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Freiheitlicher Bonapartismus? Angesichts derartiger Positionierung der FPÖ haben österreichische Neonazis, die von sich behaupten, die freiheitlichen Strukturen zu nutzen, nicht ganz unrecht, wenn sie nun von einem „Verrat“ Straches und Mölzers sprechen. Den enttäuschten Neonazis ist klar, „welchen Einfluß die Weltpest Judentum auszuüben vermag“ und dass eine künftige Regierungspartei wie die FPÖ „da um einen Kotau natürlich nicht herum“ kommt. Jedoch stößt man sich daran, dass Strache diesen „so billig“ gegeben hätte. Wie die Gesprächspartner in Israel glaubten auch Neonazis in Österreich und Deutschland, dass es der FPÖ-Spitze mit ihrer Reise ernst gewesen, es tatsächlich zu einem Richtungswechsel zur politischen Mitte und weg vom Antisemitismus gekommen sei. Daran konnte weder Straches Verhöhnung Theodor Herzls als „Burschenschafter“ (Herzl ist bereits 1883 wegen Antisemitismus aus der Burschenschaft ausgetreten!), noch sein provokanter Auftritt in Yad Vashem mit Burschenschaftermiitze (,,Biertonne“) am Kopf!” etwas ändern. Gerade in den Burschenschaften, die zum Teil bis heute ein Scharnier zwischen der FPÖ und dem neonazistischen „Narrensaum“ (Mölzer) bilden'®, war die Empörung über den „Schwenk zu Zion“ zunächst groß. Und so hatte insbesondere Mölzer viel zu tun, um die parteiinterne Empörung über die „Demutsgeste angesichts des jüdischisraelischen Einflusses in der Welt“ zu kalmieren. Nach der Reise wurde er nicht müde zu betonen, dass diese nichts am konsequenten Einsatz der FPÖ „für die Rechte der Palästinenser“ und an den „traditionell positive(n) Beziehungen zur islamischen Welt“ ändern werde. Schließlich versichert der FPÖ-Europaabgeordnete, der als einer Hauptverantwortlichen für die internationale Bündnispolitik einmal mehr ins Schussfeld der unzufriedenen Basis geraten ist, den „Zweiflern aus den Reihen des nationalen Lagers“, dass „Strache (...) nicht Gianfranco Fini (ist)! Auch wenn er den Ausgleich mit Israel und dem Judentum sucht, wird er deshalb nicht, wie der Italiener, die eigene Gesinnung und die eigene Gesinnungsgemeinschaft verraten.“ '? Der gesinnungstreue Parteiobmann sah sich angesichts des Murrens an der Basis ebenfalls zu einer Rechtfertigung veranlasst. In einem offenen Brief stellte Strache klar, dass man sich in Israel nur „ein Bild vor Ort“ machen und nicht einseitig Partei ergreifen wollte. Die pro-israelische Wende der FPÖ habe nie stattgefunden und sei nur eine mediale Falschbehauptung. Zu deren Korrektur verkündet Strache, bald nach Syrien und zur Hisbollah in den Libanon reisen zu wollen.” Dieser Beitrag wurde von der Redaktion ZW aus Platzgründen erheblich gekürzt. Der gesamte Text findet sich im Internet unter: www.spme.net/cgi-bin/articles.cgi?ID=7569 Heribert Schiedel, geb. 1967, Berichterstatter für das „Stephen Roth Institute for the Study of Contemporary Antisemitism and Racism“ der Universität Tel Aviv; Forschungs- und Publikationsschwerpunkte: Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus, EPÖ und Burschenschaften; zahlreiche Vorträge und Veröffentlichungen zu diesen Themen, zuletzt im Herbst 2007: „Der rechte Rand. Extremistische Gesinnungen in unserer Gesellschaft“ (Edition Steinbauer). Anmerkungen 1 http://www.patrik-brinkmann.de/site/?p=68 2 http://www.freiheitlich.org/2010/12/14/patrik-brinkmann%E2%80%9IEdie-echte-rechte-hat-jetzt-eine-historischechance%E2%80%9IC/ 3 http://www. patrik-brinkmann.de/site/?p=68 4 Dass er dabei immer wieder in antijüdische Ressentiments zurückfällt, liegt angesichts der religionshistorischen Nähe von Judentum und Islam in der Natur der (antiislamischen) Sache. Im Interview mit dem Nachrichtenmagazin profil (Marz 2010) filhrt Wilders etwa als Beispiel für die von ihm behauptete islamische Verkommenheit ausgerechnet das aus jüdischer Tradition stammende Gebot des absoluten Vorranges des Lebens (gegenüber dem religiösen Bekenntnis), die Tagiyya. Nach dieser ist es erlaubt, (über das religiöse Bekenntnis) die Unwahrheit zu sagen, wenn man damit sein Leben rettet. Als christlicher Suprematist lehnt Wilders auch das „Alte Testament“ aufgrund der dort zu findenden „harten Worte“ ab. (http://www.profil. at/articles/1012/560/265086/man-islamfeind-geert-wilders-interview) 5 www.tt.com/csp/cms/sites/tt/Y%C3%9Cberblick/Politik/Politik%C3 %96sterreich/1828245-G/strache-besucht-mit-europ%C3%A 4ischenrechtspolitikern-israel.csp 6 Zur Zeit, 50/10, S. 2. 7 http://www.diefreiheit.org/gush-kativ-museum-viele-gespracheund-ein-grus-von-netanjahu/ 8 http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20101207_OTS0199/ fpoe-strache-jerusalemer-erklaerung 9 http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20101221_OTS0096/ ikg-aeussert-befremden-ueber-treffen-zwischen-israelischem-politikerund-fpoe 10 Vgl.: http://www.contextxxi.at/context/content/view/222/97/ index.html http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20090221_OTS0025/ lasar-muzicant-erweist-ikg-mit-agitation-gegen-die-fpoe-keinenguten-dienst 11 http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20080609_OTS0063/ moelzer-zu-eu-usa-gipfel-slowenischer-eu-vorsitz-darf-nicht-handlanger-washingtons-spielen 12 Vgl.: Schiedel, Heribert: Heiliger Hass. Zur rechtsextrem-iranischen Freundschaft, in: Grigat, Stephan; Simone Dinah Hartmann: Der Iran im Weltsystem. Bündnisse des Regimes und Perspektiven der Freiheitsbewegung. Wien 2010 13 www.fpoe-parlamentsklub.at./fileadmin/Contentpool/Parlament/ PDF/Wir_und_der_Islam_-_Freiheitliche_Positionen.pdf 14 Z.B.: Anton Pelinka, Ruth Wodak (Hg.): „Dreck am Stecken“. Politik der Ausgrenzung. Wien 2002; zuletzt: Andreas Peham: Die zwei Seiten des Gemeinschaftsdünkels. Zum antisemitischen Gehalt freiheitlicher Identitätspolitik im Wandel, in: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, 39. Jg. (2010) H. 4. 15 Zur Zeit, 16/09, S. 8. 16 Zur Zeit, 23/10, S. 10. 17 Vgl.: http://derstandard.at/1292462481205/Strache-Biertonnenund-das-Heilige-Land 18 Vgl.: http://www.oeh.univie.ac.at/fileadmin/FilesALT REF/voelk._verbindungen.pdf 19 http://andreasmoelzer.wordpress.com/2010/12/09/wem-gehortisrael/ 20 Neue Freie Zeitung, 50-51/10, S. 4f. Februar 2011 9