OCR
welches Schleich für Juden in einigen Tagen ausschmuggeln solle. [...] Diese Sammlung will Schleich — sobald man sie ihm übergeben habe — von Wien mitbringen und so in einem der Wagen verstecken, damit sie von der Gestapo bezw. von uns bei der Durchsuchung der Wagen vorgefunden würde. Er müsse dabei aber sehr vorsichtig zu Werke gehen, damit es den Juden nicht aufhele, dass er, Schleich, uns die Sammlung in die Hände spiele und die Juden nicht das Vertrauen zu ihm verlieren. Außerdem stellte er in Aussicht, noch andere Werte und Devisen in unsere Hände spielen zu können, wenn die Juden von seinem Doppelspiel nichts merkten.' Schleich meldete in der Folge der Zollfahndungsstelle Graz, ein Wiener Spediteur habe Latten und Leisten, die ausgehöhlt, mit Goldstücken und Schmuckgegenständen gefüllt und dann überklebt bzw. zugegipst worden waren, auf zehn bis zwölf Überseekisten nageln lassen, und legte auch ein Beweisstück vor.?? Gleichzeitig aber schmuggelte er selbst für die Jüdinnen und Juden Schmuck, Geld und Pelze nach Jugoslawien, wie aus einer Aussage des ebenfalls mit dem „Judenschmuggel“ befassten Friedrich Zeibert hervorgeht: Mir ist bekannt, dass die Jüdin Berta [Horiner] mit der Braut des Schleich, Stefie [Fevcer], wiederholt an der Grenze waren und über die Grenze gegangen sind. Diese zogen die Pelze für die Juden an und kamen dann ohne Pelze zurück. In Jugoslawien soll immer der Bruder der Stefie die Pelze, Schmuck und Geld übernehmen.?? Als es im Bereich Minihof-Liebau immer schwieriger wurde, Jüdinnen und Juden unbemerkt über die Grenze zu bringen und Schleich sich in Murska Sobota nicht mehr blicken lassen konnte, verlegte er die illegalen Grenzübertritte ab Juni 1940 zunächst zum Radlpass und ab Dezember 1940 in die Leutschacher Gegend. Dabei wurden die Jüdinnen und Juden entweder per Taxis oder Bahn bis Wies gebracht, von wo sie — gelegentlich in Begleitung von Gestapobeamten” — mit Lastkraftwagen zur Grenze fuhren und dort von Zollbeamten abgefertigt wurden. Diese neue Route führte aber nicht mehr — wie noch bis Mitte des Jahres 1940 — bis nach Zagreb, sondern nur noch bis ins Drautal bzw. nach Maribor, wo Marko Rosner, ein Textilfabrikant und Vertreter der HICEM (Hebrew Immigration, Colonization and Emigration Society), die Flüchtlinge übernahm und weiter nach Zagreb brachte.” Schleich machte bei seiner Festnahme folgende Angaben über diesen Judenschmuggel in der Südweststeiermark: Von dort aus [Radlpass] habe ich die Juden im Einvernehmen mit dem Leiter des Zollamts Bachholz |...] in das Drautal hinunter geschickt. Vom ZA Bachholz mussten die Juden ohne Führer ins Drautal hinuntergehen. Nach einiger Zeit ging dies nicht mehr. Dann übernahm der Bauer Josef Holz aus Rothwein in Eibiswald die Juden und brachte sie zum Teil über Rothwein persönlich ins Drautal. [...] Etwa seit Dezember 1940 habe ich Verbindung zu Bauern aus dem Bezirk Leutschach. Seit Jänner 1941 hat sich über Leutschach ein großer Ausgangsverkehr abgewickelt. Die Juden wurden in Leutschach von verschiedenen, in unmittelbarer Nähe der Grenze wohnenden Bauern übernommen und untergebracht. Andere deutsche Bauern übernahmen dann die Juden und führten sie bis ins Drautal. Die Juden kamen dann anfänglich zu Fuß und auf der späteren Strecke je nachdem unter Benützung von Autotaxen, von Militärlastkraftwagen und der Bahn nach Agram.”° Schleich bezahlte die Bauern, bei denen die Jüdinnen und Juden oft tagelang auf den Grenzübertritt warteten, für die Verpflegung. Ebenso entlohnte er die Taxifahrer (ab Jänner 1940 war vor allem das Taxiunternehmen von Ernst Spuller” für ihn tätig) und die Schlepper dies- und jenseits der Grenze. Bei den Schleppern in Jugoslawien griff Schleich teilweise auf Schmuggler wie den wegen Sacharinschmuggels vorbestraften Josef Babsck zurück, der rund zehn Gruppen mit insgesamt 180 bis 200 Jüdinnen und Juden — darunter 22 Kindern - teilweise bis nach Zagreb brachte.® Vereinzelt wurden aber bis März 1941 kleinere Gruppen von Jüdinnen und Juden auch noch über Minihof-Liebau nach Jugoslawien gebracht. Verträge und Vereinbarungen Hatte Schleich in der ersten Phase der illegalen Transporte (1938/39) vorwiegend die in Graz lebenden bzw. bereits nach Wien „übersiedelten“ Grazer Jüdinnen und Juden außer Landes gebracht, so änderte sich dies 1940: Von da an bis zu seiner Verhaftung am 12. März 1941 schmuggelte er Jüdinnen und Juden aus dem gesamten Deutschen Reich über die jugoslawische Grenze. Bereits im Jänner 1940 schloss er mit dem „Verband der Jüdischen Kriegsopfer, Invaliden, Witwen und Waisen in Wien“ folgende Vereinbarung ab: Sie verpflichten sich, die von uns jeweils namhaft gemachten Personen unter nachstehenden Bedingungen nach Agram | Zagreb / zu transportieren. [...] Wir zahlen Ihnen als Fahrpreis bis Agram vereinbarungsgemäß pro Person RM 670. Sie verpflichten sich für je von uns namhaft gemachten 10 Personen uns weitere 3 Personen nur um den Bahnfahrpreis / Wien — Jugosl. Grenze / nach Agram zu befördern. Sollte ein Transport aus irgendeinem Grunde seinen Bestimmungsort Agram nicht erreicht haben, haben wir keine wie immer gearteten, bei Ihnen inzwischen eventuell angelaufenen Spesen zu bezahlen. Wir sind verpflichtet den Ihnen für jeden Transport gebührenden Betrag erst dann sofort zu bezahlen, sobald wir von unserem Vertrauensmann eine telegraphische Verständigung aus Agram erhalten haben, dass alle am Transport teilnehmenden, von uns namhaft gemachten Personen, Agram erreicht haben. [...P? Ähnliche Vereinbarungen schloss Schleich, der in der ersten Phase sein Quartier im Wiener Hotel Excelsior hatte, ab September 1940 auch mit anderen jüdischen Hilfsorganisationen wie der „Auswanderungs-Hilfsorganisation für nichtmosaische Juden der Ostmark“ in Wien“", der „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, Abt. Wanderung (Hilfsverein)“ in Berlin“, der „Jüdischen Gemeinde in Frankfurt am Main, Abteilung Wander+ aa. Jf C4/ & © Geflügelhof Cohnbrut- und Maftanftalt 7. Schleich | nds Abreise 10.50 Uhr ad: ab Wien-Stdbhf. dig) Graz Gran -Baupsobf. „Anal | 5 Tramway Linie ° | bis Landhaus. | Glodenfpielplag Ne. 7 | HiIl] | fernruf II Visitenkarte, die die Juden und Jüdinnen von Schleich im Palästinaamt bekamen. Stadt- u. Landesarchiv Wien. Februar 2011 35