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besondere Eigenschaften haben. Und all das ist noch keine Garantie, nicht zu scheitern, denn es existieren ja die Abwehrdienste, die Jagd auf fremde Agenten machen. Und Scheitern bedeutet meist Untergang. Anfang der 1920er Jahre entdeckt Jan Karlovitsch Bersin, der Chef des Nachrichtendienstes der RKKA (Rabotschke-Krestjanskaja Kransnaja Armija/Roten Armee der Arbeiter und Bauern), die Qualitäten, die ein Agent braucht, bei einem Armeeoffizier und lädt ihn zur Arbeit im Nachrichtendienst ein. Der Armeeoffizier ist einverstanden. Er heißt Lew Manewitsch. Lew Jevimovitsch Manewitsch wurde 1898 in der kleinen alten Stadt Tschaussy (Gouvernement Mohilew, Weißrussland) in einer kinderreichen jüdischen Familie geboren. Über seine Familie weiß man nicht viel. Sein älterer Bruder Jakob schließt sich nach den Juden-Pogromen in Kleinrussland (der heutigen Ukraine), Bessarabien und Polen den Revolutionären an und nimmt an der Revolution von 1905 teil. Ihm droht Zuchthaus, er flieht ins Ausland, in die Schweiz und studiert Medizin. 1907 überredet er die Eltern, den neunjährigen Lew zu ihm zu schicken. Der kleine Lew kommt zum Bruder in die Schweiz und weiß nicht, wie er hier leben soll: Er versteht niemanden und niemand versteht ihn. „Macht nichts“, beruhigt ihn Jakob, „die Sprache wirst du bald beherrschen. Ich werde dich unterrichten. In der ersten Woche lernst du Deutsch, in den nächsten Französisch und dann Italienisch.“ Lew hat ein gutes Gedächtnis und lernt ziemlich schnell Deutsch. Mit Französisch und Italienisch dauert es länger. Bald schickt Jakob seinen Bruder in die Schule. In der Klasse lachen ihn die Mitschüler wegen seines Akzents aus. Um nicht Zielscheibe des Spotts zu sein, wird Lew schweigsam. Die Zeit vergeht. Lew lernt. Ein neuer Lehrer fordert ihn auf, ein französisches Gedicht vorzulesen. In der Klasse beginnt ein Heidenlärm. „Er ist stumm!“, schreien die Schüler, „er spricht nicht.“ „Was heißt stumm?“ fragt der Lehrer erstaunt. Lew steht auf und liest in bestem Französisch und ohne Akzent das Gedicht vor. Nun lacht ihn niemand mehr aus. Er wird zum Klassenprimus. Besonders leicht fallen ihm die exakten Wissenschaften: Mathematik, Physik, Chemie. Jakob bemerkt Lews Neigung zum Technischen. 1913 wechselt Lew an die technische Berufsschule in Zürich. Da die Schweiz neutral ist, können die Brüder trotz des Krieges 1914 ihre Studien fortsetzen und abschließen. Nach der Februarrevolution 1917 kehren sie nach Hause zurück, der eine als Arzt, der andere als Ingenieur. Lew ist 19 Jahre alt und wird zur Armee des Zaren eingezogen. Er muß nicht lange dienen. Die Oktoberrevolution bricht aus, im April 1918 tritt er in die Rote Armee ein. Lew Trotzki, der Vorsitzende des Revolutionären Kriegsrates der Republik, hat beim Aufbau der Roten Armee Schwierigkeiten, geeignete Kommandeure zu finden. Den Kadermangel decken zum einen Teil chemalige zaristische Offiziere ab, zum anderen Teil geeignete Personen aus den Reihen der Werktätigen. Ein begabter, ernsthafter, gebildeter Mensch wie Lew Manewitsch gerät in das Gesichtsfeld Trotzkis und wird von ihm, ungeachtet seiner Jugend, zum Kommandeur der Abteilung „zur besonderen Verwendung“ ernannt. Später dient Manewitsch als Kommissar des berühmten Panzerzuges Trotzkis und im Stab des Schützenkorps. Manewitsch rechtfertigt das in ihn gesetzte Vertrauen und kämpft an verschiedenen Fronten des Bürgerkriegs. an der Wolga, in Sibirien und in Aserbaidschan. Nach dem Krieg besucht Manewitsch die Militärakademie der RKKA. Ein Jahr zuvor, als er in Samara arbeitete, heiratete er Nadja Mischina. Sie übersiedeln nach Moskau, wo Nadja an der medizinischen Hochschule zu studieren beginnt. Kurz darauf wird die Tochter Tanja geboren. Die Militärakademie absolviert Manewitsch mit Auszeichnung und wird, wie schon erwähnt, von Jan Bersin für den Nachrichtendienst der RKKA rekrutiert. Ein Armeeofhizier von großer Selbstbeherrschung, technisch gebildet, sechs Sprachen perfekt sprechend, eignet sich wie kaum ein anderer zur gefährlichen Agentenarbeit im Ausland. So taucht im Jahre 1925 in der Hauptstadt Österreichs der Geschäftsmann und Holzindustrielle Konrad Kertner auf. Sein Deckname ist Etjen (Etienne). Neben diversen Spezialaufträgen ist die Hauptaufgabe Etjens die Industriespionage. Die Zentrale interessiert sich für den Stand der Industrieproduktion in Deutschland, Österreich, Italien und natürlich auch für neue, noch geheime technische Entwicklungen. 1929 wird Manewitsch nach erfolgreicher Ausführung seiner Aufgaben nach Moskau zurückgerufen und zum Studium an die Fliegerakademie „Schukovski“ entsandt. Manewitsch lernt Fliegen und spezialisiert sich auf Flugzeugtechnik. In den 1920er und 1930er Jahren entwickelt sich die Flugzeugtechnik rasant weiter. Den Luftstreitkräften kommt eine besondere Rolle in künftigen Kriegshandlungen zu. Die Staaten stehen im Wettbewerb, mehr und bessere Kampfllugzeuge herzustellen, Neuerungen werden sorgfältig geheim gehalten. Aufgabe des Agenten ist es, in Besitz der technischen Dokumentationen und Planzeichnungen zu gelangen und Modelle zu fotografieren. 1931 schickt man Manewitsch erneut ins Ausland. „Gib uns irgendeine Adresse, mein Sohn, um dir schreiben zu können“, bittet der Vater Lew beim Abschied. „Ich habe eine ständige Adresse“, scherzt Lew, „Erde, poste restante.“ Der Scherz ist grimmig, denn das Leben des Agenten ist gleichsam ein Leben auf des Messers Schneide. Manewitschs Worte, die seine Frau überlieferte, nahm der Schriftsteller Eugen Worobjov als Titel für sein Buch über Manewitsch: „Die Erde, poste restante“. Etjen ist wieder in Wien. Er stellt alte Beziehungen wieder her. Als Konrad Kertner eröffnet er auf der Mariahilferstrasse das Patentbüro „Heureka“, dann eine Filiale in Mailand. Er hilft Konstrukteuren, Ingenieuren und Erfindern, ihre Patente anzumelden. Dafür gibt es keinen sachkundigeren, erfahreneren, gewissenhafteren Fachmann als Kertner. „Heureka“ hat in Fachkreisen einen guten Ruf, Kertner ein solides Konto bei der Deutschen Bank. Er verkehrt in Kreisen reicher und einflußreicher Geschäftsleute, Industrieller und Waffenhändler und ist ständig auf Reisen: Deutschland, Italien, Dänemark, Schweden, Norwegen, Spanien. Er kommt auf jede beliebige Weise zu geheimen Informationen über die Technologie der Herstellung hochfester Stahllegierungen für Panzer, Flugzeuge und Kriegsschiffe, über neue Modelle von U-Booten, Panzern, Artillerielafetten, Jagdflugzeugen und Bombern. Kertner, als Flieger ausgebildet, besucht oft Flugplatze und hat viele Bekannte unter Fliegern, Technikern, Konstrukteuren und Instrukteuren. In Italien freundet sich Kertner beispielsweise mit einem berühmten spanischen Flieger, Anhänger des Generals Franco, an. Dieser hat an der Erprobung einer Neuheit in der Flugzeugtechnik Jänner 2012 11