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Überlebensmöglichkeiten der slowenischen Bauernkultur, aus der die Familie stammt. Dabei mussten die nationalsozialistische Aggression gegen die Slowenen und deren Versuch des Widerstandes die Dreh- und Angelpunkte des Theaterstiicks werden. Die Familienmitglieder decken symbolisch die Skalen von Widerstand bis zur Anpassung an das gewalttätige Geschehen ab. Zwei Personen kämpfen bei den Partisanen, was historisch nicht der Fall war; die Mutter arrangierte sich mit den Gegebenheiten. Diesem Umstand hat Peter Handke sein Leben zu verdanken. Er entstammt einer kurzen Liebe seiner lebenslustigen Mutter mit einem deutschen Wehrmachtssoldaten, den er erst als Erwachsener kennen lernen wird. Er wurde also zum „unmöglichen“ Kind, kein Wunder, dass er zum Suchenden im Labyrinth der Kärntner und slowenischen Identitäten wurde. Und er kann dies tun, ohne seine Mutter zu desavouieren. Es war für mich außerordentlich zu sehen, wie respektvoll er das Leben seiner Mutter darstellt, ohne je in die Falle zu geraten, sie als „Kollaborateurin“ abzuwerten oder gar auszuschließen. Sein Stück ist gleichsam eine Nachbesprechung der Schreckensgeschichte des nun selbst alt gewordenen Kindes mit seinen Toten. In diesen Gesprächen wird die Liebe zur unterdrückten kleinen slowenischen Nation zum Garanten der Menschlichkeit gegen die überwältigenden Aggressionen der „Deutschen“, aber sowohl Liebe als auch Ablehnung werden angenehm differenziert und ruhig an- und ausgesprochen.‘ Zwei seiner drei Onkel mütterlicherseits hat Handke nie kennen lernen können, weil sie als Soldaten der Wehrmacht getötet worden sind. Der im Krieg Geborene wird durch seine Familiengeschichte zum Träger des Traumas des Krieges. Auch Maja Haderlap, die zwei Jahrzehnte später auf die Welt kam, ist durch die Traumata des Krieges, der nazistischen Aggression und der slowenischen Gegenwehr bestimmt. In ihrem großen Bildungsroman „Engel des Vergessens“ — sowohl Handke als auch Haderlap beziehen sich auf den Engel der Geschichte von Walter Benjamin und Paul Klee — stellt Haderlap dar, wie diese Traumata auf das Leben von Nachgeborenen des großen Weltbrandes einwirken. Sie stellt vor allem die Entwicklung ihres Kinder- und Jugendalters vor, das sich „natürlich“ in Beziehung zu Familienmitgliedern und damit zu Trägern von Kriegs- und Terrortraumata abspielte. Ihre Großmutter wurde der Sippenhaftung unterworfen, weil ihr Mann Partisan war. Sie war Häftling im Frauen-KZ Ravensbrück. Ihr Vater wurde als Zwölfjähriger zu den Partisanen geschickt, um der Sippenhaftung zu entgehen, und wurde von ihnen als Kurier eingesetzt. Die Großmutter erscheint als weise alte Frau, die ihre slowenische Katholizität mit Antifaschismus und den mythischen Riten des agrarischen Lebens zu verbinden versteht. Sie hat nach und nach und dabei gut aufdie Neugierde der Enkelin eingehend Maja Haderlap in die Geheimnisse der Familie eingeweiht. Großartig ist es, wie Maja Haderlap das befreitere Verhältnis zwischen Großmutter und Enkelin zu erzählen vermag, obwohl in ihm Tod und Teufel zutage kommen. Das Verhältnis zu ihrem Vater hingegen ist viel stärker durch dessen Ausagieren der Traumata bestimmt. Für das Kind ist dieser Vater wohl eine Quelle der Furcht, aber die Jugendliche findet dann Zugang zu diesem bedrängten Mann. Als sich der betrunkene Vater in einem suizidalen Zustand befindet, fällt ihr die Rolle eines Nazis ein, um ihm das Mitkommen zu befehlen. Diese auch komisch wirkende Szene scheint einen Bann gebrochen zu haben. Das Leben der jungen Frau wird von den Traumata der beiden vorherigen Generationen durchdrungen, aber sie kann die Welt der Wörter wählen, um mit den Auswirkungen der Traumata zu Rande zu kommen. Aufgewachsen im Lepena-Graben bei Eisenkappel/Zelezna Kapla ist sie sehr auf die Natur bezogen, wobei besonders die Faszination des Waldes keine romantische, sondern eine politische Dimension hat. Der Terminus „in den Wald gehen“ hat dort eine doppelte Bedeutung, weil ja die grünen Kader und die Partisanen auch „in den Wald“ gehen mussten." Es war mir eine Freude, dass Maja Haderlap mit ihrem Roman 2011 den Ingeborg Bachmann Preis gewinnen konnte. Ich verhehle nicht, dass ich mit Schadenfreude die Preisverleihung im Fernschen sah. Freiheitliche Honoratioren hatten die Schriftstellerin slowenischer Herkunft auszuzeichnen, die in ihrem Roman in deutscher Sprache die Fortsetzung des Elends des unbedankten slowenischen Widerstands in der Kinder- und Enkelgeneration beschreibt. Ihr Roman hat das Zeug, verhärtete Menschen aufzuweichen. Nicht dass ich glaube, dass die auszeichnenden Honoratioren das Buch lesen und so in den Genuss der heilsamen Wirkung desselben kommen werden, aber ich konnte in meiner Kärntner Familie feststellen, dass es diese Wirkung bei Menschen hatte, die wenig Bezug zur slowenischen Geschichte haben. Über die Anteilnahme an einer überzeugenden Bearbeitung von Kriegs- und Terrortraumata werden wohl auch eigene Traumata, die über Generationen wirksam sind, verständlicher werden können. Gräben und Wände der Karawanken Im Zuge seiner Arbeit am „Buch der Namen“ hat sich Wilhelm Baum mit dem Schicksal der dreizehn Liquidierten aus Zell Pfarre beschäftigt, die als „grüne Kader“ 1942 von der Gestapo gefasst wurden und in einem „Volksgerichtshofprozeß“ vom berüchtigten Blutrichter Freisler 1943 in Klagenfurt zum Tode verurteilt worden sind. Dabei ist er aufein wichtiges Dokument gestoßen, das alltagsgeschichtlich beinahe mythologisch überhöht war, aber als verloren galt: das Tagebuch des „grünen Kaders“ Thomas Olip, das dieser in den Bunkern in den Wäldern um Zell Pfarre/Selefara geführt hat. Das slowenische Original ist verschollen, aber in den Akten des genannten „Volksgerichtshofprozesses“ tauchte es in der deutschen Übersetzung auf. Wahrscheinlich hat der ermittelnde Klagenfurter Gestapo-Mann, Johann Sellak, der Slowenisch sprach, diese Übersetzung erstellt. Da Olip in seinem Tagebuch seine Kontakte verzeichnete, konnte die Gestapo über die Kenntnis des Tagebuchs andere Menschen verhaften. Dies wurde und wird Thomas Olip vorgeworfen. Aber Baum konnte zeigen, dass die verhafteten Personen auch über andere Ermittlungsergebnisse der Gestapo dingfest gemacht worden sind, nur ein einziger Verurteilter soll allein auf Grundlage des Tagebuchs gefasst worden sein: Florjan Kelih.'* Das kleine Tagebuch Olips, das er in seiner Zeit in den Bunkern vom Juni bis zu seiner Verhaftung am 1. Dezember 1942 geführt hat, ist ein trauriges Dokument der Ausgestoßenheit, Einsamkeit und des zähen Kampfes um Nahrung. Im Zuge der Nahrungsmittelversorgung verzeichnet er die meisten Kontakte. Politische Notizen gibt es darin fast nicht, einige wenige Stellen zeigen Beziehungen zu Partisanen aus Oberkrain, darunter auch zu einem von der Gestapo eingeschleusten Spitzel, der wesentlich für das Auflliegen der „grünen Kader“ um Zell/Sele war. Es ist kein Zufall, dass um Zell die erste größere Gruppe von „grünen Kadern“ 1942 entstand. Zell Pfarre stimmte bei der Volksabstimmung 1920 zu 97% für Jugoslawien. Nach dem „Anschluss“ desertierten ca. 200 slowenische Wehrpflichtige aus Zell und Eisenkappel nach Jugoslawien, darunter auch Thomas Olip. Als Jugoslawien 1941 von NS-Deutschland überfallen wurde, hatten Oktober 2012 45