OCR
Schleich von Seiten der angebl. Geschädigten nicht eingelaufen ist. Weiters ist der hiesigen Dienststelle nicht bekannt, dass ein Schiff mit jüdischen Auswanderern untergegangen oder vermisst ist. Auf Grund dessen wurde von einer Festnahme des Beschuldigten Abstand genommen.“” Doch bereits einige Wochen danach traf bei der Grazer Polizei erneut ein Brief ein, in dem Ludwig Reisz aus Baden Anzeige gegen Schleich „wegen Hochstaplerei und Unterschlagung jüdischen Eigentums“ erstattete“.® Aber auch die IKG Graz erhielt Briefe aus den verschiedensten Ländern, in denen sich die Schreiber über Schleich beschwerten. So fragte etwa im August 1946 H. Paneth aus Sydney, ob von „Schleich, wenn er noch am Leben ist, etwas herauszubekommen“ wäre, denn er sei von ihm für 750 RM über die jugoslawische Grenze gebracht, dann aber sofort verhaftet worden. In der Folge habe er sich allein durchschlagen müssen. Auch sei der Rucksack mit seiner ganzen Habe, den er in Liebenau habe zurücklassen müssen, nie mehr wieder in seinen Besitz gelangt.“ Berta und Rudolf Mann schickten mehre Briefe aus Rom an die IKG Graz, mit der Bitte, bei Gericht zu intervenieren, damit sie ihre Wertsachen zurückbekämen. Sie schrieben, „dass Schleich unter Ausnutzung unserer Notlage sich unverschämt bereicherte, indem er uns verschiedene Wertsachen herausgelockt u. sich diese unter Drohung mit einer Anzeige bei der Gestapo widerrechtlicht angeeignet hat.“ Da auch in Wien immer mehr Meldungen über Schleichs Aktivitäten während der NS-Zeit einliefen, schaltete die Polizeidirektion Wien in allen Wiener Zeitungen einen öffentlichen Aufruf, wonach „jene Personen, welche 1938 nach der Annexion Österreichs auf Grund ihrer Rassenzugehörigkeit durch JOSEF SCHLEICH, geb. 22.1.1902 in Graz, dortselbst wohnhaft gewesen, ins Ausland transportiert wurden, [...] sich zwecks Zeugenaussage bei der Polizeidirektion Wien“ melden sollten.“ Nachdem schließlich am 7. Mai 1947 der Vizepräsident der Hakoah, Dr. Heinrich Hirschler, einen Brief an die Staatspolizei Wien geschrieben hatte, in dem er ausführlich über seine gescheiterte Flucht mit Schleich berichtete”, wurden von der Polizeidirektion Wien weitere Aussagen gesammelt. Es wurde darin teilweise Ähnliches berichtet wie in den bis dahin eingelangten Briefen, wobei Schleich u.a. auch als „Verbrecher schlimmster Sorte“°® bezeichnet wurde. Daneben bezeugten andere, wie z.B. der ehemalige Präsident des „Verbandes der jüdischen Kriegsopfer“, Benzion Lazar, er habe von keinen Beschwerden gegen Schleich gehört.” Die Niederschriften und Briefe wurden dem Volkgericht Graz übergeben, das am 6. September 1947 Vorerhebungen gegen Josef Schleich wegen des Verbrechens der „ungerechtfertigten Bereicherung bei durchgeführten jüdischen Transporten nach Palästina“ nach $ 6 Kriegsverbrechergesetz einleitete.” Auf Grund der Vorerhebungen wurde Josef Schleich am 6. März 1948 in Untersuchungshaft genommen. Nach weiteren zehn Monaten, in denen Zeugen einvernommen und Akten, so auch der Gerichtsakt gegen Josef Schleich aus dem Jahr 1941, gesichtet worden waren, wurde mit Antrag des Staatsanwalts das Verfahren am 14. Dezember 1948 eingestellt.”' Schleich war bereits am 12. Mai 1948 aus der Haft entlassen worden und starb nur wenige Wochen nach der Einstellung des Verfahrens am 7. Februar 1949. 38 _ ZWISCHENWELT Schlussbemerkungen Über 50 Jahre nach dem Ende der Ermittlungen gegen Josef Schleich wegen Kriegsverbrechen erinnerte man sich — nicht zuletzt durch das Buch von Josef Schleichs Tochter Hannelore Fröhlich”? — wieder an ihn. Dabei wurde Schleich — der Film Schindlers Liste war gerade mit sieben Oskars ausgezeichnet worden — im österreichischen Radio als „steirischer Schindler“? vorgestellt. Es erschienen erste Artikel über Schleich, wobei ihn alle Autoren als Retter von bis zu 120.000 jüdischen Flüchtlingen sahen’‘; der ORF drehte eine Dokumentation „Das Reisebüro des Josef Schleich“”°, die vom damaligen Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur in das Medienservice für Schulen aufgenommen wurde, und Schleich wurde zum Thema wissenschaftlicher Tagungen. ”‘ Von verschiedenen Seiten — nicht nur von Robert Weiss — wurde versucht, eine Ehrung Schleichs als „Gerechten unter den Völkern“ in Yad Vashem zu veranlassen, was mit der Begründung abgelehnt wurde, er sei im Dienste der Gestapo und anderer NS-Einrichtungen gestanden und Teil des Vertreibungs- und Beraubungsapparates gewesen und habe den Verfolgten noch das letzte Geld abgenommen. Dies hatten schon die Gestapobeamten Ludwig Zwickler aus Graz und Otto Kuchmann aus Wien in der Hauptverhandlung gegen Josef Scheich 1941 festgestellt. So gab Zwickler dort — unter Ausschluss der Öffentlichkeit, wie im Hauptverhandlungsprotokoll vermerkt wurde, - an: Ich hatte das Judenreferat. Schleich wurde von uns beauftragt, Juden über die Grenze abzuschieben. Zuerst hatten andere Leute die Sache über gehabt, auf die jedoch kein Verlass war. Da wir sahen, Of . G TELEPHON Ale.2-08 rosraranx.-xto, o ross | b's i, VERBAND DER JUDISCHEN KRIEGSOPFER, INVALIDEN, WITWEN UND WAISEN IN WIEN ' ie bei Antwort uner Zeichen‘ ’ wine Wien, am 31. Jänner 1940. ‘Vil, DAUNGASSE ta Herm JVesSchleich Groz Glockenspielplatz 7. ‘ Der unterzeichnete Verband der jüdischen Kriegsopfer, Inval den, Witwen und Waisen in Wien VIII., Daungasse la trifft mit Ihnen hicmit folgende Vereinbarung: Sie verpflichten sich die von uns jeweils namhaft gemachten Personen unter nachstehenden; Bedingungen nach Agram /Zagreb/ zu transportieren: } Beptimmungooxt Luk Auyam [Zuprebl. r zahlen EEE als rpreis s Agram vereinbarungsgemiss pro Le 2 Person RM (Veh ha Sie tells sich fiir eRe, t gemachten 10 Personen uns weitere 3 Personen nur um den Bahnfahrtpreis / Wien- Jugosl. Grenze/ nach Agram zu befürdern. Sollte ein Transport aus irgend einem Grunde seinen Bestimmungsort Agram nicht erreicht haben, haben wir keine wie immer gearteten, bei Ihnen inzwischen eventuell angelaufenen Spesen zu bezahlen. wir sind verpflichtet den Ihnen für jeden Transport gebührenden Betrag erst dann sofort zu bezahlen, sobald wir von unserem Ver— trauensmann eine telegraphische Verständigung aus Agram erhalten haben, dass alle am Transport teilnehmenden, von uns namhaft gemachten Personen, Agram errreicht haben. Sie verpflichten sich ausser’ den von uns namhaft gemachten Persone: keine anderen Personentransporte nach Agram zu führen und mit er diesbezüglich water zu verhandeln noch Vereinbarungen zu treffen. $ Wir ersuchen Sie, uns zü bestätigen, dass Sie sich mit vorstehender Vereinbarung in:allen Punkten voll und ganz einversta den erklären. rs : y | VERBAND DER JUDISCHEN KRIEGSOPFER WIEN. An den we } Verband der jüdischen Kriegsopfer, Invalid Witwen und Waisen * Wien h erkläre mich hi Ic] it mit dem Inhalt vorliegenden Schreibens in allen Punkten 'oll und ganz einverstanden. Vereinbarung zwischen einer jüdischen Hilfsorganisation und Schleich. Stadt- u. Landesarchiv Wien.