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Lebens in Kärnten quer durch das politische Spektrum für politische Interessen instrumentalisiert wurden. Der Beitrag von Andrej Leben greift den auch von Malle angesprochenen Aspekt der Selbstorganisation der Flüchtlinge in den Lagern auf und geht näher auf ihre publizistischen und literarischen Aktivitäten ein; der Großteil der über 5.000 in Kärnten verbliebenen Flüchtlinge emigrierte bis 1950 nach Übersee, einige jedoch blieben in Kärnten und beteiligten sich am öffentlichen Leben der Kärntner Slowenen. Bernhard Kuschey sucht eine Annäherung an das vielfach politisch missbrauchte Thema der Vertreibung der deutschsprachigen Minderheit aus Jugoslawien 1945. Eine kaum beachtete, sozial anders disponierte Migration aus Jugoslawien in den 1960er und 1970er Jahren beschreibt Wladimir Fischer an Hand von drei Familien. die sich in Herkunft und Wertsetzung von der Arbeitsmigration der „Gastarbeiter“ wesentlich unterscheiden. Von einem Leben zwischen Sarajevo und Wien handelt Heimo Halbrainer der Lebensbericht von Helene Kojovic-Wohlfarth, die mit ihrer jüdischen Mutter während der Nazizeit in Wien überlebte und nach 1945 allen Grund hatte, die Stadt zu verlassen. Berichtigung Im ersten Teil des Jugoslawienschwerpunktes ist ein bedauerlicher Fehler unterlaufen: Das Manuskript von Alexander (Aleksandar) Klein über das jüdische Flüchtlingshilfswerk in Jugoslawien wurde ZW freundlicherweise von der Hitachdut Olej Yugoslavia - der Vereinigung der Einwanderer aus dem ehemaligen Jugoslawien in Israel - über Vermittlung des Jüdischen Museums in Belgrad zur Verfügung gestellt. Ein Exemplar des Manuskripts befindet sich auch im Zionistischen Zentralarchiv in Jerusalem (Signatur L 22/14/1). Von Ivo Goldstein stammte die Kurzbiographie zu Aleksandar Klein. Gabriele Anderl, Erwin Köstler Ende April 2004 schrieb Mordecai Paldiel, der für die Zuerkennung des Titels „Gerechte/r unter den Völkern“ zuständige Direktor von Yad Vashem (Jerusalem), einen Brief an Robert Weiss, in dem er ihm mitteilte: I should like to inform you that the Commission for the Righteous on several occasions examined and debated the case of [...] Joseph Schleich. The Commission was impressed that this case sheds more light, heretofore little known, and an important facet of Jewish emigration from Nazi Germany (which included Austria after March 1938). During that early period of the Holocaust, the Nazis still favored a forced emigration of Jews, and as the case of Joseph Schleich illustrates, they did not shrink from consenting to illegal methods by third parties, in their intent to remove as many Jews as possible from the area of the German Reich. The Commission, keeping faith to the criteria established for the Righteous title, declined to award this prestigious honor to Joseph Schleich. The Commission's ruling was based on several factors, including the fact that Schleich worked hand-in-hand with Nazi officials, and in return for payment, in this forced emigration policy during the ‚period up to early 1941.' Der Adressat des Briefes, der in Wien geborene und heute in Florida lebende Robert Weiss, war eines jener jüdischen Kinder, die im Rahmen einer von Recha Freier organisierten Rettungsaktion Ende 1940 von Josef Schleich und dessen Schleppern über die jugoslawische Grenze nach Maribor (Marburg) gebracht worden waren.” Mitte der 1990er Jahre machte sich Robert Weiss auf die Suche nach Spuren von Josef Schleich, da er diesem sein Leben verdanke, wie er in einem E-Mail an das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) schrieb und auch anlässlich der Präsentation des Buches „Joskos Kinder“ am 6. Mai 2008 in Graz wiederholte.” Aus Dankbarkeit bemühte sich Weiss nachdrücklich um die Ernennung Josef Schleichs zu einem „Gerechten unter den Völkern“. 32. ZWISCHENWELT Hingegen schrieb bereits am 30. April 1946 Ludwig Reisz aus Baden, dessen Tochter nach Palästina emigriert war, an die Polizei in Graz: „Ersuche um Mitteilung, ob Herr Josef Schleich, Geflügelhof- und Brutanstaltbesitzer, Graz, Glockenspielplatz, dort ist. Ich möchte gegen ihn eine Anzeige erstatten wegen Hochstaplerei und Unterschlagung jüdischen Eigentums vom Jahre 1939.“* Als Folge dieser Anzeige sowie weiterer Anzeigen bzw. Meldungen an die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) Graz wurde schließlich am 6. September 1947 am Landesgericht für Strafsachen in Graz eine Vorerhebung gegen Josef Schleich wegen Verdachtes des Verbrechens der „ungerechtfertigten Bereicherung bei durchgeführten jüdischen Transporten nach Palästina“ nach dem Kriegsverbrechergesetz eingeleitet.” Wer war nun dieser Josef Schleich, den einerseits Überlebende als „Gerechten unter den Völkern“ gechrt schen wollen und gegen den andererseits die österreichische Justiz im Jahr 1947 auf Grund von Anzeigen eine Vorerhebung wegen Kriegsverbrechen eingeleitet hat? 1938/39: Umschulungen und „China-Sonderfahrt“ Josef Schleich wurde am 22. Jänner 1902 in Graz geboren.° Seine Großeltern stammten zum Teil aus dem südlichen Burgenland, aus Minihof-Liebau und Tauka, nahe der heutigen Grenze zu Ungarn und Slowenien, was es Schleich ermöglichte, bereits im Jahr 1938 in dieser Gegend erstmals Jüdinnen und Juden außer Landes zu bringen. In den 1920er und 1930er Jahren handelte Schleich mit landwirtschaftlichen Produkten, die er sowohl auf Märkten als auch auf dem Schwarzmarkt verkaufte. Zudem schmuggelte er Sacharin und Feuerstein. Diese Tätigkeiten spiegeln sich auch in seinem Strafregister wider, wo für die Zeit zwischen 1921 und 1936 ins