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in Jerusalem“ geben beredt Auskunft über ihre Schriftstellerexistenz. Gerdas Freundin Judith Hübner schildert in ihren Aufzeichnungen ein wenig zu detailliert ihren Lebensweg. Ihr Wien, in der sie „eine wirklich gute und schöne Kindheit“ hatte, wird in den dreißiger Jahren zum Albtraum: ein feindliches Wien. Sie ist die einzige ihrer Familie, der die Flucht aus Österreich gelingt und die Einreise nach Palästina mittels eines Zertifikats gewährt wird. Ihre Eltern und ihre neun Jahre jüngere Schwester werden von den Faschisten ermordet wie viele ihrer Freunde und Verwandten. „Vom lieben Herrgott habe ich zwei große Gnaden erfahren, die größere war, dass er mich noch rechtzeitig vor der Shoah rettete, die etwas kleinere, dass ich noch das alte Erez Israel ... kennenlernen konnte. Das war ganz anders als heute, die Menschen waren warmherziger“. An der Hebräischen Universität in Jerusalem studiert Leidenschaft für Zahlen Der Band 108 der ebenso vortrefllichen wie anspruchsvollen Reihe „Jüdische Miniaturen“ widmet sich zwei Frauen: Margarete Kahn (1880 — 1942) und Klara Löbenstein (1883 - ?). Sie werden als zwei bemerkenswerte Beispiele „für die Emanzipation der Frauen und der Juden in Gesellschaft und Beruf sowie die der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer an deutschen Universitäten“ vorgestellt. Beide Frauen entstammten jüdischen EIternhäusern aus Eschwege, die nicht nur den Söhnen, sondern auch den Töchtern ermöglichten, sich zu entfalten. Extern legten sie an Knabenschulen ihr Abitur ab und studierten von 1904 bis 1909 neben Physik und philosophischer Propädeutik Mathematik in Berlin und Göttingen, wo Felix Klein und vor allem David Hilbert sich als vorurteilsfreie Förderer des Frauenstudiums hervortaten, war doch für Frauen ein reguläres Studium in Preußen erst ab 1908 möglich. Unabhängig von Geschlecht und Konfession erfuhren Studierende bei Hilbert, der seinerzeit neben Henri Poincare als herausragendster Mathematiker galt, Aufmerksamkeit und Unterstützung: „Es stehen ja manche unter Ihnen, meine Herren, dem Frauenstudium nicht günstig gegenüber. Ich bitte Sie aber für das Fach der Math. von einer Bethätigung dieser Abneigung abzusehen.“ Zeitgleich nahmen sich Margarete Kahn und Klara Löbenstein des 16. Problems von 23 ungelösten mathematischen Problemen an, die Hilbert in einer programmatischen Rede auf dem internationalen Mathematikerkongress in Paris im Jahre 1900 formuliert hatte. Auf dem Gebiet der Kurventopologie promovierten beide bei ihm. In seinen Gutachten bescheinigte er ihnen die Fähigkeit zu strenger analytischer Forschungsweise und beurteilte ihre Arbeiten sie, erwirbt ein Diplom als Lehrerin, den M.A. für Rechtswissenschaft, engagiert sich in der national-religiösen Partei, war sie doch „nicht erst in den Jahren der Verfolgung ... Zionistin, sondern ... von Anfang an“, ist 1983-87 israelische Botschafterin in Norwegen und 1990-99 zuerst Stadträtin und dann Vizebürgermeisterin von Jerusalem. Im September 2000 erhält sie die Ehrenbürgerschaft von Jerusalem, „die größte Auszeichnung, die ich mir vorstellen kann“. Und Wien? In offiziellen Angelegenheiten ist sie des Öfteren in Wien gewesen: „Die Stadt ist wunderschön, aber für andere, nicht für mich. Wenn ich ... in einem Taxi fuhr, dessen Fahrer in meinem Alter war, dachte ich immer daran, dass er vielleicht auch Juden umgebracht habe.“ Weder als Tourist noch als Heimkehrer fühlt sie sich, zu tief sitzen und zu schmerzlich sind die Erinnerungen. Hübners Ausführungen zum Ihema „Wer ist Jude?“ — einer zentralen Frage israelischer mit „sehr gut“. Am 30. Juni 1909 absolvierten sie ihr Rigorosum und ein Jahr später wiederum zeitgleich erfolgreich die wissenschaftliche Prüfung für das Lehramt an höheren Schulen ab. Zwar gehörten Margarete Kahn und Klara Löbenstein nun zu den wenigen jüdischen Frauen, die als Oberlehrerinnen, später Studienrätinnen, tätig waren, aber ein Aufstieg zur Oberstudienrätin oder Studiendirektorin war ihnen wegen ihrer jüdischen Religionszugehörigkeit im preußischen öffentlichen Dienst verwehrt. An unterschiedlichen Orten gingen beide ihrer Lehrtätigkeit in Mathematik nach: „Gleich der Eintritt in den Beruf warf uns ganz auseinander, Frl. Kahn nach dem Osten, nach Kattowitz, mich in den äußersten Westen nach Metz.“ Es sollten wechselnde Einsatzstellen folgen, bis sie nach dem von den Nazis erlassenen sogenannten Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums 1936 in den Zwangsruhestand versetzt wurden. Margarete Kahn wollte oder konnte nicht emigrieren und erlitt das Schicksal vieler in Deutschland verbliebener jiidischer Biirger: Entrechtung, Zwangsarbeit und Deportation in das Lager Piaski, wo sich ihre Spur verliert. Im Fall Klara Lobenstein lief sich herausfinden, dass sie 1941 nach Argentinien floh und mit ihrer Schwester Erna, die für sie bürgte, zusammentraf und vermutlich zusammenlebte. Anfänglich unterrichtete sie in Buenos Aires, aber ihr weiteres Leben, wann und wo sie starb, ist bis heute unbekannt geblieben. Christina Prauss, eine der Autorinnen, widmet sich der weiteren Spurensuche in Argentinien. Das Buch rekonstruiert eindrucksvoll den beschwerlichen Lebensweg zweier jüdischer Frauen und herausragender Mathematikerinnen, liefert Staatlichkeit — sind nicht nur interessant, weil sie lange Jahre die zustandige Beamte im israelischen Innenmisterium war, sondern auch wegen des Humors, mit dem sie die Widersprüche zwischen halachischem Gesetz und jüdischer Realität abhandelt. So unterschiedlich die Wege der beiden Frauen sind, ihnen gelingen immer wieder atmosphärisch dichte und lebendige Schilderungen. Einzig das Anknüpfen und Festhalten freundschaftlicher Bande zwischen beiden erschließt sich dem Leser über ihre autobiographischen Aufzeichnungen nicht. Christiana Puschak Gerda Hoffer, Judtih Hübner: Zwei Wege ein Ziel. Zwei Frauenschicksale zwischen Wien und Jerusalem. Hg. von Evelyn Adunka und Konstantin Kaiser. Wien: Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft 2012. 245 S. Euro 21,ein anschauliches Bild von der mathematischnaturwissenschaftlichen Entwicklung und der Frauenbildungsreform in Preußen, berichtet über die Hürden, die Gegner des Frauenstudiums errichteten, zeigt die Ent- und Abwertung von Frauen und Juden wie die Reduktion und Funktionalisierung von Mathematik auf alltagstaugliches Rechnen, von Chemie auf Kochen und Putzen und von Biologie auf Rassenkunde wahrend der Zeit des Faschismus in Deutschland. Auf Veranlassung Berliner MathematikerInnen erfährt Margarete Kahn seit 2008 vor ihrem letzten freiwilligen Wohnsitz in der Rudolstädter Straße in Berlin-Wilmersdorf ein ehrendes Gedenken - mit einem „Stolperstein“. Ein weiterer vor ihrem Elternhaus erinnert seit 2010 an das erste „Fräulein Doktor“ aus Eschwege. Eine ähnliche Würdigung Klara Löbensteins harrt noch der Ausführung. Wie viele andere Talente war auch das Margarete Kahns und Klara Löbensteins für Deutschland, das Herta Freitags, Hilda Geiringer-Mises, Olga Hahn-Neuraths und Olga Taussky-Todds für Österreich wegen des Rassenwahns der Nationalsozialisten für die mathematisch-naturwissenschaftliche Entwicklung in beiden Ländern lange Zeit ins Vergessen geraten. Christiana Puschak York-Egbert König, Christina Prauss, Renate Tobies: Margarete Kahn und Klara Löbenstein. Mathematikerinnen — Studienrätinnen — Freundinnen. Berlin: Hentrich & Hentrich 2012. 80 S. 24 Abb. Euro 8,90 Mai 2012. 7/5