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Wien vor allem gegen jüdische und nicht deutsch-nationale Stu¬
dierende.”*

In einer Stellungnahme des Rektors zur Aufhebung der Stu¬
dentenordnung hieß es indes:

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Juni 1931,
die jedermann als bindend anerkennen muß, hat die Studenten¬
ordnung der Wiener Universität aus formal-juristischen Gründen
aufgehoben, jedoch gleichzeitig anerkannt, daß der volksbürgerliche
Grundsatz des Zusammenschlusses weder gegen die Verfassung noch
sonst gegen ein Gesetz verstößt. Die Rektoren der Wiener Hochschulen
werden die Deutsche Studentenschaft in allen Bemühungen unter¬
stützen, ihren Zusammenschluß auf neuer rechtlicher Grundlage
zu erhalten.?’

Die Ausschreitungen führten schließlich zur mehrtägigen Schlie¬
ßung der Universität Wien und der anderen Wiener Hochschulen,
die Krawalle gingen aber weiter.

Die akademischen Behörden und der Rektor versuchten nach
der Aufhebung der Gleispach’schen Studentenordnung durch
den Verfassungsgerichtshofes auf anderen Wegen zur Wiederin¬
standsetzung zu gelangen. Im darauffolgenden Wintersemester
fand am 16. November 1931 im Rektorat der Universitat Wien
ein Treffen der Rektoren aller Wiener Hochschulen statt, auf
dem neuerlich ein Beschluss betreffend der Bildung von Stu¬
dentenschaften auf volksbürgerlicher Grundlage gefasst wurde.”
Dieser neuerliche Beschluss stützte sich auf einer Erklärung des
Unterrichtsministers Czermak (1885 — 1965), „...in der er sich
ebenfalls für die Bildung von Studentenschaften im Sinne der
aufgehobenen Studentenordnung“ aussprach.”

Doch der von Czermak eingebrachte Gesetzesentwurf wurde
nie vom Parlament beschlossen.

Die Übergriffe auf sozialistische und jüdische StudentInnen
setzten sich dennoch fort und erreichten Anfang des Jahres 1932
einen neuerlichen Höhepunkt.“ Oskar Maria Grafs Einführung
von Fritz Brügel bei einer Dichterlesung in Brünn am 20. Februar
1937 vorwegnehmend, der über die Aufgaben von Dichtern in
dieser Zeit meinte: „Nur der Dichter, und keiner sonst kann uns
aus dem starren Schweigen erlösen! Wir brauchen ihn heute mehr
denn je““', schickte Fritz Brügel wenige Tage nach dem Beschluss
des Rektorentreffens betreffend der Bildung von Studentenschaften
auf volksbürgerlicher Grundlage, am 21. November 1931 seine
Verzichtserklärung auf den Doktortitel an die Universität Wien.

Vermutlich war er Zeuge der Krawalle rund um die Universität,
in deren unmittelbarer Nähe sich zum damaligen Zeitpunkt noch
die Arbeiterkammer Wien, in der Ebendorferstraße 7, Wien 1,
befand, mit Sicherheit hat er aber auch die Entscheidung des Ver¬
fassungsgerichtshofes und die Stellungnahmen und Reaktionen der
akademischen Behörden und des Rektors verfolgt. Daneben hat
sich Fritz Brügel als Bibliothekar, Schriftsteller, Literaturkritiker
und vor allem aber auch als Wissenschafter mit den für ihn Besorg¬
nis erregenden Entwicklungen seiner Studienrichtung beschäftigt.
So hat er sich im Laufe des Jahres 1931 auch intensiv mit der
„Literaturgeschichte der deutschen Stämme und Landschaften“
(erschienen zwischen 1912 und 1928) des deutschnationalen
Germanisten und Literaturhistorikers Josef Nadler (1884 — 1963)
auseinander gesetzt, der die deutsche Literatur vornehmlich un¬
ter völkischen Aspekten zu interpretieren versuchte und damit
„... den Rassebegriff in der Literaturwissenschaft schon vor dem
endgültigen Sieg der Nationalsozialisten salonfähig machte“ .“?

Nadler wurde 1930 von der Universität Königsberg (Preußen)
als Nachfolger des deutschen Germanisten und Literaturhistorikers

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Paul Kluckhohn (1886 - 1957) an die Universität Wien berufen.*
Nadlers Berufung an die Universität Wien dürfte Fritz Brügel
veranlasst haben, sich sowohl aus politisch-ideologischen, aber
auch aus wissenschaftlich-methodischen Gründen näher mit dessen
1928 abgeschlossener und 1929 in zweiter Auflage erschienener
vierbändigen „Literaturgeschichte der deutschen Stämme und
Landschaften“ kritisch auseinanderzusetzen und analysierte das
ideologische Substrat dieses Zugangs zur Literaturgeschichte als
Beitrag zur Verbreitung rassistischen Gedankenguts.

“Mit dem Beitrag der Universitäten zur Verbreitung von fa¬
schistischen und nationalsozialistischen Ideen setzte sich Fritz
Brügel Jahren schon Ende der 1920er Jahre auseinander. 1928
schrieb er in Anspielung auf das faschistische Italien und den
Beitrag der Universitäten:

Je länger die faschistische Diktatur währen darf, desto leichter fällt
es deutschen Universitätsprofessoren, Bücherherausgebern und sons¬
tigen Professionslobhudlern, die Wahrheit in Lüge zu verwandeln.“

Im Oktober 1931, also etwa einen Monat vor der Rücksendung
seines Doktordiploms, veröffentlichte Brügel in der „Sozialistisch¬
Akademischen Rundschau“, den namentlich gekennzeichneten
Beitrag „Das geistige Antlitz des Nationalsozialismus an den Hoch¬
schulen“ (siehe Anhang), der schon von seiner Empörung und
Aufregung über die antisemitischen Auswüchse an der Wiener
Universität zeugt:

Diese Unwissenschaftlichkeit des nationalsozialistischen Geistes¬
lebens ist eben unter den geistigen Arbeitern eine beschimende Tat¬
sache, die durch Prügeleien nicht aus der Welt geschafft wird; sie ist
‚psychologisch leicht zu erklären. Die nationalsozialistische Agitation
stellt vor den Marxismus für ihre Anhänger die Warnungstafel des
Antisemitismus und den Größenwahnsinn einer Rassenkunde auf,
die vielleicht in der Politik, aber nie in der Biologie etwas bedeuten
kann.“

Seinen Kampf gegen den Antisemitismus in der österreichischen
Bevölkerung und im Besonderen an den Universitäten, setzte er
auch nach dem Verzicht auf sein Doktorat fort. In dem 1933 in
der Arbeiter-Zeitung erschienenen Artikel „Vom Schuppentier zum
Nazi“, in dem er auf die Herkunft der „Nazi-Rassenwissenschaft“
eingeht, schließt er ebenfalls mit moralischen Angriffen auf die
Universitäten:

Und dieser Art von Wissenschaft machen die Universitäten die
Mauer! |...] Im stillen Kämmerlein weiß der Biologe, daß das Ge¬
rede von der Nazi-Rassenwissenschaft Schwindel ist, in der Aula
aber schweigt er, denn ein Nazi-Radau im Hörsaal könnte ihm die
Laufbahn verderben. Männerstolz vor Nazi-Wissenschaft.”

Wie und ob Fritz Brügels Protestaktion in der Öffentlichkeit
wahrgenommen wurde, konnte nicht eruiert werden. Auch nicht
wie etwa KollegInnen innerhalb der Sozialdemokratischen Partei,
der Freien Gewerkschaften oder in der Arbeiterkammer Wien, wo
es ja eine Reihe von Akademikerinnen und Akademikern gab, wie
etwa die erste Leiterin der AK Frauenabteilung, Käthe Leichter
(1895 — 1942), oder Benedikt Kautsky (1894 — 1960) auf diese
Protestreaktion reagiert haben, konnte nicht eruiert werden. Eine
kurze Notiz findet sich der in der „Sozialistisch-Akademischen
Rundschau“ vom Dezember 1931, in der Brügels Brief abgedruckt
wird und es abschließend heißt:

Wir begrüßen diesen Schritt des Genossen Brügel, dem allerdings
aus Berufsrücksichten nur wenige sich anschließen werden können.
Wir wollen aber auch mit allen Kräften darum kämpfen, daß die
Hochschulen jene sittliche Höhe wiedererlangen, die sie 1848 in¬
nehatten.“®