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mit Schönberg das Problem der „musikalischen Objektivität“ gestellt sei, „die Frage des beschädigten Subjekts“ auf. Was für die „verbrauchten Mittel“ in der Musik gilt— auf Thomas Manns Doktor Faustus ist noch zurückzukommen - trifft nicht weniger für die der Dichtkunst zu. Die Erkenntnis, dass sowohl das dokumentarisch und dichtetisch verbrauchte Wort als auch das Schweigen noch demselben Zwangszusammenhang angehören, nämlich dem beredten Vergessen und der beschwichtigenden Integration von Auschwitz in die wiedererrichtete Kultur, dass wer „authentisch“ Kunst schaffen will nach Auschwitz, sich dieses Widerspruchs nicht entziehen kann, sondern einzig ihm reflektierend standzuhalten hat — diese Erkenntnis ist Améry und Adorno gemeinsam. Die Niederlage des Worts vor der Wirklichkeit ist „trächtig mit der Erkenntnis, dass man zu schweigen hat von dem, worüber man nicht reden kann“, sagt Lefeu. „Und doch hieße schweigen, verschweigen.“ (125) Infolge der Selbstzerstörung der Kultur durch Auschwitz ist nicht bloß der Kulturbetrieb, sondern der Sinn von Kultur selbst fraglich geworden, wie Horkheimer und Adorno in der Vorrede zur Dialektik der Aufklärung auf die Wissenschaften gemünzt konstatieren.”® Dadurch gerät aber das Festhalten am Sinn, dem auch die begriffliche Anstrengung gilt, zum Paradox. Der Widerspruch ist nicht innerhalb der Kultur aufzulösen. In Die Kunst und die Künste spricht Adorno dies offen an: „Während die Situation Kunst nicht mehr zulässt — darauf zielte der Satz über die Unmöglichkeit von Gedichten nach Auschwitz —, bedarf sie doch ihrer.“?! Auch in der Negativen Dialektik findet sich das bedachte Changieren zwischen Notwendigkeit der Kultur und ihrer Unmöglichkeit. Der Widerspruch resultiert aus der gesellschaftlichen und geschichtlichen Totalität und ihrem Schuldzusammenhang: Wer für die Erhaltung der radikal schuldigen und schäbigen Kultur plädiert, macht sich zum Helfershelfer, während, wer der Kultur sich verweigert, unmittelbar die Barbarei befördert, als welche die Kultur sich enthüllte. Nicht einmal das Schweigen kommt aus dem Zirkel heraus; es rationalisiert einzig die eigene subjektive Unfähigkeit mit dem Stand der objektiven Wahrheit und entwürdigt dadurch diese abermals zur Lüge.” In demselben Aphorismus betont Adorno einen neuen „kategorischen Imperativ“, den Hitler den Menschen im Stande ihrer Unfreiheit aufgezwungen hat: „ihr Denken und Handeln so einzurichten, daß Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe“.”? Dieser kategorische Imperativ erfordert Paradoxes: die Selbstreflexion nämlich, die ans Individuum gebunden ist. Auschwitz hat aber gerade das Individuum als wesentlichen Bestandteil jener Kultur, die zur Barbarei führte, ausgelöscht und durchs Exemplar ersetzt. Für Adorno gilt es gegen die geschichtliche Übermacht und dem Grauen zum Trotz an der Reflexionskraft des Individuums festzuhalten, das Wort, das Auschwitz nicht begreifen kann, aufzuheben in einer „Geste aus Begriffen“”*. Darum stehen sowohl das Schweigen als auch das beredte Eingliedern von Auschwitz durch nachträgliche Sinnstiftung dem Eingedenken entgegen. Der Kultur des Identitätszwangs sperrt sich die „Geste aus Begriffen“: „sie ist Ausdruck und Reflexion einer in höchstem Maße subjektiven Erfahrung, die darin zugleich aufs Objektive zielt“.?° Lefeu ist auf der Suche nach einem Ausweg aus diesem Paradox, er sucht nach dem Wort, das zwischen der subjektiven Erfahrung und der Objektivität vermittelt. Lefeu verwandelt sich vom Feuermann zunehmend zum Feuerreiter, dieser ist „das ganz andere Wort, das mit dem Vorgang der Deportation der Eltern und ihrer Vernichtung kaum irgend etwas zu tun hat, stellte sich ein und redete mir eindringlicher ins Ohr als es die sachlichen oder auch poetisch transformierten Sätze vermocht hätten“. (129). Die Kultur ist mit Auschwitz gefallen. Da sie selbst Auschwitz hervorbrachte, soll sie nicht wieder auferstehen. Lefeu gibt sich ganz dem hin, was er Verfalls-Ästhetik nennt, und scheint darin Nietzsches Zarathustra zu folgen: „Oh meine Brüder, bin ich denn grausam? Aber ich sage: was fällt, das soll man auch noch stoßen!“?° Lefeu stößt sich vor allem an der Wiedererrichtung der Kultur nach Auschwitz, die die erfolgreiche Eingliederung und damit Verflachung von Auschwitz durch „kulturmanipulierte Erinnerung“? bedingt. Glanz-Verfall nennt er das Nachleben des Nationalsozialismus in der Kultur. Sie erregt Abscheu, Ekel. Sich gegen den Glanz-Verfall, die Kultur, die Auschwitz nahtlos integriert, zu wenden, heißt Lefeu auch, sich nicht zum Komplizen blinder Selbsterhaltung, der „Idee sich rational expandierenden Lebens“ (12) zu machen; nicht jedoch expandiert dieses Leben rational „um des Lebens willen“ (12), wie Lefeu noch meint, sondern die Expansion versperrt sich gerade dem Leben mitsamt seiner in ihm herangewachsenen und über das, was ist hinausweisenden Möglichkeiten. Ihre Rationalität ist darum irrational.”® Ablehnung des Glanz-Verfalls heißt Neigung zum Verfall, ein verzweifeltes Durchhalten und Warten, ein Herankommen-Lassen der Dinge (7). Die Neigung zum Verfall ist eine Haltung, die den Hoffnungsschimmer des Nicht-Identischen, dessen, was dem Identitätszwang sich entzieht, nicht vollkommen fahren lassen will. Sie verabscheut das Alte ebenso sehr wie das Neue, denn beide gehören, als nur scheinbare Antipoden, dem Selben an — das Neue gibt sich stets wieder als das Nämliche zu erkennen. Dieser Identität des Selben gilt Lefeus Widerstand, er hält fest an dem, „was weder alt ist noch neu, sondern transtemporal, wie das Werden“ (20), oder wie die Erinnerung an das Leiden durch die gesamte Menschheitsgeschichte hindurch, welches im Angesicht des äußersten Grauens Benjaminisch zitierbar wird. Das Bewusstsein des Verfalls, in Amérys Sinn, bricht das Kontinuum auf, stößt und denunziert das, was fällt. Die Neigung zum Verfall ebenso wie die Abwendung von der Welt, die Lefeu charakterisieren, sind der Unmöglichkeit geschuldet, das Überstehen zu überstehen (150). Jedoch ist diese Haltung keine Tod-Verfallenheit, im Gegenteil nennt Lefeu sie Lebensanhänglichkeit, während der Glanz-Verfall als Todes-Chiffre firmiert (47). Die Lebensanhänglichkeit des Verfalls äußert sich darin, dass er langsam vor sich geht und gerade dadurch ein Innewerden impliziert; er „ist in seiner Langsamkeit so recht das dem Tode entgegenschreitende, sich selbst zerstörende, aber in eben der Zerstörung sich entdeckende und realisierende Leben“ (138). Dem stellt Lefeu die Verbrennung gegenüber als den „allzu schnell herbeigezwungeneln] Tod“ (138). Der Verfall, als „Leiden und Kontradiktion“, ist „warm versickerndes Leben ..., nicht aber brennender und blitzesschnell erkaltender Tod“ (138). Lefeus Verfalls-Ästhetik enthält die Hoffnung, dass der Tod „in das erfahrene Leben der Einzelnen als ein irgend mit dessen Verlauf Übereinstimmendes eintrete“?°. Sie gehört der Zeit vor Auschwitz an — Auschwitz hat den Sinnzusammenhang auch zwischen Leben und Tod zerstört, und nach Auschwitz ist ein Tod wie vordem nicht mehr zu haben. „Daß in den Lagern nicht mehr das Individuum starb, sondern das Exemplar, muß das Sterben auch derer aflızieren, die der Maßnahme entgingen.“? An diese Überlegung schließt Adorno die noch viel radikalere November 2012 37