person handelt. Da Feldhammer sich aber große Sorgen um das Anschen der Familie dieses Arztes machte, gab er ihm den Namen „Dr. Slovak“. Feldhammer gab auch etwas beschämt zu, dass er sich durch das Auftreten dieses Doktors hat täuschen lassen. Er hielt ihn neben dem österreichisch-ungarischen Schriftsteller und Übersetzer Maurus-Moritz Mezei 20 ZWISCHENWELT die gesamte Zeit der Gefangenschaft hindurch für einen seiner besten Freunde, und zwar bis ganz zum Ende, obwohl andere Mitglieder der Gruppe dessen Aktivitäten schr viel früher durchschaut hatten. Dr. Pollaks Version dieser Zeit erschien als eigenes Kapitel in dem Buch „Österreichisches Exil in Italien 1938-1945“, herausgegeben von Christina Köstner und Klaus Voigt 2009 im Wiener Mandelbaum Verlag. Dort zeichnet er ein völlig anderes Bild ihres Lebens in der Gefangenschaft. Wiederholt betont er seine Besorgtheit um die Mitgefangenen und die medizinische Hilfe, die er ihnen leistete. Aber es scheint, dass er seine wirkliche Rolle verharmlost hat und er nicht erwartete, dass sie jemals in Frage gestellt werden könnte, da es in der Gruppe sonst keine Überlebenden gab. Als Jakob Feldhammers Großnichte (Enkelin seiner jüngsten Schwester Rosa) bin jetzt ich im Besitz seiner Erinnerungen und betrachte mich als Sachwalterin seines Letzten Willens und Testaments, nämlich der Publikation seines Buches. Meine Nachforschungen haben mich, unter vielen anderen Quellen, in das Zentralarchiv in Rom ebenso wie in das Archiv von Macerata geführt, wo ich über 70 Dokumente entdeckte (einige davon Kopien derselben Papiere), die sich auf Feldhammers Gefangenschaft beziehen; sie alle bestätigen und verifizieren seine Beschreibung des Lebens unter faschistischer Herrschaft. Einige der berührenderen und signifikanteren möchte ich gern hier vorstellen: Der allererste Brief datiert vom 14. November 1939 und wurde von seiner Mailänder Adresse aus geschrieben, Via Ghiberti 26. Darin bittet er das Innenministerium in Rom, seine Aufenthaltsbewilligung in Italien zu verlängern, „bis ich zwei Briefe erhalten habe, einen von meinem Bruder Adolf in Kalifornien und den anderen von dem bekannten Theaterregisseur Max Reinhardt. Diese werden beweisen, dass ich in der Lage bin, mich finanziell selbst zu erhalten, bis ich die Erlaubnis bekomme, Italien zu verlassen. ... Meine Dokumente sind in bester Ordnung und befinden sich beim Generalkonsulat in Neapel.“ Feldhammer versuchte, Italien zu verlassen, ehe sein österreichischer Pass (Nr. 91530) am 10. Februar 1940 auslief, jedoch vergeblich. Er wurde im Mai desselben Jahres festgenommen und binnen weniger Wochen ins Gefängnis gesperrt, wie einem Brief der Präfektur von Macerata an das Innenministerium in Rom zu entnehmen ist: „Jakob Feldhammer ist am 25. Juli 1940 im Konzentrationslager Urbisaglia eingetroffen.“ Das Dossier Feldhammers lässt erkennen, dass die Italiener, die für die Gefangenen zuständig waren, neben ihrer Aufgabe, die unglücklichen Flüchtlinge hinter Schloss und Riegel zu halten, sich mit außerordentlich trivialen Angelegenheiten zu beschäftigen hatten. Ein Briefwechsel zwischen verschiedenen Behörden, darunter dem Kulturministerium in Rom, zeigt, dass eine der „extrem wichtigen“ Sachen in ihrer Zuständigkeit die Frage war, ob es Feldhammer gestattet sein dürfe, zwei englische Bücher zu behalten, eines davon der Thriller ,,Scarlet Pimpernel“ von Baroness Orczy. Nach ausgedehnter Korrespondenz wird schließlich am 5. September 1940 die Erlaubnis erteilt: „Es wird Jakob Feldlhammer genehmigt, besagte englischen Bücher, eines davon ein Thriller, in seinem Besitz zu behalten.“ Ab September 1942 bestatigen mehrere Dokumente, dass Feldhammer gelegentlich zum Distriktsarzt geschickt wurde, um seinen Gesundheitszustand untersuchen zu lassen. Sein Antrag