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zähler, eine Art Poetik seiner eigenen literarischen und geistigseelischen Identität — da heißt es u.a.: Du sollst ein robustes Gedächtnis haben Du sollst die Freundschaft rühmen Du sollst neugierig sein Du sollst auf der Hände Arbeit achten LJ Du sollst der Zeit ihre Verzweiflung lassen — Verzweiflung ist nicht aktenkundig Du sollst von einer freundlichen Welt träumen LJ Du sollst weiter schreiben, auch wenn es schwer fallt, ein Wagnis und nicht opportun ist Lieber Erich, ich gratuliere Dir von ganzem Herzen! Ehrung fiir Erwin Chvojka Am 9. November 2010 wurde dem Ehrenmitglied der Theodor Kramer Gesellschaft Erwin Chvojka das Silberne Ehrenzeichen des Landes Niederösterreich durch Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll verliehen. Geehrt wurden damit seine Verdienste um das Werk des im niederösterreichischen Niederhollabrunn geborenen ‘Theodor Kramer. Chvojka, von Theodor Kramer als dessen literarischer Nachlaßverwalter eingesetzt, hat sich Jahrzehnte lang um das Werk Theodor Kramers und dessen öffentliche Anerkennung bemüht. Insbesondere hat Erwin Cvojka - den verstreuten Nachlaß Kramers (Kramer hatte seine Papiere vor der Emigration nach England an verschiedene Personen zur Aufbewahrung übergeben) in mühsamer Kleinarbeit gesammelt; - die unzähligen Zeitungsdrucke von Gedichten Kramers bibliographiert und dokumentiert; - durch eine Reihe von Aufsätzen über Kramer und sein Werk selbst, über Kramers Bruder Richard, die Eltern und über die historischen und literaturgeschichtlichen Rahmenbedingungen die Grundlagen für eine Biografie Kramers gelegt; - als Herausgeber Kramers in entscheidender Weise dazu beigetragen, daß Kramer heute im ganzen deutschen Sprachraum bekannt und auch in mehrere Sprachen (u.a. Russisch, Englisch, Slowenisch, Kroatisch, Polnisch, Italienisch, Französisch) übersetzt ist; - durch Zusammenarbeit mit niederösterreichischen Einrichtungen wie dem Club Niederösterreich und dem Kulturverein Niederhollabrunn, mit Musikern und Künstlern, mit Volksbildungseinrichtungen und Schulen zur Verbreitung von Kramers Werk erheblich beigetragen. Nicht immer stieß Erwin Chvojkas Engagement für einen zeitweise nahezu Vergessenen auf allgemeines Verständnis. Chvojka hat es indes nie aufgegeben, für das Werk dieses Dichters zu werben und Grundlagen für seine heutige in die Breite und Tiefe gehende Rezeption zu schaffen. Von sich selbst erzählt Erwin Chvojka (geb. 1924) in „Zerfranste Erinnerungen“, erschienen in ZW Nr. 3/2004. 22 _ ZWISCHENWELT Dan Arnold Sehnsucht nach Wien Es gibt so viele Sehnsuchtsgedichte Vetriebener auf Wien. So von Dan (Theodor, Teddy) Arnold (1914 — 2002), der seit 1933 in Palistinal Israel lebte. Autoingenieur in Binyamina, schrieb er englisch- und deutschsprachige Gedichte und Kurzgeschichten. Seine Mutter Paula Arnold war eine Tochter des Wiener Anglisten Leon Kellner, einem Freund Theodor Herzels (Vgl. ZW Nr. 1/2002). Man könnte sagen: Theodor Arnold war kein Vertriebenen, er emigrierte bereits 1933 aus Österreich nach Palästina, ging nicht ins Exil, sondern wanderte aus. Dennoch drückt sein Gedicht einen Schmerz aus, den wir nur von Exilierten kennen. Mögen sie dem Land, in dem sie nun leben, vielfach verbunden sein, hier einen Boden unter den Füßen gefunden haben, im Innern tragen sie das Exil weiter in sich. Die Form des Gedichts dient zugleich der Abwehr und der Steigerung des Gefühls. Der Reim und die Strophenform schaffen ein festes Gehäuse, das den Verfasser gegen das Zerreifsende, das auf ihn eindringt, wappnet. Aber sie treiben ihn auch durch ihren Automatismus voran, bis hin zu einer Rührung, die als ein Ausweg erscheint. Wann das Gedicht entstanden ist? Vermutlich zu einem Zeitpunkt, an dem eine Rückkehr theoretisch wieder erwogen werden konnte, praktisch und gefühlsmäfßig aber ausgeschlossen bleiben mufste. Also in den 1950er Jahren? — Für die freundliche Genehmigung des Abdrucks danken wir Daphne Amit, der Tochter Dan Arnolds. — K.K. WENN ICH DEIN GEDENKE, Du alte Stadt, Die mich geformt und gestaltet hat — Der ich seither durch soviel Länder trieb, Dem soviel noch zu vergessen blieb, Der ich Lieder in soviel Zungen sang, Der ich Abschied von soviel Lippen trank — Wie wär‘ das, wie wär‘ das, käm ich heut nach Haus? Da säh‘ wohl manches recht anders aus? Ich wär‘ ja wohl in Dir nicht mehr so bekannt: Deine Straßen und Plätze hat man anders genannt... Vielleicht ward der Menschen Antlitz vergrämt und leer — Ob das alles nicht fremd und ein bifschen traurig wär‘? Das Wandern hat meine Augen trocken gemacht. Ich bin ja doch kein Kind mehr, das immer weint und lacht. Nur manchmal in der Brust, da wird‘s mir schwer: Ich möchte gerne weinen und ich kann es nicht mehr. Wenn ich Dein gedenke, Du alte Stadt, Die zuerst das Tor zur Schönheit mir geöffnet hat... Wie einst, so zög ich wohl heute mit Rucksack und Zelt In den taufrischen Morgen, in die grünende Welt... Dann wär ich in Deinen Wäldern so recht allein Und Deine alten Lieder fielen mir wieder ein... Wenn ich die hohen, schweigenden Wälder säh‘, Könnt‘ ich weinen — müßt‘ ich weinen, bis ich vergeh‘.