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auf freie Internierung auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse wurde jedoch abgelehnt. Es ist vielleicht erwähnenswert, dass alle Briefe Feldhammers in dieser Akte, darunter einige inhaltlich sehr anspruchsvolle, in seiner eigenen Handschrift in perfektem Italienisch verfasst sind. Seinen eigenen Aussagen zufolge hatte er diese Sprache auf seinen wiederholten Reisen nach Italien über 30 Jahre hinweg gelernt. Einer der Briefe zu Feldhammers Gesundheitszustand, ohne Datum, ist von Dr. Paulo Pollak unterschrieben und es wird darin erklärt: „Feldhammer leidet an Schlaflosigkeit, Nervenschwäche und Überempfindlichkeit. Daher mag er für das Leben im Lager nicht geeignet sein.“ Die Ironie ist deutlich, selbst in der Übersetzung. In einem Brief des Distriktsarztes Dr. Gaetano Pezella vom 13. Mai 1943 heißt es: ,,Feldhammer ist in hinreichend guter physischer Verfassung, im Lager zu bleiben“, und so war sein Schicksal besiegelt. In einem letzten Versuch, zumindest teilweise seine Freiheit wiederzuerlangen, wandte sich Feldhammer an einen hochrangigen Vertreter des Vatikan, den Apostolischen Nuntius Monsignore Borgoncini Duca, der das Lager offenbar besucht hatte: „9. Juni 1943 ... Ich bin mein ganzes Leben lang Theaterkiinstler gewesen und habe mich als solcher niemals mit Politik befasst ... Als ehemaliger Offizier der österreichischen Kaiserlichen Armee, der im Großen Krieg gekämpft hat und dem ein Orden für Tapferkeit vor dem Feind verliehen worden ist, weiß ich um die Bedeutung von Disziplin, und darum ist mein Verhalten im Lager auch stets exemplarisch gewesen ... Ich habe einen Ehrenplatz in einer Reihe von deutschen Theatern und bin in dieser Welt immer hoch geschätzt worden und war anerkannt, nahezu so sehr wie mein verstorbener italienischer Freund und Kollege Alexander Moissi.“ Das letzte Dokument in Feldhammers Akte, datiert am 12. Mai 1944, ist in der Iat herzzerreißend in seiner kalten Formalität: Dies ist die Kopie eines Dokuments aus Macerata, geschrieben am 3. Mai 1944. Es enthält die Namen der Gefangenen, die auf Anordnung der deutschen SS nach Carpi bei Modena überführt wurden. Es stellt fest, dass Jakob Feldhammer Mitglied einer Gruppe Internierter ist, die den Deutschen übergeben worden sind. Es stellt fernerhin fest, dass Feldhammer ursprünglich Österreicher ist, 66 Jahre alt (in Wirklichkeit war er erst 62), und dass er aus Calderola geschickt worden war. Die folgenden Seiten wurden sorgfältig aus den Erinnerungen transkribiert und enthalten, was er als „eine kurze Version des Lebens in Gefangenschaft“ bezeichnete, die er weiter auszuarbeiten hoffte, wenn er überlebt hätte; doch dies war leider nicht der Fall. Wer „Onkel Fred“ war, an den Jakob Feldhammer sich wendet, wird noch herauszufinden sein. Aus dem Englischen von Robert Fallenstein Meira Shacham, geb. in Jerusalem, studierte englische Literatur und Politikwissenschaft an der Universität Haifa, war Sprecherin für das Technion (Israel Institut für Technologie) in Haifa, Nachrichtenredakteurin beim israelischen Rundfunk, und machte daneben den M.A. in englischer Literatur und den M.A. in hebräischer und Vergleichenderliteraturwissenschaft, spezialisiert auf kreatives Schreiben. Seit 2010 ist sie Research Fellow am Bucerius Institute for Research in Contemporary German History and Society in Haifa. Jakob Feldhammer als König Lear. Foto: Archiv M. Shacham. Jänner 2012 21