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„Es ist Helge Malchows liebevoll hartnäckigem Drängen zu verdanken, dass Ruth Liepman trotz anfänglichem Sträuben ihre Erinnerungen erzählt hat“, so die Inhaberinnen der Agentur Liepman in dem Nachwort zur Neuauflage des Buches „Vielleicht ist Glück nicht nur Zufall“. Vom ersten Augenblick an werden die LeserInnen von diesem voll lebhafter Wärme und mit einem bezwingenden Ton wie mit einem mitschwingenden Herzschlag geschriebenen Buch gefesselt: Man liest und liest, ungeduldig dem Kommenden entgegendrängend, und hört um keinen Preis früher auf, ehe die letzte Seite umgeschlagen ist. Es ist ein von leidensfähiger Menschlichkeit erfülltes Buch, dem keine achselzuckende Gleichgültigkeit, keine Fühllosigkeit, kein Vorübergehen am menschlichen Schicksal eigen ist. Geschrieben von Ruth Liepman, die am 22. April 1909 unter dem Namen Ruth Lilienstein als Tochter jüdischer Eltern in der Eifel geboren wurde. Noch vor dem Ersten Weltkrieg zog die Familie nach Hamburg, wo ihr Vater als Arzt arbeitete. In seiner Praxis gab es mehr Kassen- denn Privatpatienten — keine Selbstverständlichkeit zur damaligen Zeit! Und er unterstützte, desillusioniert vom Krieg, die Aktionen der Novemberrevolution. Ihm verdankte Ruth ein „sehr starkes Gerechtigkeitsgefühl“, und ihrem Schulleiter am Lyzeum, Jakob Loewenthal, Freund von Richard Dehmel und Detlev von Liliencron, den Besuch der reformpädagogischen Lichtwarkschule, die sie für ihr ganzes Leben prägen sollte. Hier lernte sie lebenslange Freunde kennen, so die spätere Schriftstellerin Ruth Tassoni und den späteren Literaturkritiker und Fernsehdramaturgen Gerhard Lüdtke: „Alle Schüler haben Mut gehabt und sind unkonventionelle Wege gegangen.“ Mit neunzehn wurde sie Mitglied der KPD in der festen Überzeugung, dass die Kommunisten die Einzigen seien, die die Welt verändern würden und für Gerechtigkeit einträten. Sie unterrichtete an der Marxistischen Arbeiterschule, fand Kontakt zu „Arbeiterdichtern“, so zu Willy Bredel, und trat als Agitatorin bei der »Landvolk-Bewegung“ auf, wo sie auf die Brüder Bruno und Ernst von Salomon und Bodo Uhse traf. Ernst von Salomon war es, der Ruth kurz „nach der Machtergreifung“ vor dem Gefängnis rettete. Zwar konnte Ruth noch 1934 ihr JuraStudium abschließen, aber als Gerichtsreferendarin erhielt sie Berufsverbot, „übrigens zuerst einmal eher als Kommunistin denn als Jüdin“. Als die Verhältnisse in Deutschland immer unerträglicher wurden und sie wiederholt bei der Gestapo denunziert wurde, floh sie nach Amsterdam, kurz bevor sie steckbrieflich wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ gesucht wurde. „Dieser Steckbrief hat mich gequält, denn ich hatte Angst ... um meine Familie und ... meine Freunde, er hat mich gehindert, in Holland so aktiv zu sein, wie ich es eigentlich gern gewollt hatte.“ Wie mutig und willensstark diese Frau aber war, davon sprechen ihre Erinnerungen beredt. Wo sie konnte, da half sie. So konnte sie das Leben vieler Verfolgter retten, auch über eine „Schutzheirat“ mit einem Schweizer und als Mitarbeiterin und Sekretärin der Anwaltskanzlei des Schweizer Honorarkonsuls. Als sie selbst nach einer Denunziation 1943 untertauchen musste, fand sie Hilfe bei einer calvinistischen Familie. Nicht allein deswegen empfand sie das Exilland Holland als ihr „Zuhause“ — und das ihr Leben lang! Nach der Befreiung Deutschlands kehrte sie nach Hamburg zurück und lernte alsbald den heute fast vergessenen Schriftsteller Heinz Liepman kennen: „Als ich ihn traf, war er schon seit einer ganzen Zeit aus dem amerikanischen Exil zurück in Hamburg ... Er erzählte mir von seiner umfangreichen Korrespondenz mit alten Nazis, die auf seine scharfen Artikel über die Gefahren im Nachkriegsdeutschland reagiert hatten. Zum Beispiel hatte er die ‚Wendehälse‘ von damals angegriffen, die vorher Nazis waren und sich nun problemlos als staatstragend in der Bundesrepublik sahen.“ 1949 heirateten Ruth Lilienstein und Heinz Liepman und gründeten ein Jahr später eine Hauptmanns 70. Geburtstag im November 1932 war ein Fest der Nation, wie es seither kein deutscher Dichter mehr erlebt hat. Auf die Verleihung des Goethepreises folgte ein Herbst mit 166 Inszenierungen Hauptmannscher Stücke im ganzen Reich. Die Verleihung der Rathenau-Medaille im Gedanken an seinen bedeutendsten, von Rechtsradikalen ermordeten 62 _ ZWISCHENWELT Freund zeigte, wo der Dichter stand. Wenige Wochen später, im Jänner 1933, wurde Hitler Reichskanzler. Fortan hatte — was Hauptmann-Kritiker oft ignorieren — die NS-Kulturpolitik mit Hauptmann sehr viel mehr Schwierigkeiten als umgekehrt. Während der Dichter Winter und Frühjahr in Rapallo und auf Capri für den deutschen Buchmarkt ungewöhnliche Einrichtung, eine Literaturagentur. Zu den ersten Büchern, die die Liepmans nach Deutschland vermittelten, gehörten Norman Mailers „Die Nackten und die Toten“ J.D. Salingers „Der Fänger im Roggen“, später kamen „Das Tagebuch der Anne Frank“ und Eric Malpass‘ „Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung“ hinzu. 1961 zog das Paar mit seiner Agentur nach Zürich. Dort vertrat sie, seit 1966 verwitwet, Schriftsteller aus aller Welt wie u.a. Andre Brink, György Konräd, Aleksandar’Tisma, Ryszard Kapuceciäski, vermittelte Benoite Groults „Salz auf unserer Haut“, Günther Weisenborns Dokumentation „Der lautlose Aufstand“, Anna Mitgutschs „Die Züchtigung“ und betreute Nachlässe wie die von Norbert Elias, Erich Fromm, Ernst Weiss und Robert Neumann. Häufig gefragt nach dem Sinn ihrer Arbeit als literarische Agentin, gab sie zur Antwort: „Vielleicht kann man es so sagen: Ich glaube, dass es ein Schritt zum Frieden in der Welt ist, wenn Völker sich besser kennen, ... Bücher können dabei eine große Rolle spielen.“ Das „Börsenblatt für den deutschen Buchhandel“ nannte sie einmal die „Mutter Courage ihrer Profession“. Autoren und Verleger verliehen ihr den Ehrentitel Grande Dame unter den Literaturagenten und in einer Laudatio anlässlich der Überreichung einer goldenen Ehrenmedaille der Stadt Zürich wurde sie „als eine deutsche Zeugin des unerschrockenen antifaschistischen Widerstands“ gewürdigt. Mit 92 Jahren starb Ruth Liepman am 29. Mai 2001 in Zürich. Dem Verlag Silke Wenigers ist für die Neuausgabe des zuerst 1993 erschienenen Werkes zu danken. Christiana Puschak Ruth Liepman: Vielleicht ist Glück nicht nur Zufall. Erzählte Erinnerungen. Gräfelfing: Edition Fünf 2011. 176 5. Euro 19,40 verbrachte, begannen erste deutsche Gymnasien sich des großen Namens zu entledigen und sich nach Horst Wessel zu nennen; und während der greise Dichter nicht allzuviel begreift, bietet seine Frau Margarete dem jüdischen Freund Max Pinkus Dauerasyl in Hauptmanns Wohnburg Wiesenstein bei Agnetendorf an.