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jeder Minute Verspätung ein Kuchenstück, ein Aidatorterl, eine Erdbeere mehr auf Siglindes Porzellanplatte liegen würde. Denn, wie Siglinde natürlich auch wusste, waren ein bisserl Zucker und „so Vitamine halt“ fürs Denken nicht schlecht... Ich werde, und da dürften mir Monika und Matthias wohl zustimmen, diese Minuten der Verspätung, die entspannte Freude und Vorfreude, die angespannte Konzentration, den genussvollen Gedankenaustausch, die weise, die starke und die schöne, ewig andauernde, gemeinsame Arbeit zwischen den Spezialistinnen Siglinde und den Erdbeeren aus dem Burgenland, werde Deine Minuten der Verspätung, in denen Du so viel für uns getan hast, werde Dein alles erklärendes Lächeln, werde Dich nie vergessen — danke Siglinde! Und: Siglinde, wir setzen deine Arbeit fort! Ariane Umathum Der Tod unserer geliebten Frau Professor Bolbecher hat unter uns Studierenden Traurigkeit und Bestiirzung hervorgerufen. Wir hatten es im Unterricht mit einer so tollen Frau und Lehrerin zu tun, die mit Courage und Humor unseren Blick auf die Oberflachlichkeiten des Lebens lenkte. Leidenschaftlich und dennoch sehr zart hat sie uns ihr umfassendes Wissen näher gebracht. Sie hat von uns die Bereitschaft zum Wach-Sein eingefordert und war uns eine Mahnerin gegen Abgestumpftheit und Resignation. In ihrer Suche nach einer gerechteren Welt, hatten keine billigen Antworten Platz. Wir sehen ihre Lebens-Wachheit noch immer in ihrem Gesicht. Sie war eine Frau, die mit ihrer entfesselten und unkonventionellen Art zu denken eine große Faszination auf uns ausgeübt hat. Das ist unsere Erinnerung, die nach 20 Jahren auftaucht und bleiben wird. Danke, Frau Professor. Vladimir Vertlib Es gibt Menschen, die von der Energie anderer leben, es gibt welche, die immer eine neutrale Distanz wahren, und es gibt Menschen, die andere wie selbstverständlich an ihrer Energie teilhaben lassen, die ihre eigenen positiven Gefühle ohne große Gesten weiterreichen: Das sind Menschen, die sich selbst verschenken, weil sie das als ihre Aufgabe anschen oder einfach nicht anders können. Siglinde war ein solcher Mensch. Nach jedem Treffen mit ihr fühlte ich mich stärker, besser, und auch ihre kritischen Bemerkungen, stets hintergründig und humorvoll vorgetragen, erlebte ich als eine Bestätigung, als Kraftspender bei dem, was ich plante oder tat, als Wegweiser oder als Fährtenleger, je nachdem... Nicht nur ich, sondern alle, die Siglinde kannten, schätzen die Augenblicke, wenn der Schalk in ihren Augen aufblitzte und in einem Scherz, so bitter er manchmal auch sein mochte, ihre Warmherzigkeit erkennbar wurde. Siglindes Humor hatte einen besonderen Charme. Man konnte mit ihr wunderbar „Schmäh führen“ — und das mit Esprit, auf eine Art und Weise, die stets treffend und niveauvoll war und niemals Gefahr lief, beliebig zu werden... Was ich an Siglinde ganz besonders schätzte? Ihr Engagement, ihre Haltung, ihr positives Menschenbild, ihren Glauben an die Macht des Wortes und der Tat, ihre Verachtung für die hierzulande so populäre Ideologie der Resignation und des Zynismus — die Vorstellung, jegliche Änderung zum Besseren sei Illusion und jegliche Hoffnung auf Änderung Naivität. Siglindes „Naivität“ war mir tausendmal lieber als die abgeklärte Distanziertheit anderer. Wofür ich Siglinde ganz besonders bewunderte? Für die Art und Weise wie sie die vielen Rollen und Aufgaben ihres Lebens meisterte und zu verbinden wusste, wie sie Mehrfachbelastungen, Enttäuschungen und Niederlagen ertrug, ohne zu verzagen oder gar aufzugeben, und wie sie sich bis zuletzt jeder neuen Aufgabe mit beinahe jugendlichem Elan und vollem Einsatz hingab. Was Siglinde außergewöhnlich macht? Sie gehört zu den wenigen Menschen, von denen man — ohne sogleich ein relativierendes „Andererseits“ anfügen zu müssen — sagen kann, sie haben dazu beigetragen, dass die Welt, in der wir leben, zum Zeitpunkt ihres Todes ein etwas besserer Ort geworden ist, als er zum Zeitpunkt ihrer Geburt gewesen war. Dies mag nur einen bestimmten Bereich, einen Teil dieser Welt betreffen, doch die Auswirkungen des erwähnten Beitrags haben Positives und Nachhaltiges bewirkt. Siglinde hat mitgeholfen, die Verhältnisse zu ändern, damit ein besseres Miteinander möglich wird. Liebe Siglinde, Dein Tod hat mich erschüttert, ich vermisse Dich, und doch weiß ich, dass Du mich und andere, denen Du wichtig warst, weiterhin begleiten, dass Du präsent bleiben und uns Kraft geben wirst, so wie all jene, die von uns gegangen sind und uns teuer waren, eigentlich gegenwärtig bleiben, weil sie in uns selbst für immer einen Platz gefunden haben. Bernhard Kuschey Liebe Siglinde, zu Deinen letzten Geburtstagen hatte ich Schwierigkeiten, Dir zu schreiben. Ich hatte das Gefühl, dass Du Dich in Überforderungen befunden hast, von denen Du auch immer wieder mit mir gesprochen hast. Also habe ich Dir regelmäßig viel Kraft gewünscht oder Dich gebeten, Dich auch zu schonen. Ich hatte also das Problem, mich nicht zu wiederholen, und Du hast meine Wünsche oder meine Bitte mit einem sanften Lächeln angenommen, besprechbar waren sie aber kaum. Dass sich in Dir schwere Krankheiten entwickelt haben, steht wohl auch mit den Überforderungen in Zusammenhang, die Dir zugemutet worden sind und die Du Dir zugemutet hast. Du warst in Pionierprojekten engagiert, die von den österreichischen politischen und kulturellen Bürokratien cher behindert als gefördert worden sind. Wer hierorts Wichtiges und Richtiges tun will, hat mit erheblichem Widerstand zu kämpfen. Da Du eine engagierte Persönlichkeit bist, die Erstaunliches auf den Weg gebracht hat, hast Du Deine Kräfte übermäßig anspannen müssen. Ach, wie oft haben wir uns über die behindernden österreichischen Verhältnisse beklagt! Diese Psychohygiene war manchmal mühselig, meist aber doch auch vergnüglich. Aber das Grundproblem, dass Engagierte in Österreich an der Beseitigung von Hindernissen allzu oft aufreiben, war nicht zu überwinden. Und ich denke, diese üble Konstellation produziert böse Folgen, die die Engagierten zu tragen haben. Oktober 2012 9