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nachmittags versorgt war. Auf diese Weise konnte Berger-Hamerschlag arbeiten und die aus finanziellen Gründen so wichtigen Portrait-Aufträge wahrnehmen, aber auch ihre Werke öffentlich präsentieren.” Berger-Hamerschlag hat aber nicht nur Hilfe erhalten, sie versuchte ihrerseits mit ihrer Kunst auch etwas zu bewirken, verstand Kunst auch als Möglichkeit, politisches Engagement zu zeigen. Als Mitglied verschiedener Exilorganisationen* beteiligte sie sich intensiv an den Ausstellungen, die von der Artists Interantional Association (AIA) und anderen Exilantenorganisationen organisiert wurden. So nahm sie im Frühjahr 1937 an der Exhibition for peace, democracy and cultural developement teil und stellte „... 3 Aquarelle und die Holzschnittserie ‚Der Spiegel‘ in der Ausstellung der ‚Artists Unity for Peace and Democracy‘ ... [aus], die einen grossen Erfolg hat.“”” „Der Spiegel“ ist eine bereits 1932 enstandene Serie von 12 Holzschnitten, die sich mit der leichten Verführ- bzw. Manipulierbarkeit der Menschheit auf Grund von Dumpfheit, Indolenz und dem auf einfachste Triebbefriedigung gerichteten Verlangen der Menschen beschäftigt; die zentrale Aussage lautet „Die Juden“ (bzw. die Christen, also die im historischen Kontext jeweilige Minderheit) „sind schuld.“ Allerdings wird diese Aussage so präsentiert, daß ihre völlige Unsinnigkeit überaus deutlich wird. Es handelt sich um eine beeindruckende Stellungnahme der Künstlerin zum Zeitgeschehen; in Wien war der schleichende Antisemitismus ja schon lange vor 1938 zu bemerken. Hier knüpfte die Künstlerin an ihre herausragenden frühen, stark expressiven Holzschnitte an. Auch an der größten Ausstellung während des Krieges nahm Berger-Hamerschlag teil, der Solidaritätsausstellung Artists Aid Russia Exhibition (for Mrs. Winston Churchills aid to Russia), Wallace Collection, London, 1. Juli— 4. Aug. 1942”, die englische Kiinstler zusammen mit Exilkiinstlern organisierten, um verwundete Soldaten in der Sowjetunion zu unterstiitzen. Unter den 879 Werken waren nur 20 von Exilkiinstlern; Berger-Hamerschlag befand sich in illustrer Gesellschaft mit Georg Ehrlich und Kurt Schwitters. Auch an der ein Jahr danach gezeigten, aufsehenerregenden Ausstellung For Liberty Exhibition, AIA, Oxford Street, London, 13. Marz-10. April 1943” nahm Berger-Hamerschlag teil. Unter dem Motto ,,Four Freedoms: Freedom of Speach, Freedom of Worship, Freedom of Want, Freedom of Fear“, das auf den Inhalt der „Atlantic Charta“, des Grundsatzprogramms für die Nachkriegszeit, Bezug nahm, waren in Auftrag gegebene Bilder und Skulpturen entstanden. Mit dem Anspruch, der Künstler hätte in Kriegszeiten eine wichtige aufklärerische Funktion, namlich ,,to stimulate and encourage by vividly representing what we are fighting for“, wurde der offizielle Auftrag der Regierung des bloßen „to record what is happening and to give enjoyment“ zurückgewiesen.” Während die Beurteilung in der Presse, namentlich der konservativen, zurückhaltend bis negativ war, da man der Meinung anhing, dass Künstler nicht als Propagandisten für gesellschaftliche und politische Zwecke agieren sollten?', wurde die Ausstellung in der Öffentlichkeit mit großem Interesse angenommen.” Margarete Berger-Hamerschlag war davon überzeugt, mit Kunst etwas bewirken zu können. Auch Oskar Kokoschka setzte seine Hoffnung darauf, mit Kunst beziehungsweise Kultur die Welt verbessern zu können. „Culture for the masses will mean freedom from evils, tyranny, ignorance, want and war.“ Margarete Hamerschlag-Berger, London 1955. Foto: Archiv R. Berger. Diese Grundhaltung scheint Margarete Berger-Hamerschlag auch dazu bewogen zu haben, nach dem Krieg in sogenannten „Youth Clubs“ Kunst zu unterrichten, Jugendklubs in Londoner Slumgegenden, die — von der öffentlichen Hand eingerichtet — dazu dienen sollten, die meist aus sozial benachteiligten Familien stammenden Jugendlichen zu beschäftigen. 1955 wurde das Buch „Journey into a Fog“” publiziert, in dem Berger-Hamerschlag ihre Erfahrungen in Form eines komprimierten Tagebuches beschreibt. Dem Buch waren sechzehn illustrierende Zeichnungen beigegeben; sie wurden aber in den Rezensionen kaum beachtet. Es lag am Thema, dass das Buch so großen Widerhall fand, von Presse und Rundfunk eingehend besprochen und gewürdigt wurde und binnen weniger Wochen eine zweite Auflage erlebte. Erfolgreich war sie aber auch in im Bemühen um ihre Schüler: Einem der begabtesten verschaffte sie ein Stipendium für die Akademie der bildenden Künste in Wien. Er erhielt auf diese Weise eine profunde Ausbildung und wurde später Restaurator am British Museum in London. Margarete Berger-Hamerschlag sah den Künstler der Idee der Humanität verpflichtet. Daran hielt sie lebenslang fest und fand — überspitzt formuliert — zu Lebzeiten weniger mit ihren künstlerischen Werken, die erst in jüngster Zeit wieder Beachtung finden, als mit ihrer Überzeugung, mit Kunst etwas bewirken zu können, breite Anerkennung. Wie erwähnt, verfolgte Berger-Hamerschlag nicht nur ihre eigenen Karriereziele mit viel Energie, sondern bemühte sich auch, besonders während ihres ersten Londonaufenthaltes 1935/36, ihrem Mann und ihrem Schwager Fritz Lampl, dem Gründer der Bimini-Werkstatten®, den beruflichen Weg zu ebnen. Freunde und Bekannte halfen und stellten Kontakte her. Eine Freundin Margaretes war mit einem Mitarbeiter des Filmproduzenten Alexander Korda befreundet und versuchte, Josef Berger als Filmausstatter unterzubringen. Ein weiteres Bestreben ging dahin, Josef Berger Bauaufträge zu sichern.’ So meldete Margarete Berger-Hamerschlag ihren Mann für einen Bewerb in Glasgow an, bei dem es um Arbeiterwohnhäuser ging; dabei waren die Erfahrungen, die Josef Berger mit seinen Gemeindebauwohnungen in Wien gewonnen hatte, natürlich hilfreich. Sie organisierte auch, dass Fotos von Josef Bergers Wiener Bauten rechtzeitig in Glasgow ankamen. Beim Abfassen des Begleitbriefes half ihr die Pianistin Rita Macintyre, eine ehemalige Schülerin Arthur Schnabels.” Mai2012 31