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vermag, dass er die Mittel zu seinem Unterhalte besitze oder redlich zu erwerben suche, ist als Landstreicher zu bestrafen. Die Strafe ist strenger Arrest von ein bis zu drei Monaten.“ Auch wegen eines weiteren heute längst nicht mehr strafrechtlich verfolgten ‚Verbrechens‘ wurde Leopold Karner nach diesem Gesetz angeklagt, verurteilt und eingesperrt: „$ 2. Wegen Bettelns ist zu bestrafen: 1. Wer an öffentlichen Orten oder von Haus zu Haus bettelt oder aus Arbeitsscheu die öffentliche Mildtätigkeit in Ansprech nimmt. Die Strafe ist strenger Arrest von acht Tagen bis zu drei Monaten.“ 1927 wurde Leopold Karner vom Bezirksgericht Graz nach Paragraph zwölf des Strafgesetzbuches, also wegen „Beleidigungen der öffentlichen Beamten, Diener, Wachen, Eisenbahnangestellten usw.“, zu vierzehn Tagen Arrest verurteilt. Kein Frage, dass Leopold Karner mit einer solchen Latte an Vorstrafen gerade in den wirtschaftlichen Krisenzeiten der Zwanziger und Dreißiger Jahre wohl nirgends in Österreich eine ordentliche Arbeitsstelle gefunden hat, wahrscheinlich auf mühselige und schlecht bezahlte Tagelöhnerjobs etwa als saisonaler Erntehelfer angewiesen war und sich daher niemals aus dem Vagabundenleben befreien konnte. Seine bittere Armut und vermutlich langjährige Obdachlosigkeit kosteten ihn schließlich sogar das Leben, der Verwaltungsmord an der armseligen Karnerschen Existenz wurde im KZ Mauthausen endgültig vollstreckt. Leopold Karner ist wohl kein beispielhaftes, kein edles und makelloses, kein heldenhaftes NS-Opfer, schon gar kein Widerstandskämpfer. Er taugt nicht für die Geschichtsbücher. Er ist kein Bild für die antifaschistische Auslage. Keine politische Richtung würde ihn für sich reklamieren wollen. Er ist Zeit seines Lebens öfters mit dem Strafgesetzbuch in Konflikt geraten. Aber wenn er gestohlen hat, so viel ist sicher, dann wohl doch nur, um sein armseliges Leben zu fristen, um nicht zu verhungern. Leopold Karner war ein Mensch. Die Todesstrafe — und die Deportation in ein KZ war nichts anderes als eine solche — hatte er jedenfalls nicht verdient. 1955, kurz nach dem Abzug der Roten Armee aus St. Pölten, wurde wohl auf Betreiben des sozialdemokratischen Bürgermeisters Dr. Wilhelm Steingötter die Jean-Paul-Straße, die seit 1933 diesen Namen getragen hatte, in Weinheberstraße umbenannt. Der neue Namenspatron war der österreichische Schriftsteller und einst prominente (Kultur-) Nazi Josef Weinheber. Der 1892 in Wien geborene Sohn eines Gasthaus-Geschäftsführers wuchs in kleinbürgerlichen Verhältnissen auf. 1897 landete er in einer Anstalt für schwer erziehbare Kinder in Ober St. Veit. Ab 1899 lebte er wieder zu Hause. Nach dem Tod des Vaters wurde er 1901 in das Hyrtlsche Waisenhaus in Mödling gegeben. Dort erhielt er einen Freiplatz am Gymnasium, schied aber 1908 aus dieser Mödlinger Schule. Danach arbeitete er zunächst bei der Austria-Brauerei in Wiener Neudorf und ging später in eine Lehre als Roßfleischhauer bei Verwandten in Wien. 1911 trat er in die Dienste der Post. 1920 debütierte er mit dem Gedichtband „Der einsame Mensch“. 1925 erschien der autobiographische Roman „Das Waisenhaus“. 1932 ging er als Postinspektor in Pension und lebte als freier Schriftsteller. „Enttäuscht von dem mangelnden Erfolg seiner Bücher und überzeugt von der eigenen ‚dichterischen Größe‘ war Weinheber schon am 18. Dezember 1931 der NSDAP beigetreten. Er avancierte zum Fachschaftsleiter für Schrifttum im österreichischen ‚Kampfbund für deutsche Kultur‘ und arbeitete nach dem Verbot der NSDAP in Österreich im Juni 1933 illegal weiter für die Partei. Als Kulturreferent der Wiener Gauleitung 30 ZWISCHENWELT wurde er bei einem konspirativen Treffen im Marz 1934 verhaftet. Obwohl er in diesem Jahr die Zahlung von Mitgliedsbeiträgen an die NSDAP einstellte, blieb er der Partei verbunden und wurde von der NS-Kulturbürokratie in Deutschland hofiert“, schreiben Hans Sarkowicz und Alf Mentzer in ihrem biographischen Lexikon „Literatur in Nazi-Deutschland“. 1934 schaffte er mit dem Lyrikband „Adel und Untergang“ den Durchbruch. 1935 erschien sein „Deutscher Gruß aus Österreich“. 1936 wurde er zum Professor ernannt. 1941 wurde er mit dem Grillparzer-Preis ausgezeichnet. 1942 wurde er Ehrendoktor der Universität Wien. 1945 beging Josef Weinheber in Kirchstetten Selbstmord. Bei der Umbenennung der Jean Paul-Straße in Weinheberstraße in der Sitzung des St. Pöltner Gemeinderates vom 21. November 1955 entwickelte sich die bisher regste Debatte, die je über einen Straßennamen in diesem Gremium geführt worden ist. Als zeitgeschichtliches Dokument geben wir diese Diskussion hier wieder: Gemeinderat Kupferschmid: Bei diesem Antrag sind uns einige Straßennamen aufgefallen. Ich glaube, es ist die Umbenennung der Jean Paul-Strafse in Weinheberstrafse. Josef Weinheber ist ein Dichter, der in unserem Bezirk gelebt und gewirkt hat. Wer in den letzten 15 Jahren in St. Pölten gelebt hat, weiß, welchen Rummel man hier in den Jahren 1940 bis 1942 um Josef Weinheber gemacht hat. Es hat zahllose Abende gegeben, an denen dieser Dichter, der ein ausgesprochener Nazidichter war, Vorlesungen abgehalten hat, die große Parteiveranstaltungen waren. Ich glaube es ist in unserer Zeit und gerade im Jahr der Befreiung und des Abschlusses des Staatsverirages sowie des Abzuges der Besatzungsmächte wirklich nicht einer Stadt wie St. Pölten würdig, einem Nazi ein Denkmal zu setzen, indem man nach ihm eine Straße benennt. Zwischenruf Gemeinderat Lininger: Weil er zufällig kein Kommunist war! Gemeinderat Kupferschmid: Ich weiß nicht, ob nicht ein grundlegender Unterschied zwischen einem Kommunisten und einem Nazi besteht. Zwischenruf Gemeinderat Branschovsky: Bei Ihnen, Herr Gemeinderat Lininger, vielleicht in umgekehrten Sinn. Gemeinderat Kupferschmid: Jedenfalls protestieren wir, daß ein Nazi dieses Formats und wenn er auch Schrifisteller war, so geehrt wird. Wir wissen, welchen Einfluß gerade diese Kunstform genommen hat, daß es zu diesen Verbrechen gekommen ist. Die zwei anderen Namen, die uns auffallen, sind die Auerspergstraße und eine Liechtensteinstrafse. Ich möchte natürlich diese beiden Namen in keine Beziehung zu einem Nazidichter bringen. [...] Jedenfalls stimmt unserer Fraktion für die Straßenbenennungen aber wir möchten ersuchen, dass man sich in diesen drei Fällen der Ausschuss nochmals beraten möchte und vielleicht andere Namen finden wird, damit Würdigere auf den künftigen Straßentafeln zu lesen sind. Gemeinderat Dr. Korner: Ich glaube, daß das gute Gefühl des österreichischen Volkes in dem Namen Josef Weinheber heute nur den Dichter kennt und nicht, wie hier dargestellt wird, den Nazi. Aber um die Meinung der Kollegin Kupferschmid zu beruhigen, möchte ich vielleicht das Ansuchen stellen, bei nächster Gelegenheit eine Strafe in St. Pölten nach Schostakowitsch zu benennen, denn wir stehen nicht an, die Qualität des Musikers Schostakowitsch in Zweifel zu ziehen. [...] Bürgermeister: Ich möchte den beiden Rednern der KPÖ folgendes antworten. Josef Weinheber gehört, und ich bitte die Mitglieder der Kommunistischen Partei, sich in unserer Volksbibliothek die