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Wie kommt es, dass all die ungezählten verliebten Vagabunden des Saseins eines Tages lautlos in Sackgassen verlöschen? Soll ich glauben, dass Mädchen, zum Glück bestimmt, ohne Erfüllung auf den Dächern ihrer Häuser und an den Fenstern schwarz gekleidet auf ihre Geliebten warten? Soll ich glauben, die Liebe sinke ins Grab, ohne dass ihre ungehorsame Blüte aus ihm emporwächst. Soll ich glauben, das Herz poche eines Tages nicht mehr? Fluch und Schande dieser Lüge, dieser furchterregenden Lüge! Mein Gedicht baut eine Brücke an die Ufer der Zukunft, auf dass heitere Menschen über sie gehen, lebt fort in küssenden Lippen, kosenden Händen und fliegt hoch als Zeichen einer Versöhnung, das die Liebenden erkennen können. Die stete Erkundung von Lippen und Händen hat dazu beigetragen, die Spur des Menschen auf der Zeittafel zu verewigen. Unsere schweigsame und überspringende Wärme wird zweifellos eines Tages irgendwo aufgehen und Sonne werden. Solang du mich liebst, solang ich dich liebe, solang die Träne der Neigung auf unsere Wange fließt, solang ist jemand, der das Leben liebt. Wird der’Tod meine Spur auslöschen im Gedächtnis der Zeit? Viele Blumen riss mir der Sturm aus der Hand, der mich niederdrückte. Aber die Blume der Erinnerung halte ich fest: Den Tod eines Lieben werde ich nie anerkennen. Eines Tages stehe ich ohne Zweige und Äste. Eines Tages schließen sich meine Augen. Unvermeidlich ist ihre Ruhe. Doch, was ich wünschte, bleibt im Garten ein Duft. Auf den Straßen der Welt Von Not gedrungen gingen schon heute unsere redlichen Nachbarn fort, diese Leute, die weit entfernt von allen Spektakeln des Tages sind. Sie verließen die Stadt ihrer Kindheit, ihrer Jugend, ihrer Arbeit, die Stadt ihrer Wurzeln. Sie ließen alle ihre Erinnerungen zurück. Sie gingen mit ihrer Last, mit gebrochenen Herzen mit einem oder zwei Sesseln, mit dem Schlafzeug, einem Stück Teppich, ihren Habseligkeiten manche mit verborgenem Weinen und mit den Tränen der Kinder. Den ganzen Tag lang wirbeln die Reifen der Wägen tönt die Abschiedsmelodie. Immer noch haben sie in meinem Bewusstsein ein herbes Echo. Heute Nacht sind die Wohnungen unserer Nachbarn grabesdüster. Die dunklen Fensterhöhlen Augen der Traurigkeit löschen in uns die Freude am Tageslicht. Zeitig verstößt die viel beschäftigte Stadt ihre großgezogenen Kinder, ohne Schmerz, ohne Brandmal. Ein langes Leben aufbauen dann alles zurücklassen und gehen um einiger Lappalien willen? Absurd!? Was ist los mit der Welt, dass auf all ihren Straßen Aussiedlung und Obdachlosigkeit herrschen? Der Vogel Der Vogel ohne Federn, ohne Flug und Gesang bedeutet Stille. Der Vogel ist der Abstand zwischen zwei Flügeln. Vogel sein heißt auf hohen Gipfeln Beute schlagen. Vogel sein heißt fliegen über reine Gewässer. Vogel sein heißt Regen in den Augen, Vogel sein heißt den Himmel im Herzen haben. Vogel sein bedeutet Auswanderung Vogel sein bedeutet, das Nest in die Äste der Jahreszeiten zu bauen. Vogel sein bedeutet, unterwegs zu sein in ständiger Gefahr. Vogel sein bedeutet, sich nicht im Käfig einzuleben Vogel sein bedeutet, sich seiner Freiheit zu erfreuen. Vogel sein bedeutet Gesang. Vogel sein bedeutet, unsichtbare Blütenblätter pflücken Vogel sein bedeutet, verbotene Grenzen überfliegen. Vogel sein bedeutet, die Brust dem roten Mal des Unheils bieten. Vogel sein: die Anmut des Sieges im Zeichen der Freiheit. Februar 2011 13