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Garbell, André Cottavoz ausstellt, eher ein Geheimtipp. Dem Kunsthistoriker Matthias Boeckl zufolge ist Erich Schmid [...] ein wichtiger Vertreter jener Richtung der Pariser NachkriegsSzene, die — auf der „Verliererseite“ im damals tobenden Richtungsstreit der modernen Malerei zwischen figurativer und abstrakter Gestaltung — in malerisch-psychologisierender Manier Sujets und Stilelemente expressionistischer und surrealistischer Strömungen der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg auf eine betont kultivierte Weise [...] weiterentwickelte.® Zu seinen Sammlern gehörte „der bekannte kanadische Sammler Mendl [sic!]“, womit Frederick Salomon Mendel, der Vater der Malerin Eva Miller-Mendel, einer Studienkollegin Erich Schmids aus Wiener Tagen, gemeint ist. Der Berliner Mendel hatte in Kanada, in seiner neuen Heimatstadt Saskatoon, ein Museum moderner Kunst: die Mendel Art Galery, gestiftet.! Erich Schmid traf oft in den Caféhausern des Quartier Latin, in Saint-Germain-des-Prés oder am Montparnasse seine KollegInnen und FreundInnen. Jean Améry hatte jedoch den Eindruck, als brauche, ja als wolle E.S. gar keine Gefährten, dass seine sehr ausgesprochene Liebenswürdigkeit, sein fröhlich-zynischer Galgenhumor, seine kameradschaftliche Attitüde im Grunde nur Mittel sind, sich den Mitmenschen, den er nicht verachtet, von dem er aber auch nichts hält, vom Leibe zu halten.'! 1958 lernte Erich Schmid die 1924 in Galveston, Texas, geborene Gail Singer kennen, eine Malerin und Grafikerin, die ein paar Jahre zuvor mit dem John T. Milliken Foreign Travel Scholarship nach Europa gekommen war und u.a. auch bei Stanley William Hayter im „Atelier 17“ in Paris studieren sollte.'* Ihr Stil war stark von jenem der Gruppe CoBRA beeinflußt. Ihr Tod traf Erich Schmid 1983 hart, nach Jean Amerys Selbstmord 1978. Schmid selbst starb am 30. Dezember 1984 in Paris und liegt am Friedhof von Pére-Lachaise begraben. Erich Schmid hat sich dem Kunstmarkt verweigert, ging in stillem Widerstand unbeirrt seinen Weg. Doch war sein chambre de bonne alles andere als ein Elfenbeinturm. et Neinsagen wird als revolutionärer Akt und Aufstand sowohl gegen die sozial-reaktionäre „brave new world“ als auch gegen die Pseudorevolution einer ihr Nein ständig zurücknehmenden und im Ernstfall ihrer Integration ins Gesamtsystem keinen Widerstand entgegensetzenden künstlerischen homines ludentes gedeutet." Anmerkungen 1 Irene Heidelberger-Leonard: Nachwort. In Jean Amery: Werke, Bd. 1. Die Schiffbrüchigen, Lefeu oder der Abbruch. Stuttgart 2007, 668. 2 Ludwig Schwarz: Une expérience avec de jeunes déportés. In: Enfance. Tome 2 n°5, 1949, 497-505. 3 Jean Améry: Die neuen Monche. Bildnisse (Un)beriihmter Zeitgenossen: Unbekannter Maler E.S. In Claudia Widder, Roland Widder: Erich Schmid Wien 1908 — Paris 1984. Weitra 2002. 36. Zuerst erschienen in der Sonntagsausgabe des St. Galler Tagblatts vom 5.4.1959. 4 Rebecca Love Fishkin: Heroes of the Holocaust. Stevens Point 2011, 52£.; vgl. Léon Poliakov: LAuberge des musiciens. Mémoires, Paris 1981. 5 Claudia Widder: Biographische Bruchstiicke aus dem Leben des Malers Erich Schmid. In: C. Widder u.a., wie Anm. 3 , 14. 6 Ivonn Kappel: „In fremden Spiegeln sehen wir das eigene Bild“: Jean Amerys Lefeu oder Der Abbruch. Würzburg 2009, 152 7 Jean Améry: Life with Schmid’s pictures.. In: C. Widder u.a., wie Anm. 3, 38-39 (Nachdruck). 8 Matthias Boeckl: Erich Schmid — Eine Rekonstruktion. In: C. Widder u.a., wie Anm. 3, 19. 9 Jean Amery: Die neuen Mönche. Bildnisse (Un)berühmter Zeitgenossen: Unbekannter Maler E.S. In: C. Widder u.a., wie Anm. 3, 34. 10 Mendel Art Gallery. History. http://www.mendel.ca/2011/the-mendel-gift 11 Amery, wie Anm. 3, 36. 12 Herald Times Reporter, February 28, 1975, 18. 13 Jean Amery: Lefeu oder Der Abbruch. Konzept zu einem Roman-Essay (1972). In Jean Amery: Werke, Bd. 1. Die Schiffbrüchigen, Lefeu oder der Abbruch. Stuttgart 2007, 656. November 2012 41