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Um ein flüchtlingsfreundlicheres Umfeld zu schaffen, gilt es, auch die öffentliche Meinung entsprechend zu beeinflussen, sowohl auf lokaler als auch überregionaler Ebene. Notwendig ist ein grundlegender Perpektivenwechsel, für den eine Änderung der Lebensbedingungen der Asylsuchendenen eine unabdingbare Voraussetzung ist. Das bedeutet eine Abkehr von der permanenten Kontrolle von AsylwerberInnen, z.B. ihrer An- und Abwesenheit im Flüchtlingswohnheim, um sie vom Stigma zu befreien, sie würden ein Sicherheitsrisiko darstellen. Eine Erhöhung der monatlichen Unterstützungsleistung, um ihnen auch ein Leben außerhalb der Heimsituation zugänglich zu machen und die Kontakte in der Wohnumgebung zu fördern, muss ebenfalls ermöglicht werden, höhere Unterstützung und/oder Erleichterungen beim Zugang zu Arbeit würde die Integration in die Gesellschaft erleichtern — nicht nur durch bessere Möglichkeiten, an ihr teilzunehmen, sondern auch durch den persönlichen Gewinn an Freiraum und persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten. Ressourcen spielen nicht nur auf der individuellen Ebene eine wichtige Rolle, auch NGOs sind in ihren Handlungsmöglichkeiten von finanziellen und personellen Ressourcen stark abhängig. Nur ein Teil der Flüchtlingsberatung und -betreuung wird öffentlich finanziert, oft nicht durch längerfristige Verträge, sondern durch jährlich ausgeschriebene Projekte. Während caritative Organisationen von der öffentlichen Hand vor allem mit der sozialen Beratung und Betreuung beauftragt sind, wurden NGOs in den letzten Jahren aus der asylrechtlichen Beratung und der Beratung von Schubhäftlingen sukzessive verdrängt und eine dem Innenministerium nahe stehende Organisation als Konkurrent aufgebaut. Die menschenrechtlich sensible Arbeit kann von NGOs meist nur mit Spendengeldern aufrecht erhalten werden. Zu den Ressourcen der BeraterInnen zählt auch das Know-how, der Zugang zu Informationen, der Austausch mit KollegInnen. Um solche Ressourcen zu schaffen, zur Verfügung zu stellen und die Herausforderungen in der Flüchtlingsarbeit gemeinsam besser bewältigen zu können, wurde der Verein 1991 „asylkoordination österreich“ gegründet. Zu den wesentliche Aufgaben, die von der „asylkoordination“ wahrgenommen werden, zählen « Erfahrungsaustausch über die Behördenpraxis bei regelmäßigen Treffen e Leitung thematischer Arbeitsgruppen (unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, psychotherapeutische Einrichtungen für Folterüberlebende und Extremtraumatisierte, asylrechtlicher Arbeitskreis uam.) « Weiterbildungsangebot ¢ Dokumentation und Recherche « Strategisches Netzwerk AGENDA ASYL e Öffentlichkeitsarbeit ¢ Lobbying ¢ Antirassistische Bildungsaktivitaten ¢ Vernetzung mit antirassistischen und entwicklungspolitischen Organisationen, Kinderrechte-Einrichtungen, MigrantInnenBeratungsstellen und MigrantInnen- und Flüchtlingsorganisationen « Patenschaftsprojekt für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge „connection people“ Vernetzung und Zusammenarbeit wird von der „asylkoordination“ nicht nur auf nationaler, sondern auch auf transnationaler Ebene betrieben. Sie ist Mitglied in europäischen Netzwerken wie Seperated Children in Europe, United for Intercultural Action (ein Europäisches Netzwerk von 550 Organisationen, die gegen Rassismus, Faschismus, Nationalismus und unterstützend für Flüchtlinge und MigrantInnen arbeiten) und Dachverbänden wie ECRE (European Council for Refugees and Exiles — Europäischer Flüchtlingsrat). Dieses europaweite Netzwerk von 69 NGOs setzt sich für eine humane und großzügige europäische Asylpolitik ein und will den Schutz und die Integration von Asylwerbern, Flüchtlingen und intern Vertriebenen fördern, gestützt auf Menschenwürde, Menschenrechte und Solidarität. Das ECRE Netzwerk arbeitet auf verschiedenen Ebenen. Thematische Arbeitsgruppen mit VertreterInnen der Mitgliedsorganisationen verfolgen die politischen Entwicklungen hauptsächlich auf EU-Ebene, erstellen Positions-Papiere und arbeiten Methoden und Strategien für Lobbying aus, um Einfluss auf die EU Asylund Flüchdligspolitik zu nehmen. Ein Netzwerk von Praktikern, Juristen und Anwälten dient dem Austausch unter Experten, deren Expertise fließt auch in Studien ein, in denen asylrechtliche Fragen europaweit untersucht werden. Um auf Ihemen europäischer Dimension aufmerksam zu machen, werden vom Brüsseler Büro von ECRE öffentlichkeitswirksame Aktionen koordiniert. „Asylkoordination Österreich“ hat sich 2011 am European Umbrella March beteiligt und am 20. Juni, dem internationalen Tag des Flüchtlings, in Wien eine Kundgebung organisiert; am selben Tag wurde der symbolische Schutzschirm in acht anderen europäischen Ländern für Flüchtlinge aufgespannt. Durch das ECRE Netzwerk werden nicht nur gemeinsame Anliegen an eine europäische Asylpolitik formuliert, es erleichtert auch den Kontakt und die Zusammenarbeit mit NGOs in anderen Ländern. Zahlreiche transnationale Projekte, an denen österreichische NGOs beteiligt sind, haben neben den jeweiligen Projektergebnissen auch dazu beitragen, den Horizont zu erweitern, Vergleiche mit der Flüchtlingspolitik in anderen Ländern zu ziehen und Anregungen für die Arbeit in Österreich zu gewinnen. Auch die „asylkoordination österreich“ profitiert immer wieder von dieser Zusammenarbeit auf europäischer Ebene. Anny Knapp ist Expertin für Asylrecht, Obfrau des Vereins asylkoordination österreich, Koordinatorin des European Council on Refugees and Exiles (ECRE) Netzwerks für Österreich. Mai2012 57