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ihre Diplome nicht anerkannte, da ein diesbezügliches Abkommen bis heute nicht existiert. In einigen Fällen wurde dieses Manko mit der Unterschrift eines argentinischen Architekten oder des technischen Leiters der den Bau ausführenden Firma umgangen. Die deutschsprachigen Emigranten hatten kaum Kontakt zur argentinischen Bevölkerung, die sie „die Hiesigen“ nannten. Ausnahmen bildeten Walter Loos und seine Frau, die Modedesignerin Friedl Loos, die ein intensives Gesellschaftsleben führten und Kontakte zu argentinischen Intellektuellen pflegten. Die in Buenos Aires erscheinende Zeitschrift „Nuestra Arquitectura“ zeigte bereits im März 1934 auf fünf Seiten das Haus Luser in Kritzendorf, nach den Plänen von Walter Loos errichtet, und bezeichnet ihn als einen der „großen Versprechen der österreichischen Architektur von heute“. Zu dieser Zeit war Walter Loos auch in Österreich noch nicht sehr bekannt. Sechs Jahre später kam Loos nach Buenos Aires und blieb dort bis zu seinen Tod. 3. Österreichisch Architekten in Argentinien Walter Loos 1905 in Wien geboren, studierte er an der Kunstgewerbeschule 1921-23 bei Carl Witzmann, Franz Cizek und Rudolf Larisch. 1923-27 besuchte er Fachklassen für Architektur bei Josef Frank und Josef Hoffmann und war 1926-27 außerordentlicher Hörer an der Technischen Hochschule Wien. Als Student arbeitete er 1925 einige Monate in der Werkstatt von Adolf Loos (die zufällige Namensgleichheit bedeutet keine Verwandtschaft), der gerade mit dem Bau des Hauses Tristan Tzaras in Paris beschäftigt war. 192633 betätigte er sich als freischaffender Architekt in Düsseldorf, Würzburg und Frankfurt am Main. In diesen Jahren pendelte er zwischen Deutschland und Österreich. 1930-32 arbeitete er an der Werkbundsiedlung am „Roten Berg“ mit; er entwarf zwei kleine Wohnungen als Doppelhaus mit hohem Wohnkomfort. Zur selben Zeit realisierte er das Haus Luser in Kritzendorf, das für Roland Rainer das „zweitschönste Haus Österreichs“ war und ihm, wie oben erwähnt, in Argentinien 1934 eine gewisse Bekanntheit bescherte. Danach realisierte er das Haus für den Komponisten Zemlinsky in Wien-Döbling und erhielt dafür den Preis der Triennale in Mailand - ein würfelförmiger Bau inmitten gründerzeitlicher Villen. Nach der Machtübernahme der Nazis in Deutschland kehrte er 1933 nach Wien zurück. 1935, als Walter Loos schon lange wieder in Wien war, wurden im Deutschen Reich die Flachdachkuben in Giebelhäuser mit steilem Satteldach geändert. Das Flachdach galt den Nazis als „kulturbolschewistisch“, der Architekt Walter Loos ebenso. Freie Grundrisse, Flachdächer, Fensterbänder und weiße, glatte Fassaden charakterisieren seine Zugehörigkeit zur damaligen Avantgarde. So wurde etwa ein Entwurfals „zu glatt und modern“ abgewiesen. Walter Loos entwickelte eine spezifische Sensibilität für das landschaftliche Ambiente, seine Bauten konnten die Reize der Umgebung einbeziehen und schr oft das Innere mit dem Äußeren in Einklang bringen. 1938 lehnte er die Berufung zum Leiter der Wiener Stadtplanung unter dem Naziregime ab und emigrierte nach Holland, später nach London, wo sich für Walter eine Zusammenarbeit mit dem Architekten Korn von der Gruppe Maxwell Fry, Chermaieff und York ergab und er Elfriede Steiniger, die bekannte Modedesignerin, wieder traf. Elfriede, genannt Friedl, führte in Wien zusammen mit einer Teilhaberin den Modesalon „Huechmann und Steininger“. Zu ihren internationalen Kundinnen zählten beispielsweise Hedy Lamar. 1939 beabsichtigten Walter und Friedl, zusammen in die USA zu emigrieren. Mit österreichischem Pass galten sie als Deutsche und erhielten nur ein Besuchervisum für New York. Die Einreise wurde ihnen verweigert und sie wurden 15 Tage auf Ellis Island interniert. Dank einer Kaution, die frühere jüdische Kunden Walters erlegten, kamen sie auf freien Fuß. Walter Loos beteiligte sich an der Ausstellung des Contemporary American Design im Metropolitan Museum mit von ihm entworfenen Möbeln und anderen Designobjekten. Hierfür wurde ihm der erste Preis in der Plastic Competition für Gegenstände aus diesem Material zuerkannt. Obwohl auch die Entwürfe von Friedl Loos positiv beurteilt wurden, erhielten beide keine Arbeitserlaubnis. Deshalb entschieden sie sich zu heiraten und reisten weiter nach Argentinien, um dort das Einwanderungsvisum abzuwarten. Doch ab 1941 wurde die Einwanderungsquote für deutsche Staatsbürger aufgehoben; so blieben sie in Argentinien, wo sie gut aufgenommen wurden, trafen viele österreichische Emigranten und es kam zu einem Wiedersehen von Friedl mit Hedy Lazlo aus Ungarn, ihrer beste Kundin aus Wien. Lazlo leitete das bekannte Modehaus Drecoll in der „Calle Florida“. Walter entwarf Möbel und Lampen mit schlichten Formen, die von „Atelier Ltda“ hergestellt wurden. Mit Graf Max Thurn produzierte er diese Inneneinrichtungsgegenstände, die bis heute geschätzt werden. (Vgl. Max Ihurns Erinnerungen in ZW Nr. 3/2011, S. 28-29). Eine seiner ersten Arbeiten als Architekt galt der Einrichtung von Friedls Modesalon, den viele Damen der Oberschicht von Buenos Aires besuchten, darunter auch reiche Emigrantinnen. Für viele war diese eine der besten Inneneinrichtungen, die Walter in Buenos Aires schuf, und viele von Friedls Kundinnen wurden auch Walters Kundinnen. Es ging so weit, dass es zum Prestige einiger Leute gehörte, mit einer Loos-Inneneinrichtung ausgestattet zu sein. 1943 erhielt er als erster Ausländer, trotz heftiger Proteste argentinischer Konkurrenten, den „Großen Argentinischen National-Preis“ des Kunstmuseums für sein Werk „Das Heim von heute“. Im selben Jahr baute er sein erstes Haus in Argentinien, das Haus Lienau, ein Sommerhaus im Badeort Mar del Plata, besser bekannt als das „Patiohaus“. Über dieses Haus wurde viel berichtet; so widmete ihm die Zeitschrift „Nuestra Arquitectura“ im April 1946 eine siebenseitigen Reportage. Der Grundriss des Hauses ist schr einfach, es gibt keine Flure und das ganze Haus öffnet sich in einen Hof (spanisch: patio). Loos‘ Fähigkeit, die widerspruchsvollen Beziehungen zwischen dem Innen und Außen des Baukörpers gekonnt zu lösen, wird durch dieses Haus eindeutig bestätigt. Im „Wörterbuch der Architektur in Argentinien“ (2004) schreibt der Architekt Jorge Francisco Lienur über dieses Haus: „Man kann es als das erste moderne Haus in unserem Land bezeichnen, wo der spanische ‚Patio‘ als Idee aufgenommen wird.“ Ebenso wurde ein Doppelhaus in Chapadmalal, einem Badeort nahe Mar del Plata, wirkungsvoll von Walter Loos ausgeführt: ein einfacher Kubus mit einer total verglasten Fassade, hinter der sich zweigeschoßige Wohnungen verbergen. Im oberen Geschoß, das halb so groß ist wie das Untere, befinden sich zwei Schlafzimmer. Das eine Haus wurde vom Ehepaar Loos als Ferienhaus genutzt, das andere unmittelbar nach der Fertigstellung veräußert. Jänner 2012 41