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Dann sind da Georg Mosse (1918 — 1999), später bekannt geworden durch sein Buch „Nationalismus und Sexualität“, und Julius Braunthal (1891 — 1972), der bis 1934 Chefredakteur des spzialdemokratischen Kleinen Blattes in Wien gewesen ist und nach dem Krieg einer der wichtigen Historiker der Arbeiterbewegung und 1951 erster Sekretär der neugegründeten Sozialistischen Internationale werden soll. Die beiden Letztgenannten kamen von der London School of Economics, wo auch Norbert Elias (1897 — 1990) vor seiner Internierung Senior Research Assistant war. Bei ihm besucht Otto Harpner Vorträge über „Sociologie und Psycholanalyse“. Dass einige Bekanntschaften nach der Internierungszeit erhalten blieben, zeigt die Mitgliederliste der Study Group of Austrian Lawyers in Great Britain, in der der Berliner Anwalt Monath, mit dem Otto Harpner einen Englischkurs besucht, angeführt wird. Unter jenen Mitinternierten des ersten Tages, die Otto Harpner kennenlernt, ist auch der deutsche Pastor Franz Hildebrandt (1909 — 1985), seit 1937 im Exil und einer der vehementen Nazigegner unter den evangelischen Theologen. Neben dem Lehrbetrieb gibt es auch Kabarettabende, an solchen liest Otto Harpner sein Programm „Das Veilchen“ (nach Goethe) Parodien auf Stifter, Lenau, Busch, Koerner, Heine, Morgenstern, expressionistische Lyrik etc. Das vorgebliche HeineGedicht endet bezeichnenderweise mit „Cher ami, was geht hier vor?“ Wie Stefan Harpner uns die Tagebuchaufzeichnungen zur Verfügung stellte, betonte er, dass es für ihn jedoch wesentlich wichtiger sei, seinen Vater nicht nur als internierten enemy alien vorzustellen, sondern auch den hervorragenden Juristen und Intellektuellen, der er war. Otto Harpner war Sohn des berühmten Wiener Anwalts Gustav Harpner (1864 — 1924), welcher 1919 auch Anwalt der Republik wurde und in dieser Funktion mit der Umsetzung des „Habsburgergesetzes“ betraut war. Über Gustav Harpner, der auch eine Novelle zum Habsburgergesetz ausgearbeitet hat und in Folge Präsident des Kriegsentschädigungsfonds wurde, hat Ilse Reiter ein fast 600-seitiges, vor kurzem erschienenes Buch geschrieben.’ Über Gustav und Otto Harpner erfährt man auch einiges in der „Einleitung“ zu der zwischen 1942 und 1943 von Otto Harpner verfassten „socialpolitischen Anschauungen in Buchform“.‘ Auf knapp 500 Manuskriptseiten handelt Otto Harpner hier Themen wie die „Rechtswelt“, die „Socialentwicklungen“ und die Entstehung von Dogmen ab, um die Möglichkeiten eines „internationalen und interdemokratischen Rechts“ zu erörtern. In der Einleitung spricht er jedoch vor allem vom Leben und von der humanistischen Haltung zweier Wiener Anwälte: Mit diesem Buch wird der Versuch der Analyse von Problemen unternommen, um deren Lösungen die Welt in einem der gewaltigsten Kriege aller Zeiten ringt. Abermillionen Menschen fechten in allen finf Erdteilen einen Kampf, von dessen Ausgang eine neue Zukunft erhofft wird. Abermillionen Hirne zermarterten sich, eine neue, bessere Weltordnung zu ersinnen. Zehntausende Biicher, Artikel und Reden erscheinen in aller Länder Sprachen. Bedarfs da nicht einer Rechtfertigung für einen neuen Versuch, Dingen abermals an den Leib zu rücken, die sich schon vorher so viele mit mehr oder — meist weniger — Glück gewagt? Als Hauptrechtfertigung diene die offenbare sociale Krise, ja Not unserer Zeit, die es vielleicht gerade zur Pflicht macht, einer vermeintlichen inneren Berufung Folge zu leisten. Eine Pflicht, die noch durch den Umstand verstärkt erscheint, dass ein Großteil der Menschheit vom Schicksal mundtot gemacht ist; wobei Ip nn A. x 2 p Son As te Aare nn Vol lea K aw OWE & Menge roth pebsdorctt } ; drtlehwea ISO andere >i 2 a en ag rn u bu 60, pen. Vak, wat ol UW de WT ec SM Sue FE “VP Mr . | ie s typ yet. Falak no eee Lh Y weine YIn A we MOK Oy cr Oth. (Eibiatle,. ce Mh men > , Werte ofc4 Nuffotp Keg ) Goce 4 firee Arad A N TE “un. Re; Much, 23° BT. Rue D2, ce yo Et Wehe, OY yore Sa a mh ehh if lon Tune Ng etn Ie he Mesh Aha pores he 5 > ~ Meee aA wr ( Yee Ue oe nee N | u; oe VA a Let exes ar Bas Dust, ~ al er + m Mth Ee be een 7 5 it Se een ae ee 4 L Poh mw A rhen © RG Latent. Ja rude ran (2 a a Cael the (4) Binh Lng ees On OK AE hcl ye ) ur Kia te jj Frercliafity uhr 0 RM hh be inn Ky we AUN > ’ ZU ees u tus onar- hm, / Sener ais 3 : ck Yen 52 : hee if in Holm our, 5 h ns ua i X4 Nein. 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Erste Seite von Otto Harpners Internierungstagebuch. selbst in jenen Ländern, in denen noch Gedanken- und Redefreiheit herrscht, die besten Köpfe und schärfsten Federn einstweilen von den drängenden Aufgaben des Krieges abgelenkt sind. Ich glaube es bei dieser allgemeinen Rechtfertigung nicht bewenden lassen, sondern eine persönliche, in Gestalt einer autobiographischen Vorstellung des Autors anschließen zu sollen. Nicht aus unbescheidener Selbstüberhebung! Sondern aus der doppelten Erwägung, dass mir die Konstellation von Herkunft, Vorbildung, Erfahrung und Erleben eines Autors einen unentbehrlichen Schlüssel sowohl für die Beurteilung seiner Berufung, als auch für die Wertung seines Vorbringens zu liefern scheint. Diesen Schlüssel voraus mitzuliefern, liegt mir umso mehr am Herzen, als ich den innigen Wunsch habe, eine möglichst wenig subjective und leidenschaftliche Leistung zu bieten, mich aber mit den Gegenständen meiner Untersuchung in höchster Leidenschaft verknüpft weiß. Daher scheint es mir geboten, den Leser schon in der Einleitung über die persönlichen Voraussetzungen zu unterrichten, unter denen dieses Buch entstanden ist. Ich bin zur Jahrhundertwende in Wien geboren. Den ersten Weltkrieg und die unmittelbare Nachkriegsperiode vermag ich — im Gegensatz zu älteren Jahrgängen — ohne andere Vorurteile zu analysieren, als aus Herkunft und Erziehung stammen mögen. Hingegen glaube ich vor jüngeren Forschern den Vorsprung zu haben, dass mir Eigenerinnerung das Quellenstudium erleichtert. Mit der eigentlichen Zwischenkriegszeit verbinden mich spezifische Erlebnisse und Erfahrungen, die ich beim besten Willen nicht auszuschalten vermöchte. Mit Ausnahme der letzen Jahre blieb ich meiner Heimatstadt Wien bis auf viele Reisen treu. Meine Jugend erlebte ich also im Mittelpunkt eines sterbenden Reiches, das ich, ohne meiner Untersuchung vorzugreifen, als den bedeutsamen Versuch bezeichnen darf, die national heterogenen Elemente des Donaubeckens social und wirtschaftlich zu vereinen. In der Zwischenkriegszeit war ich Februar 2011 15