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am Ende ihres Lebens bei Greta Garbo, die sie im Alter versorgte. Sicher treffen Nottelmanns Interpretationen — so übersteigert sie sind — teilweise auch einen wahren Kern. Salka Viertel war wie jeder Mensch manchmal, und manchmal aufgrund der Umstände öfter, depressiv, launisch und gekränkt. Berthold Viertel war kein Traumprinz, offene Ehen und Affären waren immer schwierig und jede Familie bedeutet auch problematischen emotionalen Ballast. Kein/e BiographIn kann aber nun die dazugehörigen Gefühle so durchschauen und ihre Intensität so minutiös nachvollziehen, wie es Nottelmann auf fast jeder Seite Bucher vorgibt. Ihr Buch verliert damit jede, selbst populärwissenschaftliche Seriosität und wird zum puren Kitsch. Problematisch ist dieser therapeutische Kitsch nun aus mehreren Gründen: Erstens wird Salka Viertels Glaubwürdigkeit desavouiert, indem ihre Autobiographie als reine „Schutzdichtung“ gelesen wird und sie selbst durch die „allwissende Erzahlerin“ Nicole Nottelmann auf ein Gespinst aus Angsten, Aggressionen und Eifersüchteleien reduziert wird, in dem Intelligenz, Vernunft und Moral unwirksam bleiben. Zweitens wird ihre kreative und historische Leistung völlig aus den Augen verloren, beziehungswiese abgewertet, indem sie am heute gültigen Mainstream und „Fortschritt“ gemessen wird. Gerade die Leistung und Kreativität mutiger Frauen im 20. Jahrhundert, und vor allem von Frauen im Exil, ist- auch weil sie sich meist nicht in kanonisierten „großen Werken“ manifestiert — schwierig zu fassen und immer noch mühselig sichtbar zu machen. Problematisch ist es zuletzt auch, die „Schattenseiten weiblicher Selbstverwirklichung“ - deren Darstellung ebenfalls im Klappentext angekündigt wird — so in den Mittelpunkt zu stellen, obwohl es in der Tat „immens modern“ ist. Junge Frauen wissen auch ohne Greta Garbo, dass es sich „lohnt“ die „schönste Frau der Welt“ zu sein. Von Salka Viertel hingegen ließe sich noch etwas anderes lernen: Als ich bei der Arbeit an dieser Rezension mein geliebtes Kinderbuch „Die Perlmutterfarbe“ von Anna Maria Jokl mit dem blau-grauen Pappeinband und vergilbten Seiten wieder zur Hand nahm, stellte ich erstaunt fest, dass ich eines der 1948 gedruckten Exemplare der 2. Auflage vom Dietz-Verlag in Berlin-Ost besaß: in einer heute fast unvorstellbaren Auflagenhöhe von 21 bis 40 Tausend. Aber das Geschehen um die veruntreute Perlmutterfarbe innerhalb der rivalisierenden A- und B-Klassen mit Lügen, Verrat, Freundschaft und falscher Treue, aber letztlich mit dem Mut zur Wahrheit, faszinierte über 246 Seiten, verschen mit Zeichnungen von Herbert Reschke: ein wertvolles Buch nicht nur für die Leser der Nachkriegsjahre, geschrieben bereits 1937 und ebenbürtig beispielsweise Erich Kästners „Emil und die Detektive“. 1992 gab es eine Neuauflage bei Suhrkamp und 2008 eine Filmversion von dem scheinbar unpolitischen „Kinderroman für fast alle Leute“, wie ihn Jokl im Untertitel nannte. Sie war eine Wienerin von Geburt und geprägt von den dort verbrachten Kinder- und Jugendjahren in einer zunächst gutbürgerlichen jüdischen Kaufmannsfamilie. Als sie dann nach dem Tod des Vaters der wieder verheirateten Mutter 1928 nach Berlin folgte, suchte sie neben Möglichkeiten des Broterwerbs vor allem nach Herausforderungen im kiinstlerischen Bereich. Sie begann zu schreiben und sich politisch nach links zu orientieren. Zu dieser Zeit konnte sie nicht ahnen, dass sie gerade dadurch fiir die folgenden zwei Drittel ihres Lebens zu einer Emigrantin werden sollte. Unter dem Titel ,,Aus sechs Leben“ — analog der wichtigsten Lebensstationen von Anna Maria Jokl — hat Jennifer Tharr nun deren skizzenhafte Aufzeichnungen zu verschiedenen Sujets 60 _ ZWISCHENWELT geordnet und kommentiert in einem schönen Buch bei Suhrkamp vorgestellt. „Erinnerungen, Erörterungen, Erläuterungen“ könnte man die Textauswahl überschreiben, die Erlebnisse und Begegnungen während der Emigrationsjahre schildern, aber auch Seelenpein angesichts der historischen Ereignisse und Liebesschmerz um den ebenso verehrten wie begehrten „H“ oder „B“ (bekannt als Johannes R. Becher) offenbaren, dem sie 1933 nach Prag ins Exil folgte, worüber das detaillierte Personenverzeichnis erfreulicherweise aufklärt. Eine ausführliche Zeittafel und ein recht lesenswertes Essay von Itta Shedletzky runden den Inhalt zu einem aussagekräftigen Lebensbild. Jokls Erinnerungen an die Jahre in Prag, diese warmherzige Danksagung für die Solidarität der Prager, des tschechischen Volkes überhaupt gegenüber den von Hitlerdeutschland Vertriebenen - bis das kleine Volk selbst zum Opfer wurde — beeindruckten mich besonders. Solcherart Erinnerungen vermisst man oft in den Berichten ehemaliger Emigranten über die „Zwischenstation“ Tschechoslowakei. „AM]J“, wie die Herausgeberin sie praktischerweise nennt, wurde am 23. Januar 1911 in Wien geboren und wuchs gemeinsam mit zwei Schwestern auf. Nach dem Tod des Vaters 1926 verdient sie ihren Lebensunterhalt als Kindergärtnerin. Als die Mutter in Berlin den Buchhändler und Antiquar S. Seemann heiratet, folgt sie ihr und beginnt 1929 eine Schauspielausbildung, finanziert diese als Stenotypistin und kommt durch Jan Petersen und Berta Waterstradt zum Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller (BPRS). Ab 1930 arbeitet sie bei dem neuen Medium Rundfunk, speziell bis 1933 für die „Deutsche Welle“; sie schreibt u.a. drei Hörspiele, arbeitet mit Bela Gerade 2011 wurde ihre Autobiographie nämlich in der von Hans Magnus Enzensberger begründeten „Anderen Bibliothek“ des Eichborn Verlags als „Quellentext der Exilforschung des 20. Jahrhunderts“, als „Zeugnis einer unkonventionellen Frau, die mit emotionaler Vernunft ihr Leben gestaltete“ und als Beispiel für „Zivilcourage“ wieder aufgelegt. Auch wenn Salka Viertels Memoiren die üblichen Irrtümer, Ungenauigkeiten und Glättungen beinhalten, kann - so der deutsche Schriftsteller und Literaturwissenschaftler Michael Lentz im Nachwort — „von einer Unzuverlässigkeit des Berichteten bzw. der Erzählerin“ nicht die Rede sein. Nicole Nottelmanns spekulative Psychobiographie hingegen erweist sich in ihrer Darstellung Salka Viertels als höchst unzuverlässig. Katharina Prager Nicole Nottelmann: „Ich liebe dich. Für immer“. Greta Garbo und Salka Viertel, Berlin: Aufbau Verlag 201 1. 283 S. Euro 22,99 Balazs als Dramaturgin unter Leitung von Edgar Beyfuß bei der UFA. Bei der Verfilmung ihres Drehbuches „Iratsch“ 1932/33 darf AMJ’s Name als der einer jüdisch-österreichischen Autorin bereits nicht mehr genannt werden. Bald darauf wird Prag die erste Station ihres Exils und die dritte ihres Lebens. Es folgen London, West-Berlin und Jerusalem, wo sie am 21. Oktober 2001 verstirbt. In Prag versuchte AMJ mit dem von ihr eigentlich „ungeliebten Journalismus“ den Lebensunterhalt zu sichern und mit dem Schreiben von Kinderbüchern gegen die „Vorläufigkeit der Emigration“ anzukämpfen. Aber sie wollte nicht vordergründig als Kinderbuchautorin wahrgenommen werden, und notierte dazu u.a. am 16. Januar 1939: „Ich schreibe meine Kinderbücher doch nicht nur für Kinder, sondern so, wie ich mir wünschte, mit Erwachsenen sprechen zu können.“ (S. 274). Aber gerade deshalb ebnete der klare, sachliche Ausdrucksstil den „Kindergeschichten“ den Weg zu einem jungen Leserpublikum, bis in unsere Zeit. Im Exil entstand für sie mit dem „Gastgefühl“ der Eindruck, im fremden Land unmündig zu sein, wie es die Herausgeberin Jennifer Tharr in ihrem Nachwort formuliert (S. 275). Nach ihrer Einschätzung sind die hier vorgestellten teils bisher unveröffentlichten Texte „zugleich Zeugnis und Bemühen um Selbstvergewisserung als Überlebensstrategie“ gegenüber dem Raum des Exils, in dem eine Resonanz oftmals ausblieb. Dazu zitiert sie, der das Schreiben zuweilen gleichsam Ersatz für das real erschnte Leben und Heimatersatz war mit den Worten: „Ich muß mir einen Boden unter meine Füße schreiben, wenn mir der wirkliche zu unreal ist.“ Belege dafür finden sich in verschiedenster