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Businesswelt von heute kämpfe ich auch gegen diese Türen und die Mannersysteme, wo es viel Macht und Geld gibt. Und wenn ich mit einem Projekt komme, das eine bestimmte Größenordnung überschreitet, fragen sie mich, warum ich ein so großes Projekt machen will, einen männlichen Kollegen würden sie so etwas nie fragen. Das heißt, dass ich das, was ich als Flüchtling erlebt habe, als Frau in der Arbeitswelt wieder erlebe. Das sind die Parallelen, die ich entdecke, und das ist so, wie unsere Welt funktioniert; es gibt Systeme, die viele ausschließen, und das ist eines davon. Joana Radzyner: Frau Tausig, wie war das bei Ihnen, wie haben Sie das in England und nach der Rückkehr erlebt? Und gibt es diese Exilerfahrung, dass die Frauen anders behandelt wurden als die Männer und ihnen anderes zugemutet wurde als den Männern. Johanna Tausig: Meine persönliche Erfahrung war: Die Burschen, die in die Kriegsindustrie gegangen sind, haben auch Kurse machen müssen. Wir haben also nähen gelernt und sie haben gelernt, mit den Drehmaschinen umzugehen. Aber wir waren ja alle Laien, es war janiemand von uns vorher Lehrling, dassche ich eigentlich keine Diskriminierung als Frau. Wir waren vier Mädchen, die, wie wir als Hausmädchen weggegangen sind, alleine gewohnt hatten. Ich habe keine Diskriminierung als Frau erlebt, sorry. Maria Dorothea Simon: Ich habe auch keine diskriminierende Erfahrung. Radzyner: Das ist interessant, denn eigentlich heißt es meistens, dass die Frauen doch in gewisser Hinsicht diskriminiert waren, aber möglicherweise hängt das auch damitzusammen, dass Sie dort noch niemanden erhalten mussten. Simon: Die Frauen in der englischen Emigration haben esim gewisser Hinsicht leichter gehabt, wenn sie im Haushalt arbeiten konnten, da haben sie Wohnung und Essen gehabt, aber für Männer war das viel schwieriger. Und diese Art von Jobs, die man damals als Flüchtling bekommen hat, gibt es ja heute nicht mehr. Damals waren es manchmal auch ganze Familien, also der Vater war der Butler, die Frau war die Köchin und die Tochter war das Stubenmädchen. Wo gibt es heute solche Jobs? Rosa Emilia Cortés: Bei den chilenischen Flüchtlingen war es so, dass sich Männer politisch viel stärker betätigt haben und die Frauen arbeiten gegangen sind, um die Familie zu erhalten. Deswegen sind auch sehr viele Ehen in Brüche gegangen. Aber in den Kollektivvertwägen waren die Frauenlöhne schon niedriger als die der Männer... Simon: Und damals auch im öffentlichen Dienst. Offiziell sind sie heute im öffentlichen Dienst in England nicht mehr niedriger, das hat sich geändert, aber damals war es schon so. Tausig: Die gut bezahlten Jobs haben dann doch die Männer bekommen, es gab nicht gleichen Lohn für die gleiche Arbeit, um das geht es ja bei uns. Radzyner: Na gut. Wir haben also festgestellt, dass sich die Herren mit der Politik beschäftigt haben und die Frauen mussten schauen, wie man den Alltag bewältigt, ja? Cortes: Ja, es waren meistens die Frauen, die die Familien erhalten haben. Radzyner: Sie haben doch vorher etwas Interessantes gesagt, was Sie in Wien erlebt haben, in Bezug auf chilenische oder lateinamerikanische Männer... Cortés: Ja, das wird von den Europäerinnen so gesehen, aber ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass es auch als Latina Vorteile und Nachteile gibt, der erste Eindruck ist exotisch, Tür auf, aber später ist die Intelligentere doch nicht intelligent. Ich habe immer das Gefühl, dass ich mehr leisten sollte, besser sein musste, damit ich gleichgestellt werde. Es ist sehr subtil... ich merke das auch bei 64 ZWISCHENWELT meinen Kolleginnen, die oft z.B. sagen: Sie haben einen Abschluss aus Afrika, man weiß ja nicht, was in Afrika so gelehrt wird. Ich wundere mich immer noch, das sind ja Personen in Wien, die engagiert sind, und trotzdem praktizieren sie die europäische Denkweise, das ist sehr peinlich. Radzyner: Das heißt, die Frau musste meistens zurückstecken, das gab es ja auch im Zweiten Weltkrieg, dass es bei den mutigen Intellektuellen und Schriftstellern die Frau war, die das Überleben sichern musste. Cortes: So viele Intellektuelle hatten wir in Wien nicht, aber ich habe trotzdem dasselbe gemacht, es waren wenige Intellektuelle, aber sie waren Männer. Ich war verheiratet mit einem Journalisten, er war ein Intellektueller und hat wirklich einen Job gehabt, aber fast alle diese Männer sind an Krebs gestorben, auch mein Mann. Ich bin mittlerweile überzeugt, dass diese Krebskrankheit eine Krankheit der Seele ist. Die Intellektuellen waren Menschen, die in der Heimat relativ Erfolg hatten und dann total abgestürzt sind, und das mit dem männlichen Stolz zu verkraften, war schr schwierig. Da gibt es einen Unterschied zu den Frauen. Wir sind stolz, aber unser Stolz liegt wo anders, auch die Familie ist eine wesentliche Sache. Und wenn sie zum Essen haben und alles gut geht, sind wir auch stolz darauf. Radzyner: Wie ist das bei der Frente Polisario? Hamdi: Es ist nichts anderes. Ich stehe in einem Männerberuf, ich habe nur zwei Kolleginnen, der Rest sind Männer. In den europäischen Ländern bin ich mittlerweile die einzige Frau. Und ich kenne das schon sehr gut. Ich arbeite mit vielen Männern zusammen, die sich als progressiv und emanzipiert bezeichnen, weil alles andere nicht zeitgemäß ist. Aber die Frauen haben den sechsten Sinn und man spürt trotzdem: Wenn es um wirklich heiße Diskussionen geht, bekommt man zu fühlen, dass die Politik doch nicht Frauensache ist. In der Organisation besteht an sich eigentlich Gleichberechtigung, es wird um Gleichberechtigung gekämpft, aber ich habe ja vorher erzählt, dass die Frauen die Flüchtlingslager organisierten und die Männer kämpfen gegangen sind. Der Mann bekommt also die positive, schr aktive Rolle des Beschützens und der Opferbereitschaft für seine Familie, die auch die Kinder und Frauen beinhaltet, und die Frauen bekommen immer, das kennen wirvon den Bildern, die passive Rolle als Zivilisten und Opfer. Das ist bei uns nicht anders und kann gar nicht anders sein, obwohl das im Frauendiskurs bewusst ist und wir auch wirklich versuchen, den Männern zu sagen, dass sie uns nichts geschenkt haben, weil wir auch aktiv gekämpft haben, zwar nicht mit der Waffe - obwohl es auch Frauen an der Front gegeben hat —, aber im Großen und Ganzen haben die Frauen an anderen Fronten gekämpft. Und ich glaube schon, dass das zu einem Bewusstsein der Frauen sehr beiträgt und Unterstützung bringt. Aber ich lebe ja auch nichtnur mit meinen Kollegen, ich lebe hier in dieser Stadt und wenn ich ins Außenamt gehe, treffe ich keine Frau. Ich bin seit sechs Jahren in Österreich, wir haben mit der Fremdenpolizei und mit der Arbeit in Entwicklungsprojekten zu tun, aber überall sind Männer. Radzyner: Erfordert Ihr Kampf in Ihrem Fall den Verzicht aufeine Familie? Hamdi: Nein, ich bin verheiratet und habe einen Sohn. Aber ich habe einen tollen Mann, er erzieht mein Sohn allein. Ich konntemirschon den Mann selber ansehen, den ich heirate, und mein Mann hat drei Jahre auf seinen Beruf verzichtet, war mit mir in Österreich, ohne Papiere, und hat unser Kind erzogen. Jetzt arbeitet er in Deutschland und istalleinerziehender Vater, mehr oder weniger. Natürlich komme ich manchmal, aber diebeiden Männer kommen ohne mich aus. Ich habe also ein siebenjähriges Kind und mein Mann ist ein arabischer Muslime aus der Westsahara.