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oderzum Zwecke der Herstellung der Reziprozität notwendig ist oder wenn dies im Interesse des österreichischen Fremdenverkehrs geboten scheint.“!! 1954 trat schließlich das erste „Fremdenpolizeigesetz“'*an die Stelle der Ausländerpolizeiverordnung, das aber inhaltlich in vieler Hinsicht als Kontinuum des NS-Rechts betrachtet werden kann: Fremde hatten während ihres Aufenthalts „ihr Verhalten den österreichischen Gesetzen anzupassen“ und waren verpflichtet, Auskunft über Zweck und beabsichtigte Dauer ihres Aufenthalts im Bundesgebiet zu erteilen sowie den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nachzuweisen. Ein Aufenthaltsverbot konnte gegen Fremde erlassen werden, deren Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdete oder anderen öffentlichen Interessen zuwiderlief. Ein Kataloglegte fest, wann dies „insbesondere“ der Fall war. Die Gründe und die Systematik waren fast vollständig der NSAusländerpolizeiverordnung entnommen. Aus „triftigen Gründen“ konnte das Aufenthaltsverbot auch aufFamilienangehörige ausgeweitet werden. NS-Aufenthaltsverbote galten fort. Schubhaft konnte nicht nur zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbots oder zur Sicherung der Abschiebung verhängt werden, sondern auch, „um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern“. Das war die rechtliche Grundlage, wie sie 1954 eingeführt wurde und bis 1986 unverändert in Kraft geblieben ist. Deren Kern stellt auch das nunmehrige Fremdenpolizeigesetz dar. Ein Jahr später ratifizierte auch Österreich schließlich die Genfer Flüchtlingskonvention. Ein Gesetz zur Umsetzung gab es nicht. Flüchtlinge waren daher nach wie vor direkt den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes unterworfen, die Behörde hatte lediglich von Amts wegen zu prüfen, ob die betroffenen Personen die Flüchtlingseigenschaft erfüllten, die ihrerseits hingegen keine Möglichkeiten hatten, ein Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft initiativ einzuleiten. Das damit verbundene Rechtsschutzdefizit wurde erst 1968 beseitigt, als das erste Asylgesetz erlassen wurde, das ein eigenes Verfahren zur Anerkennung vorsah und in einen bindenden Bescheid mündete, der bekämpft werden konnte und der die mit der Flüchtlingseigenschaft verbundenen Rechte dokumentierte. Davor gab es ein eigenes Regelungswerk lediglich für eine bestimmte Gruppe von Fliichtlingen, die ihrerseits ethnisch definiert wurde: Für sogenannte Volksdeutsche wurde vor allem bis 1954 eine Serie von Gesetzen erlassen, die sie in vielen Belangen StaatsbürgerInnen gleichstellte und einen stark erleichterten Zugang zur Staatsbürgerschaft einräumte. Ohne die Leiden dieser Bevölkerungsgruppe verharmlosen zu wollen, kann doch diagnostiziert werden, dass es sich hierbei um Maßnahmen handelte, die in vielfacher Hinsicht als beispielhafte Regelungen zur Gleichstellung und Integration von Flüchtlingen angeschen werden können, die für alle anderen Gruppen von Flüchtlingen noch lange Zeit fehlten und mitunter fehlen. Anhand der Grafik über die Anzahl an Gesetzesänderungen im Fremden- und Asylrecht (siehe Abbildung) soll ein kurzer Überblick über die weitere Entwicklung gegeben werden’: Das erste Asylgesetz 1968 sah, wie bereits betont, erstmals ein Verfahren zur Anerkennung vor. Dieses Asylgesetz umfasste zwei Seiten und war damit ein äußerst knappes Gesetz. Es kann damit auch als unterdeterminiert bezeichnet werden und war sehr flexibel zu handhaben, bis es 1991 schließlich als notwendig erachtet wurde, die ersten maßgeblichen Einschnitte in das Asylgesetz vorzunehmen. Unter dem Schlagwort der Bekämpfung des Asylmissbrauchs wurde das Konzept sogenannter „sicherer Drittstaaten“ eingeführt, demzufolge sich Österreich als nicht zuständig zur Prüfungeerachtet, wenn ein anderer Staat auf der Reiseroute lag, in dem um Schutz vor Verfolgung angesucht hätte werden können. Schnellverfahren für sogenannte offensichtlich unbegründete Anträge wurden eingeführt, weitgehend ohne effektive Rechtsschutzmöglichkeiten. Zugleich gab es allerdings einige positive Neuerungen, wie den Grundsatz der formfreien Antragstellung, die Pflicht der Beiziehung von DolmetscherInnen und insgesamt die Professionalisierung des Verfahrens durch Einrichtung des Bundesasylamıs. 1997 wurde mit dem Unabhängigen Bundesasylsenat erstmals auch eine unabhängige Berufungsinstanz eingeführt. Den verfahrensrechtlichen Verbesserungen standen allerdings gleichzeitig massive Verschärfungen gegenüber, wie etwa eine Verkürzung von Berufungsfristen — in manchen Verfahrensarten auf zwei Tage, eine Zeitspanne, die offenkundig zu kurz ist und durch den Verfassungsgerichtshof korrigiert werden musste. Mit der Asylgesetznovelle 2003 wurde schließlich das sogenannte Zulassungsverfahren eingeführt, ein dem eigentlichen inhaltlichen Verfahren vorgelagertes Verfahren, in dem es zunächst um Klärung der Frage der Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung eines Asylbegehrens geht und in dem wesentlich geringerer Rechtsschutz besteht. Dazu kamen sogenannte Neuerungsverbote-also die Verunmöglichung, Fluchtgründe erst zu einem späteren Zeitpunkt darzulegen, was insbesondere in Hinblick auf’Iraumatisierungen, 12 10 B Asyl Gesamt PP Pes SEES SP FS eee’ 42 ZWISCHENWELT