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Heribert Schiedel Rechtsextreme auf Pilgerreise Was in der deutsch-österreichischen Neonaziszene schon länger als Gerücht kursierte, wurde Anfang Dezember 2010 Wirklichkeit: eine von FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache angeführte Abordnung rechtsextremer und rechtspopulistischer Politiker aus Österreich, Belgien, Schweden und Deutschland fuhr nach Israel — und wurde von dortigen Rechten als Verbündete im Kampf gegen Islamismus und Terrorismus begrüßt. Im Folgenden soll es aber weniger um den Offenbarungseid israelischer Rechter — das Bündnis mit europäischen Antisemiten — gehen, sondern um die Motive und Intentionen der politischen Pilger aus dem Abendland. „Den inneren Kompass finden“ Unter diesem Titel publizierte der deutsch-schwedische Multimillionär Patrick Brinkmann, der von der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) über die Deutsche Volksunion (DVU) bis zur Pro-Bewegung schon fast alle relevanten rechtsextremen Gruppen in Deutschland unterstützt hat, im März 2010 seine Pläne für eine „Pilgerreise nach Israel“ 2011." Brinkmann freut sich, dass die „echte Rechte“ Europas in der gemeinsamen „Verteidigung des Abendlandes“ vorm Islam endlich ihr einigendes Thema gefunden habe.? Dieses verbinde sie eben auch mit Israel, das zwar irgendwie jüdisch ist, aber gleichzeitig doch auch etwas Preußisches habe. In der Tradition der alten, bis Ende der 1960er Jahre pro-zionistischen Rechten äußert Brinkmann in seinem Aufruf zur Pilgerreise Bewunderung für die israelische Aufbauleistung. In den Israelis erkennt er die Deutschen wieder, beiden hätten eine „besondere Begabung“, beide würden daher polarisieren. Brinkmann missbraucht auch das „Schicksal der Juden“ als „Bild“ für die aktuelle „Situation“ Deutschlands oder, wie's heute heißt, des Abendlandes. So wie die „vereinsamten Juden (...) bitter geworden in das Land ihrer Väter, nach Zion“ zurückkehrten, so müssten auch die EuropäerInnen wieder ihre „Heimat“ finden. Tatsächlich bedeutet auch 2010 eine pro-zionistische/-israelische Positionierung unter Rechten nicht das Verschwinden des Antisemitismus. Bei Brinkmann etwa äußert sich dieser weiterhin in Formulierungen wie „Weder Davidstern noch Halbmond!“ Pro- und antizionistische Rechte In der jüngsten Kontaktaufnahme mit israelischen Rechtsaußenkräften drückt sich auch eine gewisse Ausdifferenzierung innerhalb der europäischen Rechten aus. Auf der einen Seite die (offen) rechtsextremen Kräfte, die ihre nazistischen oder faschistischen Wurzeln noch nicht gänzlich gekappt haben, wie der Front National, die British National Party (BNP), Jobbik oder eben die FPÖ, die nun in Person ihres Obmannes Strache und mit Hilfe aus Israel wieder einmal über ihren braunen Schatten springen möchte. Auf der anderen Seite die rechtspopulistischen Kräfte, die in einer angeblich drohenden „Islamisierung“ ihr zentrales Mobilisierungsthema haben und (noch) um Distanz zum Rechtsextremismus bemüht sind, wie die Dänische Volkspartei, Lega Nord, Schweizer Volkspartei (SVP) oder Gert Wilders‘ Partei für die Freiheit (PVV). Während die rechtsextremen (antiglobalistischen und antiliberalen) Parteien ihren Hauptfeind immer in der halluzinierten jüdischen (heute auch gerne US-amerikanischen) Weltherrschaft schen und in deren Bekämpfung auch Bündnisse mit Islamisten eingehen, sind die rechtpopulistischen Parteien als pro-westlich und neoliberal zu charakterisieren. Sie unterstützen Israel als Vorposten der „freien Welt“ im Kampf gegen den „islamischen Totalitarismus“. Der niederländische Rechtspopulist Gert Wilders, der den israelischen Außenminister Avigdor Lieberman als seinen „Freund“ bezeichnet, ist im Gegensatz zu rechtsextremen und manchen rechtspopulistischen AgitatorInnen darauf bedacht, sich von antimuslimischem Rassismus abzugrenzen. Wahrend Strache und die seinen offen gegen Muslime hetzen, richtet sich Wilders‘ Ressentiment gegen den Islam.“ Dementsprechend ist Wilders um Distanz zum FPÖ-Obmann bemüht, auch in Israel zeigte man sich zuletzt nicht gemeinsam. Allerdings distanzierte sich Lieberman offiziell vom rechten Besuch aus Europa, insbesondere von der Strache-FPÖ: „... die FPÖ bleibt, was sie immer war. Wenn sie sich durch so einen Besuch von etwas reinwaschen will, ist das allein deren Sache“, so Außenministeriums-Sprecher Yigal Palmor. Anti-Terror-Front Entgegen den ursprünglich religiösen Absichten Brinkmanns standen bei dieser vorgezogenen Reise sicherheitspolitische Fragen im Zentrum. So etwa in Ashkelon, wo Prof. Moshe Mani zu einer Tagung über islamistischen Terror begrüßte. An dieser Konferenz nahm u. a. Moshe Feiglin vom rechten Likud-Fliigel teil. Neben Besuchen in Yad Vashem — laut FPO-MEP und Reiseteilnehmer Andreas Mölzer ein leidiges „Pflichtprogramm“, dem man sich zu unterziehen gehabt habe® - bei Siedlern in der Westbank und in der Knesset stand eine weitere Tagung im Gush Katif Museum in Jerusalem am Programm. Dort wurde die Rechtsdelegation von Prof. Hillel Weiss empfangen, überraschend erschien laut Berichten der teilnehmenden Eurorechten Vizepremierminister Moshe Yaalon, der angeblich Grüße von Premierminister Benjamin Netanjahu (Zikud) überbrachte.’ Am 7. Dezember unterzeichneten die Anführer der rechten Pilger — neben Strache und Stadtkewitz Filip Dewinter (Viaams Belang) und Kent Ekeroth (Schwedendemokraten) — eine „Jerusalemer Erklärung“, der sich kurz darauf auch die deutsche pro-Bewegung anschloss. Mit Lippenbekenntnissen, etwa zum „Existenzrecht des Staates Israel innerhalb sicherer und völkerrechtlich anerkannter Grenzen“, versucht man sich mit dieser Erklärung in die „vorderste Front des Kampfes für die westlich-demokratische Wertegemeinschaft“ zu schummeln. Doch diese Erklärung entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Danaergeschenk: So ist etwa das darin betonte „Recht auf Heimat“ durchaus als palästinensisches „Rückkehrecht“ zu verstehen.® Februar 2011 7